Auf einen Blick
Grüner Wasserstoff hat das Potenzial, Industrieprozesse umfassend zu dekarbonisieren. Dieser wird aus erneuerbaren Energien gewonnen und ist somit CO2-Neutral. Er kann als zusätzlicher Energieträger direkt verstromt oder als Prozessgas genutzt werden, ist zusätzlich aber auch als Speichermedium für Überschussstrom geeignet, bspw. in Kombination mit einer Photovoltaikanlage. Unabhängig von der Erzeugung gibt es jedoch viele offene Fragen zur Versorgung und Nutzung von Wasserstoff in bestehenden Fabriken. Im Folgenden fassen wir die Potenziale und Herausforderungen kurz zusammen.
Potenziale für KMU
Die Nachhaltigkeit industrieller Produktionsprozesse steht derzeit im Fokus. Neben klassischen Maßnahmen wie Energieeinsparungen rücken innovative Ansätze, darunter der Einsatz von Wasserstoff, zunehmend in den Mittelpunkt. Diese Entwicklung wird politisch, normativ und gesellschaftlich gefördert. Wasserstoff kann als Energieträger fossile Brennstoffe wie Erdgas ersetzen, über Brennstoffzellen rückverstromt oder direkt als elektrische Energie genutzt werden. Die konkreten Anwendungsmöglichkeiten hängen jedoch stark von den unternehmensspezifischen Rahmenbedingungen ab und sind auch von externen Faktoren wie Verfügbarkeit, Transport und Kosten beeinflusst. Besonders grüner Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien hergestellt wird und als CO₂-neutral gilt, spielt eine zentrale Rolle in Diskussionen zur nachhaltigen Energiezukunft.
Anwendungsbereihce für KMU
Während derzeit vor allem große Unternehmen als Vorreiter agieren, bietet grüner Wasserstoff auch kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) vielversprechende Potenziale. So kann Wasserstoff beispielsweise als Ersatz für Gas bei Schmelzprozessen verwendet werden. Dies erfordert in der Regel eine Umrüstung der Anlagen sowie Tests zur Prozesssicherheit. Die SCHOTT AG aus Mainz erprobt aktuell den Einsatz von Wasserstoff in einer Glasschmelze [1]. Auch BMW setzt auf Wasserstoff: In der Lackieranlage am Standort Leipzig wird Prozesswärme aus Wasserstoff gewonnen, der entweder pur oder in Kombination mit Erdgas verbrannt wird [2]. Zusätzlich wurde bei BMW ein Teil der Intralogistik auf wasserstoffbetriebene Transportsysteme umgestellt, die anstelle von Batterien mit Wasserstoff betrieben werden [3]. Die Schoeller Werk GmbH setzt im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie neben Energieeffizienz, Substitution fossiler Brennstoffe und Ausbau regenerativer Energien auf die stationäre Erzeugung von grünem Wasserstoff als Prozessgas in der eigenen Produktion. So will sie von externem Wasserstoffbezug unabhängig werden [4].
Weitere Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich durch die Kombination mit Solaranlagen als alternative Energiespeicher. Stationäre Systeme aus Elektrolyseuren, Brennstoffzellen und Speichersystemen ermöglichen eine langfristige Speicherung von Energie. Diese Infrastruktur kann genutzt werden, um die Grundlast der Fabrik zu unterstützen, Netzbezugskosten zu senken oder Spitzenlasten zu reduzieren und dadurch Netzentgelte einzusparen.
Herausforderungen
Es bestehen weiterhin erhebliche Unsicherheiten bei der Versorgung und Nutzung von Wasserstoff. Insbesondere die zukünftigen Kosten für Transport und Produktion sind schwer abzuschätzen. Verschiedene Studien liefern zwar Prognosen, unterscheiden sich jedoch stark in Qualität und Aussagekraft. Aktuelle Preisszenarien für grünen Wasserstoff zeigen große Schwankungen und hängen stark von zukünftigen Entwicklungen ab. Derzeit erfolgt der Transport überwiegend über die Straße, da eine Wasserstoff-Netzinfrastruktur erst ab etwa 2030 verfügbar sein dürfte. In der Übergangszeit wird die Versorgung schrittweise auf Netzbezug umgestellt. Tabelle 1 gibt einen Überblick zu möglichen Preisszenarien in der Zukunft basierend auf einer Recherche sowie Bewertung von verfügbaren Studien.
Prognosejahr | Untergrenze Preis €/kg | Obergrenze Preis €/kg | Mittelwert Preis €/kg |
---|---|---|---|
2020 | 7,49 | 8,29 | 7,89 |
2030 | 5,04 | 5,88 | 5,46 |
2050 | 4,40 | 4,99 | 4,70 |
Zudem entwickeln sich parallel andere Technologien weiter, die für ein effizientes Energiemanagement wichtig sind. Strom-, Wärme- und Kältespeichersysteme werden zunehmend kostengünstiger und effizienter, was ihre Amortisationszeiten verkürzt und wirtschaftliche Anwendungsfälle attraktiver macht.
Fazit
Grüner Wasserstoff bietet ein erhebliches Potenzial zur Dekarbonisierung von Produktionsprozessen, allerdings ist die Wirtschaftlichkeit derzeit für Unternehmen schwer kalkulierbar. Hauptgründe dafür sind unsichere Versorgungsbedingungen und die damit verbundenen Beschaffungskosten. Zudem sind die Anwendungsfälle in der klassischen produzierenden Industrie aktuell noch begrenzt. Gleichzeitig gibt es etablierte Technologien wie Photovoltaik und verschiedene Speicherlösungen, die ebenfalls zur Dekarbonisierung beitragen können.
Dennoch hat Wasserstoff das Potenzial, ein wichtiger Bestandteil eines diversifizierten Energiesystems in der Fabrik zu werden. In Kombination mit anderen Technologien können Synergien geschaffen werden, die Vorteile maximieren und Nachteile minimieren. Entscheidend wird sein, dass Fabriksysteme zukünftig energieträgerübergreifend geplant und intelligent miteinander vernetzt werden.
Quellen
- Presseinformation: Klimafreundliche Glasherstellung: Erfolgreiche Tests mit Wasserstoff im industriellen Maßstab | SCHOTT. (o. D.). https://www.schott.com/de-de/news-and-media/pressemitteilungen/2022/klimafreundliche-glasherstellung-erfolgreiche-tests-mit-wasserstoff-im-industriellen-massstab
- BMW Group Werk Leipzig pilotiert flexiblen Wasserstoffbrenner in der Lackiererei. (2022, 20. Oktober). BMW Group PressClub. Abgerufen am 14. Januar 2025, von https://www.press.bmwgroup.com/deutschland/article/detail/T0288005DE/bmw-nimmt-in-leipzig-70-wasserstoff-routenzuege-in-betrieb?language=de
- BMW nimmt in Leipzig 70 Wasserstoff-Routenzüge in Betrieb. (2018, 4. Dezember). BMW Group PressClub. Abgerufen am 16. Dezember 2024, von https://www.press.bmwgroup.com/deutschland/article/detail/T0288005DE/bmw-nimmt-in-leipzig-70-wasserstoff-routenzuege-in-betrieb?language=de
- Zero CO2. (o. D.). M&P Gruppe. https://www.mp-gruppe.de/referenzen/zero-co2