KI-Modelle mit allgemeinem Verwendungszweck bilden die Grundlage vieler im Büroumfeld verwendeter KI-Systeme wie Chatbots zum Kundensupport oder Wissensmanagement. Die Anforderungen der KI-Verordnung (KI-VO) an KI-Modelle mit allgemeinem Verwendungszweck (General Purpose Artificial Intelligence model – GPAI model) gelten ab dem 2. August 2025. Die Europäische Kommission hat nun Konkretisierungen veröffentlicht, die wir in diesem Beitrag vorstellen.
Auf einen Blick
Die KI-VO regelt die sichere und verantwortungsvolle Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Europäischen Union. Ab dem 2. August 2025 gelten die Anforderungen an KI-Modelle mit allgemeinem Verwendungszweck (Kapitel V KI-VO). Anbieter von GPAI, die vor dem 2. August 2025 auf den Markt gebracht wurden, müssen ab dem 2. August 2027 die Verpflichtungen der KI-VO erfüllen. Nach dem ‚New Legislative Framework‘ gibt die KI-VO einen abstrakten Rahmen vor, weshalb für die Umsetzung der Anforderungen in der Praxis die weitere Konkretisierung durch Leitlinien etc. notwendig ist. Pünktlich zu dem Termin am 2. August hat die Europäische Kommission nun verschiedene Spezifikationen veröffentlicht, welche die Rechtssicherheit durch Klarstellungen stärken sollen.
Relevanz für KMU
Bei einem KI-Modell handelt es sich dann um ein KI-Modell mit allgemeinem Verwendungszweck (GPAI), wenn das Modell mit einer großen Datenmenge unter Verwendung von Selbstüberwachung in großem Maßstab trainiert worden ist. Zusätzlich muss das Modell eine erhebliche Allgemeingültigkeit aufweisen und in der Lage sein, unabhängig von der Art und Weise, wie es in Verkehr gebracht wird, ein breites Spektrum unterschiedlicher Aufgaben kompetent auszuführen. Außerdem kann es in eine Vielzahl nachgelagerter Systeme oder Anwendungen integriert werden (Art. 3 Nr. 63 KI-VO).
Beispiele hierfür bilden große generative KI-Modelle, also beispielsweise Modelle, wie sie in Chatbots enthalten sind, die Sprache generieren können. Auch bildgenerative KI-Anwendungen oder multimodale generative KI-Anwendungen können KI-Modelle mit allgemeinem Verwendungszweck enthalten. Somit ist auch im KMU-Umfeld die Nutzung von auf GPAI basierenden Anwendungen verbreitet. Darüber hinaus kommt für KMU unter Umständen auch die Beteiligung an der Entwicklung von Anwendungen in Betracht, die auf GPAI basieren. Potenzielle Anwendungsfälle sind die Konfigurierung einer agentischen KI-Anwendung zur Assistenz im Büro oder auch die maßgeschneiderte Entwicklung von Chat-basierten KI-Systemen zum Wissensmanagement.
Überblick über die Spezifikationen
Die bereits erwähnte, praktische Ausgestaltung der Anforderungen der KI-VO an GPAI sollen sowohl durch Leitlinien der Europäischen Kommission zu KI-Modellen mit allgemeinem Verwendungszweck[1] als auch durch einen ‚General-Purpose AI Code of Practice‘ (Code of Practice)[2] erfolgen. Komplementiert werden diese durch eine Vorlage für Anbieter von KI-Modellen mit allgemeinem Verwendungszweck zur Zusammenfassung ihrer Trainingsinhalte (Musterdokumentationsformular)[3].
Die Leitlinien der Europäischen Kommission
Die Leitlinien der Europäischen Kommission zu GPAI haben zum Ziel, zentrale Begriffe der KI-VO zu klären. Dazu zählen beispielsweise die Definitionen, was unter GPAI zu verstehen ist oder wer Anbieter eines solchen Modells ist. Hier wird die Frage geklärt, ob und unter welchen Bedingungen KMU als Anbieter eines KI-Modells mit allgemeinem Verwendungszweck in Frage kommen. Außerdem wird präzisiert, in welchen Situationen das ‚Inverkehrbringen eines KI-Modells für allgemeine Zwecke‘ erfolgt ist. (Der Begriff des Inverkehrbringens bildet den Anknüpfungspunkt für die gesetzlichen Anforderungen, indem er den Anwendungsbereich der KI-VO eröffnet.)
Daneben wird in den Leitlinien dargelegt, wie die für das Training eines KI-Modells für allgemeine Zwecke verwendeten Rechenressourcen zu bestimmen sind. Diese Bestimmung ist für zwei Aspekte relevant. Zum einen bietet die Höhe der verwendeten Rechenressourcen einen Anhaltspunkt dafür, ob überhaupt GPAI (in Abgrenzung zu KI-Modellen ohne allgemeinen Verwendungszweck) vorliegt und wann ein bereits entwickeltes Modell durch Fine-Tuning in einem Maß verändert wurde, dass ein neues Modell entstanden ist, für welches wiederum die Anforderungen der KI-VO zu erfüllen sind. Zum anderen dient der Umfang der zum Training verwendeten Rechenressourcen dazu, GPAI mit systemischem Risiko zu identifizieren (Ca. ab 1025 FLOPs (Floating-Point Operations Per Second).
