Abmahnungen per MailAbmahnungen per Mail

Wann geht eine E-Mail mitsamt Anhang tatsächlich zu? Mit dieser Frage hat sich das Oberlandesgericht Hamm beschäftigt und einen Beschluss gefasst. Wir geben weiter, wie Sie mit Erklärungen umgehen sollten, die rechtlich relevant sind und nachweisbar empfangen werden müssen.

Wann geht eine E-Mail mitsamt Anhang tatsächlich zu? Mit dieser Frage hat sich das Oberlandesgericht Hamm beschäftigt und einen Beschluss gefasst. Wir geben weiter, wie Sie mit Erklärungen umgehen sollten, die rechtlich relevant sind und nachweisbar empfangen werden müssen.

Zugang von Willenserklärungen

Willenserklärungen sind rechtlich relevante Äußerungen. Sie können mündlich, schriftlich oder durch schlüssiges Verhalten zum Ausdruck gebracht werden. Im Rechtsverkehr ist es oft nötig, dass eine solche Willenserklärung einer anderen Person zugeht, diese also Kenntnis von der Äußerung erlangt.

Eine Willenserklärung geht grundsätzlich zu, wenn sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass er unter normalen Umständen von ihrem Inhalt Kenntnis erlangen kann. In diesem Fall spricht man von einer empfangsbedürftigen Willenserklärung. Ein solche ist etwa das Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages. Das Angebot muss dem anderen zugehen, damit dieser es annehmen kann. Auch wettbewerbsrechtliche Abmahnschreiben sind empfangsbedürftig. Nur so kann ihr Ziel erreicht werden, ein wettbewerbswidriges Verhalten zu beenden.

    Exkurs:

    Die wettbewerbsrechtliche Abmahnung ist die Mitteilung eines gem. § 8 Abs. 3 UWG Klagebefugten an ein Unternehmen, sich durch eine genau bezeichnete Handlung wettbewerbswidrig verhalten zu haben. Diese wird mit einer Aufforderung zum Unterlassen sowie einer strafbewehrten Unterlassungs- und Unterwerfungserklärung verbunden. Kommt der Unternehmer dem nach, erledigt sich der Rechtsstreit außergerichtlich, anderenfalls kann es zu einer einstweiligen Verfügung oder Klage kommen. Das wettbewerbsrechtliche Abmahnschreiben unterliegt keinem Formzwang, es kann grundsätzlich auch mündlich abgemahnt werden. Für die Nachweisbarkeit wird dies jedoch meist schriftlich erfolgen.

    Zugang von E-Mail bzw. E-Mail-Anhängen

    Die zwei Voraussetzungen für den Zugang einer Willenserklärung (Machtbereich, Kenntnisnahmemöglichkeit) gelten auch für E-Mails und E-Mail-Anhänge. Eine E-Mail und deren Anhänge gelangen in den Machtbereich des Empfängers, sobald sie im Postfach abrufbar sind. Dabei spielt es keine Rolle, ob die E-Mail auf dem eigenen Computer oder bei einem Provider gespeichert wird.

    Für die Möglichkeit der Kenntnisnahme ist zwischen der E-Mail als solcher und ihrem Anhang zu unterscheiden. Während der Inhalt einer E-Mail als Text direkt angezeigt wird, müssen Anhänge in einem weiteren Schritt geöffnet werden. Es stellt sich die Frage, ob der Empfänger Kenntnis vom Inhalt des Anhangs nehmen kann, sobald die E-Mail im Postfach gespeichert ist. Dies wird teilweise sehr unterschiedlich bewertet. Der Grund liegt im potentiellen Virenrisiko, welches von Anhängen ausgeht. Allgemein wird empfohlen Anhänge in E-Mails von unbekannten Absendern nicht zu öffnen, um nicht Gefahr zu laufen eine Schadsoftware auf den eigenen Computer herunterzuladen oder den Weg dafür zu ebnen. Ob der Empfänger dieses Risiko eingehen muss, war Teil der Entscheidung des OLG Hamm.

      Abgrenzung Textform und Schriftform:

      Grundsätzlich dürfen nur Erklärungen per E-Mail versendet werden, für die lediglich die Textform im Sinne des § 126b BGB vorgesehen ist. Denn die Schriftform des § 126 BGB erfordert eine vom Erklärenden eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnete Erklärung. Man spricht hier von einer Urkunde, die im Original zugehen muss. Eine Kopie oder ein Scan mit dem Versand per E-Mail reichen hierfür nicht.

      Entscheidung Oberlandesgericht Hamm

      Im Fall des OLG Hamm vom 09.03.2022 wurde eine E-Mail verschickt, in deren Anhang sich das Abmahnschreiben befand. Auf jenes wurde im Text der E-Mail hingewiesen. Das Gericht entschied, dass ein E-Mail-Anhang erst dann zugeht, wenn der Empfänger ihn tatsächlich öffnet. Aufgrund des Virenrisikos sei es dem Empfänger nicht zuzumuten, einen Anhang zu öffnen. Folglich kann man von einer Kenntnisnahmemöglichkeit und letztlich dem Zugang eines E-Mails-Anhangs nicht ausgehen, sobald die Mail im Postfach gespeichert ist. Es müsse noch die tatsächliche Kenntnisnahme hinzutreten. Diese Entscheidung ist nicht frei von Kritik.

      So entspricht die Auffassung des Gerichts nicht dem allgemeinen Willen des Gesetzgebers den elektronischen Rechtsverkehr zu fördern. Dies wäre nur der Fall, wenn das Gericht einen Zugang des Anhangs mit der Speicherung der E-Mail im Postfach bejaht hätte. Weiter erschließt sich nicht die unterschiedliche Behandlung zu Empfängern von Briefen. Auch dort könnten gefährliche Inhalte enthalten sein, aber es wird davon ausgegangen, dass Briefe geöffnet werden und eine Möglichkeit der Kenntnisnahme ohne weiteres besteht.

      Ein letzter Kritikpunkt ergibt sich aus der Beweislastverteilung. Im Prozess muss derjenige Tatsachen beweisen, auf die er sich beruft. Somit muss regelmäßig der Erklärende beweisen, dass seine Willenserklärung zugegangen ist. Hängt jetzt, so wie es das OLG Hamm vertritt, der Zugang von der tatsächlichen Kenntnisnahme des Anhangs ab, also seinem Öffnen, hat der Erklärende keine realistische Möglichkeit hierfür Beweis zu erbringen. Empfangs- und Lesebestätigungen können nur auf den ersten Blick helfen, da sie ebenfalls vom Empfänger abgelehnt werden. Selbst ein Hinweis in der E-Mail den Anhang zur Kenntnis zu nehmen, genügte dem Gericht nicht. Dies wiederum ist mit Blick auf die Virengefahr nachvollziehbar, da entsprechende E-Mails sicher ähnliche Hinweise enthalten dürften.

      Fazit

      Als Empfehlung lässt sich daher leider vorerst nur ableiten, rechtliche relevante empfangsbedürftige Erklärungen nicht als Anhang zu einer E-Mail zu versenden. Die gesteigerten Anforderungen an den Zugang und die Beweisbarkeit sind erhebliche Nachteile gegenüber einer Briefzustellung. Es ist aber auch zu beachten, dass dies nur eine Momentaufnahme darstellt und im Fortgang der Digitalisierung wahrscheinlich noch eine Änderung erfahren wird.

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