Am Wochenende mal eben das E-Mail-Postfach gecheckt und ein paar E-Mails beantwortet. Oder am Abend ein schnelles Telefonat mit einem Kunden, der immer erst ab 19 Uhr erreichbar ist. Die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmen zunehmend. Gleichzeitig sieht die Gesetzgebung eine Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit vor.
In diesem Nachgelesen fassen wir die wichtigsten Informationen rund um das Thema Arbeitszeiterfassung in Unternehmen zusammen. Wir erklären:
- den Begriff der Arbeitszeit,
- die Pflicht zur Erfassung von Überstunden
- was EuGH und BGH zur Pflicht der Arbeitszeiterfassung urteilen und
- welche Kriterien für die Auswahl von Tools für die Zeiterfassung sie beachten sollten.
Die korrekte Erfassung der Arbeitszeit kann sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber wichtig sein. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die europäischen und nationalen Gerichtsentscheidungen, welche eine entsprechende Pflicht zur Arbeitszeiterfassung bejahten. Für eine Erfassung sollte es Unternehmen klar sein, was zur Arbeitszeit zählt, in welchem Umfang diese dokumentiert werden muss und womit in Zukunft zu rechnen ist.
Der Begriff der Arbeitszeit
Für den Bereich der Arbeitszeit gilt in Deutschland das Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Nach § 2 ArbZG ist Arbeitszeit im Sinne des Gesetzes die Zeit von Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Eine Ausnahme gilt hier für den Bergbau, dort zählen auch die Ruhepausen als Arbeitszeit. Grundsätzlich dürfen Arbeitnehmer nicht länger als acht Stunden täglich arbeiten, § 3 ArbZG. Die tägliche Arbeitszeit kann auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Monaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden als tägliche Arbeitszeit erreicht werden.
Rechenbeispiel 1
Maria arbeitet aufgrund eines dringlich zu erledigenden Auftrags eine Woche lang zehn Stunden pro Tag. Sie arbeitet täglich also zwei Stunden länger. Um dies auszugleichen, kann sie in der darauffolgenden Woche lediglich 6 Stunden pro Tag arbeiten. In dem Fall wären die durchschnittlich acht Stunden Arbeitszeit pro Tag bereits nach zwei Wochen erreicht. Sie kann aber auch in den zwei darauffolgenden Wochen jeweils sieben Stunden pro Tag arbeiten. Dann wären die zulässigen acht Stunden im Durchschnitt nach drei Wochen erreicht.
Wie bereits erwähnt, zählen Ruhepausen nicht zur Arbeitszeit. In den Zeiten der Ruhepause müssen Arbeitnehmer weder arbeiten noch sich dafür bereithalten. Sie dienen der Erholung und Arbeitnehmer können frei entscheiden, wo und wie sie diese Zeit verbringen. Gemäß § 4 ArbZG besteht für Arbeitnehmer einen Anspruch auf Ruhepausen, abhängig von der Dauer der Arbeitszeit. Arbeiten die Arbeitnehmer länger als sechs Stunden, haben sie Anspruch auf 30 Minuten Ruhepause. Ab neuen Stunden Arbeit erhöht sich der Anspruch auf 45 Minuten. Die Ruhepausen können in jeweils 15 Minuten aufteilt werden. Länger als sechs Stunden darf ein Arbeitnehmer dabei nicht ohne Unterbrechung arbeiten.
Diese Regelungen stellen das gesetzliche Minimum dar. Arbeitgeber dürfen zu Gunsten der Arbeitnehmer davon abweichen, etwa durch längere oder vergütete Ruhepausen.
Ein arbeitnehmerseitiger Verzicht auf die Ruhepausen ist nicht zulässig. Aufgrund des Schutzgesetzcharakters von § 4 ArbZG trifft den Arbeitgeber daher auch die Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass entsprechende Ruhepausen nicht nur möglich sind, sondern auch in Anspruch genommen werden.
Rechenbeispiel 2
Paul arbeitet acht Stunden täglich und hat einen Anspruch auf mindestens 30 Minuten Ruhepause. Diese verteilt er gern auf zwei Pausen zu je 15 Minuten. Das bedeutet: Arbeitsbeginn ist um 6 Uhr; er arbeitet zwei Stunden bis 8 Uhr, dann die erste Pause von 8 Uhr bis 8:15 Uhr, anschließend arbeitet er bis 12:15 und nimmt die zweite Pause bis 12:30 Uhr. Nun sind noch zwei Stunden Arbeit offen, sodass er 14:30 Uhr in den Feierabend gehen kann.