Ziel dieser Leitlinien ist damit zum einen, Akteuren die Einschätzung zu ermöglichen, ob sie Anbieter von GPAI-Modellen (mit oder ohne systemisches Risiko) sind. Hierüber sollen sie auch dabei unterstützen, den Umfang der eigenen Pflichten einzuschätzen (zum konkreten Unterschied im Umfang der Pflichten des Code of Practice). Über die genannten begrifflichen Klarstellungen hinaus soll der Entwurf der Leitlinien zum anderen aber auch ausdrücklich verdeutlichen, wie das europäische AI-Office Anbieter von GPAI unterstützen und mit ihnen zusammenarbeiten wird.
Der Code of Practice
Der ‚General-Purpose AI Code of Practice‘ soll Anbietern helfen, konkret die Verpflichtungen der KI-VO für Anbieter von KI-Modellen mit allgemeinem Verwendungszweck in Bezug auf Sicherheit, Transparenz und Urheberrecht zu erfüllen. Dabei müssen die beiden ersten Kapitel des Codes of Practice zu Transparenz und Urheberrecht von den Anbietern aller KI-Modelle mit allgemeinem Verwendungszweck eingehalten werden. Sie dienen dazu, die Einhaltung der Verpflichtungen aus Art. 53 KI-VO nachzuweisen. Das Kapitel zur Transparenz enthält unter anderem auch das Musterdokumentationsformular (s. u.), während das Kapitel zum Urheberrecht praktische Lösungen zur Erfüllung der Verpflichtung der KI-VO zum Urheberrecht formuliert.
Das dritte Kapitel des Codes of Practice zur Sicherheit bezieht sich auf Art. 55 KI-VO und besitzt damit nur Relevanz für Anbieter von Modellen mit systemischem Risiko. Es enthält dem Stand der Technik entsprechende Verfahren zum Management dieser Risiken.
Der Code of Practice wurde von unabhängigen Experten ausgearbeitet und durchläuft aktuell ein Anerkennungsverfahren, das ‚Endorsement-Verfahren‘. Nach Abschluss dieses Verfahrens, wenn der Code of Practice von den Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission gebilligt wurde, können Anbieter von KI-Modellen, die ihn freiwillig unterzeichnen[4], durch die Einhaltung des Codes of Practice nachweisen, dass sie die KI-VO einhalten.
Das Musterdokumentationsformular
Das bereits erwähnte Musterdokumentationsformular[5] bietet eine Grundlage für die Bereitstellung der Informationen, die als Zusammenfassung der Trainingsinhalte für KI-Modelle mit allgemeinem Verwendungszweck öffentlich zugänglich gemacht werden sollen. Den Transparenzpflichten kann daher anwenderfreundlich durch Ausfüllen des Formulars nachgekommen werden.
Herausforderungen und Potenziale
Die Leitlinien, der Code of Practice und das Musterdokumentationsformular sowie die zugehörigen Erläuterungen sollen Anbietern helfen, die Anforderungen der KI-VO besser zu verstehen und rechtskonform umzusetzen. Nichtsdestotrotz sind die Spezifikationen insbesondere für Anbieter von KI-Modellen mit allgemeinem Verwendungszweck und systemischem Risiko umfassend und komplex. Obwohl Anbieter die Anforderungen der KI-VO ab dem 2. August 2025 erfüllen müssen, bietet das europäische AI-Office insbesondere Anbietern, die sich an den Code of Practice halten (s. o. Möglichkeit der Unterzeichnung), eine enge Zusammenarbeit an, um die Einhaltung der Anforderungen sicherzustellen.
Bis zum 2. August 2026 wird das AI-Office darüber hinaus davon ausgehen, dass Anbieter, die noch nicht alle Anforderungen vollständig umgesetzt haben, in gutem Glauben gehandelt haben. Bis August 2026 soll die Zusammenarbeit zwischen Anbietern und AI-Office zur vollständigen Umsetzung aller Anforderungen der KI-VO im Fokus stehen. Erst ab dem 2. August 2026 wird sich dieser auch auf Geldbußen als Mittel der Wahl zur Durchsetzung der KI-VO verlagern. Insofern gewährt das AI-Office für alle, die in gutem Glauben handeln, eine Übergangszeit.
Weiterführende Informationen
- Europäische Kommission, Guidelines on the scope of obligations for providers of general-purpose AI models under the AI Act, abrufbar unter: https://digital-strategy.ec.europa.eu/en/library/guidelines-scope-obligations-providers-general-purpose-ai-models-under-ai-act (22.07.2025).
- Europäische Kommission, The General-Purpose AI Code of Practice, abrufbar unter: https://digital-strategy.ec.europa.eu/en/policies/contents-code-gpai (22.07.2025).
- Europäische Kommission, Explanatory Notice and Template for the Public Summary of Training Content for general-purpose AI models, abrufbar unter: https://digital-strategy.ec.europa.eu/en/library/explanatory-notice-and-template-public-summary-training-content-general-purpose-ai-models (25.07.2025).
- Das Formular zur Unterschrift sowie weitere Informationen können der folgenden Seite entnommen werden: https://digital-strategy.ec.europa.eu/en/library/ai-office-invites-providers-sign-gpai-code-practice (25.07.2025).
- Europäische Kommission, Musterdokumentationsformular, abrufbar unter: https://digital-strategy.ec.europa.eu/en/library/explanatory-notice-and-template-public-summary-training-content-general-purpose-ai-models (25.07.2025).