Der digitale Produktpass (DPP) soll für verschiedenste Produktgruppen verpflichtend werden, um Transparenz über den gesamten Produktlebenszyklus zu schaffen und damit dem Ziel der Klimaneutralität in der Industrie einen Schritt näher zu kommen.
In diesem Nachgelesen erfahren Sie:
- Was ist der digitale Produktpass?
- Welche Vorgaben wurden bereits umgesetzt?
- Welche Anforderungen werden an den Produktpass gestellt?
- Welche Mehrwerte werden geboten?
Was ist der Digital Produktpass?
Der DPP soll als zentrales Instrument beim Aufbau einer Circular Economy (Kreislaufwirtschaft) dienen. Er ist dabei die zentrale Maßnahme, um die Industrie Richtung Klimaneutralität zu bewegen, wie es der europäische Green Deal und die geplante „Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie“ vorsehen. Das Ziel ist, Rohstoffe möglichst effizient zu nutzen, ihren Lebenszyklus zu verlängern und sie wiederzuverwenden, während gleichzeitig die Emissionen auf ein Minimum reduziert werden.
Im DPP werden umfassende Informationen über ein Produkt in Form eines „Produktgedächtnisses“ gespeichert. Dazu gehören Angaben wie Hersteller, verwendete Materialien, Produkteigenschaften, Reparatur- und Entsorgungsmöglichkeiten sowie potenzielle Schadstoffe. Ferner werden auch Umweltauswirkungen, beispielsweise der CO2-Fußabdruck des Produkts, über den DPP zugänglich gemacht. Dadurch wird die Transparenz über den gesamten Produktlebenszyklus gewährleistet. Um sicherzustellen, dass alle Akteure die Anforderungen des DPP erfüllen und die benötigten Daten bereitstellen können, ist eine standardisierte Struktur der Datensätze im DPP unverzichtbar.[1]
Der DPP richtet sich an eine Vielzahl von Zielgruppen: Hersteller und Produzenten, Händler und Vertriebspartner, Verbraucher, Recyclingunternehmen und Entsorgungsbetriebe sowie Behörden und Regierungsstellen. Ziel ist es, den DPP einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen und umfassende, detaillierte Informationen über ein Produkt bereitzustellen.[1]
Bereits umgesetzte Vorgaben – ein Überblick
Der Digitale Produktpass ist bereits in einigen Verordnungen der Europäischen Union vertreten. So wurde er im Zuge der EU-Ökodesign-Verordnung vom 13. Juni 2024 erstmalig definiert. Die Verordnung ersetzte die alte EU-Ökodesign-Richtlinie aus dem Jahre 2009 und zielt darauf ab, Anforderungen für nachhaltige Produkte zu stellen und den EU-Binnenmarkt zu stärken.
Der DPP wird dabei als „produktspezifischer Datensatz“ beschrieben, welcher bestimmte Informationen enthält und über einen elektronischen Datenträger zugänglich ist. Dabei muss ein DPP nach Ökodesign-Verordnung beispielhaft folgende Themen adressieren:[2]
- Reparierbarkeit, CO2-Fußabdruck oder Umweltfußabdruck
- Wiederverwendung und Recycling
- Eindeutige Produkterkennung
- Informationen über den Hersteller, wie eine eindeutige Erkennung
- Unterlagen und Informationen über die Konformität
- Angaben zum Importeuer
Die Einführung des DPP soll laut Ökodesign-Verordnung mit dem Ende der Erstellung des digitalen Registers bis zum 19. Juli 2026 einhergehen. Der Fokus liegt dabei zu Beginn auf „energieverbrauchsrelevanten“ Produkten.

