Neues Recht für digitale Produkte
Im deutschen Vertragsrecht existierten bislang keine speziellen Regelungen für Verträge über Software, Musik- und Videodateien, E-Books oder Cloud-Anwendungen. Zum 01.01.2022 traten zahlreiche Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in Kraft, die diesen Umstand nun änderten. Sie betreffen zum Großteil den B2C-Bereich, jedoch wurden auch Rückgriffsrechte der Unternehmer im Rahmen ihrer Vertragskette geschaffen. Wir beleuchten die Änderungen.
Anwendungsbereich der neuen Vorschriften
Die neuen Regelungen erstrecken sich auf digitale Produkte, die als digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen bereitgestellt werden (§ 327 Abs. 1 S. 1 BGB). Sie gelten für alle Verbraucherverträge, unabhängig von der Vertragsart.
Zu digitalen Inhalte zählen beispielsweise Software, Audio- oder Videodateien, digitale Spiele, digitale Bücher oder auch CAD-Dateien für 3D-Drucker. Digitale Dienstleistungen umfassen unter anderem Software-as-a-Service-Dienste, Dateihosting, Cloudanwendungen, Spiele oder Textverarbeitung in einer Cloudumgebung, soziale Medien sowie Plattformen zum Verkauf, Buchung, Vermittlung, Vergleich oder Bewertung.
Ein Verbrauchervertrag ist ein Vertrag, bei dem sich ein Unternehmer zur Erbringung einer Leistung verpflichtet und der Verbraucher für die Leistung einen Preis zahlt (§ 310 Abs. 3 BGB). Der Preis kann ebenso eine digitale Darstellung eines Wertes sein (§ 327 Abs. 1 S. 2 BGB) oder die Bereitstellung personenbezogener Daten des Verbrauchers (§ 327 Abs. 3 S. 1 BGB). So sollen Geschäftsmodelle erfasst werden, die für den Verbraucher kostenfrei sind und sich über die Verarbeitung der Nutzungs- und Nutzerdaten finanzieren.
Inhaltliche Regelungen
Das Gesetz unterscheidet grundsätzlich drei Konstellationen:
- Paketverträge
- Sachen, die digitale Produkte enthalten oder mit ihnen verbunden sind
- Waren mit digitalen Elementen. Wobei die Bindung zwischen den Vertragsbestandteilen immer enger wird.
Paketverträge
Die erste Konstellation sind die sog. Paketverträge. Sie stellen neben digitalen Produkten weitere Vertragsinhalte bereit zum Beispiel Hardware oder die Erbringung nichtdigitaler Dienstleistungen. Beide Vertragsbestandteile müssen in demselben Vertrag zwischen denselben Vertragsparteien getroffen sein. Es könnte demnach Hardware mit entsprechend passender Software in einem Vertrag zusammengefasst verkauft werden, etwa der Verkauf eines Wiedergabegerätes verbunden mit einem Musikstreaming-Abonnement.
Sachen, die digitale Produkte enthalten oder mit ihnen verbunden sind
Die zweite Konstellation erfasst Sachen, die digitale Produkte enthalten oder mit ihnen verbunden sind. Hier beziehen sich die Regelungen der §§ 327 ff. BGB nur auf den Vertragsteil, der die digitalen Produkte anbetrifft. Etwa ein Notebook mit bereits vorinstalliertem Betriebssystem, welches sich durch ein anderes Betriebssystem im Nachhinein ersetzen ließe.
Waren mit digitalen Elementen
Die dritte Konstellation sind die Waren mit digitalen Elementen. Darunter sind Waren zu fassen, die in einer Weise digitale Produkte enthalten oder mit ihnen verbunden sind, dass die Waren ohne die digitalen Produkte ihre Funktion verlieren. An Waren mit digitalen Elementen werden demnach zwei Kriterien gestellt:
- Ein vertragliches Kriterium, wonach die Leistung eines digitalen Elements geschuldet ist und
- ein funktionales Kriterium, wonach die Ware ohne das digitale Element nicht funktionstüchtig ist. Dies können Betriebssysteme, Apps oder die fortlaufende Bereitstellung von Verkehrsdaten in Navigationssystemen sein.
Die Sonderrolle dieser Konstellation liegt darin, dass dafür das Kaufrecht und die §§ 475b ff. BGB anwendbar sind. Das heißt, dass für Waren mit digitalen Elementen das Kaufrecht sowohl für den digitalen Teil als auch den nichtdigitalen Teil anzuwenden ist. Während bei Paketverträgen und Sachen, die digitale Elemente enthalten, für den digitalen Teil ausschließlich die §§ 327a ff. BGB gelten.
Beispiele für Waren mit digitalen Elementen sind etwa Smartphones oder Smartwatches, die nur mit dem vom Hersteller installiertem Betriebssystem funktionieren.
Handlungsbedarfe für Unternehmen
Verbraucher erhalten mit dem neuen digitalen Vertragsrecht umfassende Gewährleistungsrechte. Für Unternehmen regelt das Recht vor allem die Pflicht zur mangelfreien Leistung – bezogen auf alle digitalen Produkte, die es anbietet. Das schließt unter anderem eine Update-Pflicht ein.
Die Vorschriften müssen bis zum Jahresende umgesetzt sein. Das bedeutet, Unternehmen sollten prüfen, ob ihre Auftrags- und Vertragsdokumente sowie die allgemeinen Geschäfts- und Nutzungsbedingungen den geänderten gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Wenn nicht, müssen sie Verträge umgestalten und neue Hinweise einbinden.