Von den Ruhepausen ist die Ruhezeit gem. § 5 ArbZG zu unterscheiden. Danach muss Arbeitnehmern mindestens elf Stunden ununterbrochene Ruhezeit zwischen zwei Arbeitstagen gewährt werden. Das heißt, sog. kurze Wechsel, bspw. Ende der Arbeit um 22 Uhr und Arbeitsaufnahme am nächsten Tag um 6 Uhr, sind grds. unzulässig. Denn in diesem Fall beträgt die Ruhephase lediglich acht Stunden. Das Gesetz kennt jedoch auch Ausnahmen, etwa im Gesundheitswesen, der Gastronomie und Hotelwirtschaft, beim Rundfunk und in der Landwirtschaft sowie der Tierhaltung. Hier darf die Ruhezeit um eine Stunde verkürzt werden, wenn die Ruhezeit innerhalb eines Monats oder vier Kalenderwochen durch eine Ruhezeit von mindestens 12 Stunden ausgeglichen wird.
Da die Ruhezeit grds. ununterbrochen zu gewähren ist, beginnen die elf Stunden bei jeder erneuten Arbeitsaufnahme von neuem. Dies ist vor allem in flexiblen Arbeitsmodellen relevant, bei denen die Arbeit auch außerhalb eines Betriebsgeländes erledigt werden kann. Denn auch bei einer lediglich kurzen Arbeitsaufnahme würden die elf Stunden Ruhezeit neu beginnen. Ein Beispiel aus der Rechtsprechung ist das Beantworten von E-Mails. Während das bloße Lesen noch nicht als Arbeitsaufnahme zu werten sei, stelle das Beantworten von E-Mails regelmäßig eine Aufnahme der Arbeit dar. Auch hier hat der Arbeitgeber, ähnlich wie bei den Ruhepausen, dafür zu sorgen, dass die Arbeitnehmer ihre Ruhezeiten einhalten.
Pflicht zur Erfassung von Überstunden
Bereits seit der Einführung des ArbZG 1994 besteht eine Aufzeichnungspflicht des Arbeitgebers gem. § 16 Abs. 2 ArbZG für die über die werktägliche Arbeitszeit des § 3 S. 1 ArbZG hinausgehenden Zeiten. Erfasst sind also alle Zeiten, die acht Stunden täglich überschreiten, sprich Überstunden. Die Dokumentationen der Überstunden sind mindestens zwei Jahre aufzubewahren. In Streitfällen vor dem Arbeitsgericht dient diese Regelung regelmäßig dazu, Klarheit über geleistete Überstunden und in letzter Konsequenz auch deren Vergütung zu bringen.
Weitere Aufzeichnungspflichten bestehen etwa im Bereich der Luft- und Seeschifffahrt, auf Offshore-Anlagen, in Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen sowie im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung.
EuGH und BGH zur Pflicht der Arbeitszeiterfassung
Das Ziel der Vereinfachung des Nachweises von Überstunden und den Schutz der Arbeitnehmer zogen auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) und der Bundesgerichthof (BGH) in ihren viel beachteten Entscheidungen zur Begründung heran.
Die Entscheidung des EuGH[1] erging in Auslegung und Anwendung der Arbeitszeitrichtlinie, welche auch für das deutsche Arbeitszeitrecht maßgeblich ist, sowie der EU-Grundrechte-Charta, welche gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen statuiert. Danach seien – so der EuGH – die Mitgliedsstaaten angehalten, die Arbeitgeber zu verpflichten, ein objektives, verlässliches und transparentes System einzuführen, mit dessen Hilfe die tägliche Arbeitszeit ermittelt werden kann.
Infolge der EuGH-Entscheidung entstand ein Streit über die Tragweite und Konsequenzen dieser Entscheidung. Im Raum standen unter anderem die Fragen:
- Bindet die Entscheidung Gerichte daran, das deutsche Recht entsprechend auszulegen?
- Ist § 16 Abs. 2 ArbZG die richtige Norm dafür?
- Oder ist die Entscheidung als Auftrag an den Gesetzgeber zu werten?
Ein Stück Klarheit brachte der BGH durch seine im September 2022 ergangene Entscheidung[2]. Ausgangsfrage war, ob dem Betriebsrat ein Initiativrecht zur Einführung einer elektronischen Arbeitszeiterfassung zusteht. Dies verneinte der BGH mit der Begründung, dass bereits eine gesetzliche Pflicht zur Arbeitszeitfassung gem. § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) gegeben sei. Der BGH legte damit also nicht das ArbZG unionsrechtskonform aus, sondern das ArbSchG!