Eine weitere Verordnung, in welcher ein DPP erwähnt und beschrieben wird, ist die EU-Batterieverordnung vom Juli 2023. Diese beinhaltet die Einführung eines digitalen Batteriepasses, welcher Anfang 2027 für diverse Batterien verpflichtend wird. Dieser Pass wird „mit den Informationen über die grundlegenden Merkmale der einzelnen Batterietypen und -modelle verknüpft, die in den Datenquellen des elektronischen Austauschsystems gespeichert sind“[3]. Dieser wird online über einen QR-Code zugänglich gemacht und soll ebenfalls Informationen enthalten, welche für die Reparierbarkeit und das Recycling von hoher Bedeutung sind. Ebenso werden hier als oberstes Ziel der Erhöhung der Transparenz der Liefer- und Wertschöpfungsketten genannt.[3]
Wie bereits in der Ökodesign-Verordnung beschrieben, soll der DPP zuerst bei energieverbrauchsrelevanten Produkten angewandt werden. In naher Zukunft soll der DPP in der neuen EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien und in der EU-Gebäuderichtlinie implementiert werden. Auf lange Sicht soll er für die meisten physischen Güter gelten.[1]
Technische Anforderungen an den DPP
Zur Umsetzung des Digitalen Produktpasses müssen diverse technische Anforderungen erfüllt werden. Dabei sind grundlegende Datenstandards für die Identifikation, Klassifikation und Beschreibung nötig, sowie Standards für die Erfassung von umweltrelevanten Informationen[1]. Aus diesem Grund hat die Europäische Kommission die europäischen Normungsinstitute CEN, CENELEC und ETSI beauftragt, Normen für den DPP zu entwickeln. Zur Entwicklung des Digitalen Produktpasses wurde von den beteiligten Instituten zunächst ein Komitee gegründet. Anschließend etablierten das DIN und die DKE das Gemeinschaftsgremium „Digitaler Produktpass“, das die deutschen Interessen im europäischen Kontext innerhalb des Komitees vertreten soll[4]. Der Standardisierungsauftrag beläuft sich auf acht Standards für[5]:
Zur Entwicklung des Digitalen Produktpasses wurde von den beteiligten Instituten zunächst ein Komitee gegründet. Anschließend etablierten das DIN und die DKE das Gemeinschaftsgremium „Digitaler Produktpass“, das die deutschen Interessen im europäischen Kontext innerhalb des Komitees vertreten soll. Der Standardisierungsauftrag beläuft sich auf acht Standards für:
- eindeutige Erkennungsmarker – Unique Identifier
- Datenträger und Verknüpfungen zwischen physischem Produkt und dem digitalen Abbild
- die Verwaltung von Zugriffsrechten, Informationen, Systemsicherheit und der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen
- die Datenverarbeitung, den Datenaustausch und Datenformate
- die Datenspeicherung, Archivierung und den Datenerhalt
- die Authentifizierung, Zuverlässigkeit und Integrität von Daten
- Programmierschnittstellen (APIs) für das DPP-Lebenszyklusmanagement und die Suchfunktionalität
- zur Interoperabilität (technisch, semantisch, organisatorisch)
Als möglicher Standard für den DPP empfiehlt das Institut der deutschen Wirtschaft die Verwendung des ECLASS Standards. Bei diesem handelt es sich um eine herstellerunabhängige und branchenübergreifende Lösung, welche sich kontinuierlich weiterentwickelt und an aktuelle Anforderungen anpasst. In Kombination mit der Asset Administration Shell (ASS), auch als „Verwaltungsschale“ bekannt, wird ein Austauschformat für Daten geboten, welches Informationen über den gesamten Produktlebenszyklus bündeln kann. Der ECLASS-Standard ist ein offener, normkonformer Standard, der weltweit etabliert ist. Dabei werden verschiedene Austauschformate unterstützt und durch jährliche Releases kontinuierlich aktualisiert.[6]
Potenziale des Digitalen Produktpasses
Das ökologische Potenzial des DPP ist offensichtlich, da Nachhaltigkeitsaspekte im DPP verpflichtend angegeben werden müssen. Dadurch kann zukünftig jedes Produkt, zum Beispiel hinsichtlich seines CO2-Fußabdrucks, auf Nachhaltigkeit überprüft werden. Des Weiteren gewährleistet die Circular Economy, dass Produkte über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg betrachtet und entsprechend entwickelt werden. Dadurch sollen sie langlebiger, leichter reparierbar und besser recycelbar werden, was letztendlich zu einer Reduzierung der Emissionen führen soll.
Neben den ökologischen Potenzialen gibt es auch soziale Vorteile. Durch bessere Informationen über Schadstoffe und Reparierbarkeit von Produkten werden die Verbraucherrechte gestärkt. Auch sicherheitsrelevante Informationen sollen im Digitalen Produktpass integriert werden, um Produktdaten künftig leichter zugänglich und verständlicher zu machen. Darüber hinaus fördert die Transparenz und Nachverfolgbarkeit der gesamten Lieferkette eine verantwortungsvolle Produktion unter fairen Arbeitsbedingungen.