Weil der darin geregelten Pflicht konkretisierende Regelungen fehlen, seien Arbeitgeber in deren Umsetzung weitestgehend frei. Die Erfassung der Arbeitszeit könne in Papierform oder elektronisch erfolgen. Sie könne auch an die Arbeitnehmer delegiert werden. Grundsätzlich seien auch alle Unternehmen – unabhängig von ihrer Größe – von der Pflicht erfasst. Nicht abschließend geklärt sei jedoch, ob auch leitende Abgestellte ihre Arbeitszeit erfassen müssten. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestehe bezüglich der Ausgestaltung der einzelnen Regelungen, etwa aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 i. V. m. § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG, also im Rahmen des Gesundheitsschutzes[3].
Danach lässt sich festhalten, dass das derzeitige Risiko für Unternehmen, die ohne eine komplette Arbeitszeiterfassung aktiv sind, eher gering ist. Ein Verstoß gegen § 3 ArbSchG ist nicht bußgeldbewehrt, d. h. allein darauf kann ein Bußgeldbescheid nicht gestützt werden. Eine Ordnungswidrigkeit kann gem. § 25 ArbSchG jedoch vorliegen, wenn gegen eine behördliche Anweisung gem. § 22 Abs. 3 ArbSchG verstoßen wird. Erst deren Nichtbefolgung kann ein Bußgeld zur Folge haben[3]. Dies setzt jedoch voraus, dass zuvor eine entsprechende Anweisung an das Unternehmen erging, was im Einzelfall geprüft werden müsste.
Trotz allem ist damit zu rechnen, dass der Gesetzgeber tätig werden wird und die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung konkretisieren sowie den Verstoß bußgeldbewehrt ausgestalten wird. Entsprechend sollten sich Unternehmen mit diesem Thema befassen – zumal die Pflicht zur Erfassung der Überstunden, die bereits besteht (siehe oben) schon jetzt bußgeldbewehrt ist, § 22 Abs. 1 Nr. 9 ArbZG.
Kriterien zur Auswahl von Zeiterfassung-Tools
Wie bereits erwähnt, sind Unternehmen (noch) recht frei darin, die Arbeitszeiterfassung umzusetzen. Eine digitale Lösung bietet sich jedoch an und hat eine Reihe von Vorteilen gegenüber einer Papierlösung.
Ein wesentlicher Vorteil entsprechender Softwarelösungen sind entsprechende Schnittstellen zu anderer Software, wie etwa einer Buchhaltungssoftware. Übertragungsfehler durch händisches Einpflegen können vermieden und Zeit eingespart werden. Je nach Ausgestaltung kann die Software zur Arbeitszeiterfassung auch einzelne Projekte verschiedener Auftraggeber erfassen, den Status widerspiegeln und Rechnungen erstellen. Es können ggf. einzelne Aufgaben zugewiesen werden und auch die Schicht- und Urlaubsplanung darüber erfolgen.
Wichtig ist, dass eine entsprechende Software auf allen für das Unternehmen relevanten Endgeräten funktioniert und auch durch die Arbeitnehmer eingesehen werden kann. Zumindest, die den jeweiligen Arbeitnehmer betreffenden Informationen bezüglich seiner Arbeitszeit. Denn der EuGH fordert ein transparentes System der Arbeitszeiterfassung einzuführen. Das bedeutet, dass den Arbeitnehmern ein entsprechender Zugang gewährt werden muss. Nur so lässt sich das Ziel des erleichterten Nachweises im Streitfall erreichen.
Neben solchen organisatorischen Erwägungen sind auch rechtliche Anforderungen zu beachten. Bei der Arbeitszeiterfassung werden personenbedingte Daten der Beschäftigten verarbeitet und der Datenschutz spielt eine besondere Rolle. Dabei ist weniger die Rechtfertigung der Datenverarbeitung eine Hürde als die konkrete Auswahl und Umsetzung. Die wenigstens Unternehmen werden selbst eine Software programmieren. Bei der Auswahl von Dienstleistern und Anbietern entsprechender Software ist daher darauf zu achten, dass diese die Beschäftigtendaten im Einklang mit der DSGVO und dem BDSG verarbeiten.
Überblick
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bietet ebenfalls einen Überblick zu diesem Thema und hat in ein einem FAQ wichtige Fragen zusammengetragen und beantwortet:
https://www.bmas.de/DE/Arbeit/Arbeitsrecht/Arbeitnehmerrechte/Arbeitszeitschutz/Fragen-und-Antworten/faq-arbeitszeiterfassung.html
Quellen
- EuGH Urteil vom 14.5.2019, C-55/18 = NZA 2019, 343.
- BGH Beschluß vom 13.9.2022, 1 ABR 22/21 = RFamU 2023, 20.
- Fuhlrott, ARP 2023, 49, 50.