Das ökonomische Potenzial des DPP zeigt sich insbesondere in der Förderung digitaler Geschäftsmodelle im Sinne von „Product as a Service“. Dabei werden Produkte nicht mehr als Eigentum verkauft, sondern als Dienstleistungen angeboten. Zusätzlich können Unternehmen ihre Kundschaft über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg betreuen, was Potenziale für zusätzliche Serviceleistungen wie Reparaturen und Wartungen bietet, neben dem einmaligen Produktverkauf.[1]
Herausforderungen des Digitalen Produktpasses
Die Einführung eines DPP bringt Herausforderungen mit sich, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Ein zentraler Aspekt ist die Digitalisierung, da Produktdaten in virtueller Form, mit hoher Qualität und im richtigen Datenformat vorliegen müssen, um in den DPP integriert werden zu können. In KMU sind Prozesse und Produkte oft noch nicht vollständig digitalisiert, was dazu führt, dass erforderliche Daten entweder nicht erfasst oder nicht präzise gespeichert werden. Zusätzlich sind viele Geschäftsmodelle nicht ausreichend zirkulär ausgerichtet, was durch den Mangel an verfügbaren Daten weiter erschwert wird. Der Umgang mit den gesammelten Daten stellt ebenfalls eine Herausforderung dar: Es muss geklärt werden, wer Zugriff auf welche DPP-Daten erhält, wie die Datensicherheit gewährleistet wird und wie Betriebsgeheimnisse geschützt werden können. Diese Herausforderungen sind im Standardisierungsauftrag an die Normungsinstitute adressiert und müssen vor der verpflichtenden Einführung des DPP geklärt werden.[1]
Fazit
Wie in diesem Nachgelesen aufgezeigt, bietet der Digitale Produktpass auf allen Nachhaltigkeitsebenen, sowohl auf der ökologischen, ökonomischen als auch auf der sozialen Ebene einige Potenziale. Er ist ein wichtiger Schritt in Richtung Klimaneutralität und Digitalisierung. Dabei dürfen die Herausforderungen, die der DPP birgt, vor allem für KMU, nicht unterschätzt werden. Eine sorgfältig ausgearbeitete und breit akzeptierte Standardisierung ist der Schlüssel zum Erfolg. Unternehmen sollten diesen nicht als Belastung, sondern als Chance betrachten. Bei einer erfolgreichen Einführung hat der DPP das Potenzial, auf viele verschiedene Produktgruppen angewendet zu werden und somit die Industrie zukunftsfähig zu machen.
Quellen
- Neligan, Adriana / Schleicher, Carmen / Engels, Barbara / Kroke, Thorsten, 2023, Digitaler Produktpass — Enabler der Circular Economy. Relevanz und Umsetzbarkeit durch Unternehmen, IW-Report, Nr. 47, Berlin / Köln
- Verordnung (EU) 2024/1781 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juni 2024 zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen für nachhaltige Produkte, zur Änderung der Richtlinie (EU) 2020/1828 und der Verordnung (EU) 2023/1542 und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/125/EG, https://data.europa.eu/eli/reg/2024/1781/oj
- Verordnung (EU) 2023/1542 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2023 über Batterien und Altbatterien, zur Änderung der Richtlinie 2008/98/EG und der Verordnung (EU) 2019/1020 und zur Aufhebung der Richtlinie 2006/66/EG, https://data.europa.eu/eli/reg/2023/1542/oj
- Mit Normen und Standards zum Digitalen Produktpass, https://www.din.de/de/mitwirken/normenausschuesse/nia/digitaler-produktpass (abgerufen am 10. Januar 2025)
- Entwurf der Standardisierung ergänzend des DDP, https://gs1.eu/wp-content/uploads/2022/08/Draft-standardisation-request-as-regards-digital-product-passports.pdf, (abgerufen am 10. Januar 2025)
- ECLASS als Lösung für den Digitalen Produktpass (DPP). https://eclass.eu/fileadmin/Redaktion/pdf-Dateien/Broschueren/ECLASS_f%C3%BCr_den_Digitalen_Produktpass__DPP_.pdf, (abgerufen am 10. Januar 2025)
fire