Mit fortschreitender Digitalisierung stehen Unternehmen vor einem Wandel, der für Führungskräfte komplexe Herausforderungen bereithält. Einerseits müssen sie sich den digitalen Transformationsprozessen stellen und sich selbst neue Fähigkeiten aneignen. Andererseits sind sie vor die Aufgabe gestellt, Mitarbeiter für den Umgang mit neuen Technologien zu begeistern.
In dieser Ausgabe unserer Nachgelesen-Reihe erfahren Sie:
- warum sich Führung im Zeitalter der Digitalisierung verändert,
- was überhaupt unter Mitarbeiterführung zu verstehen ist bzw. welche Führungsstile sich unterscheiden lassen,
- was die aktuellen Herausforderungen für Führungskräfte sind,
- welche Anforderungen an eine digitale Führungskultur gestellt werden,
- was unter Digital Leadership zu verstehen ist und
- welche neuen Kompetenzen es bei Führungskräften braucht.
Warum verändert sich Führung?
Die zunehmende Digitalisierung verändert die Arbeitswelt und geht mit neuen Anforderungen an die Führungskräfte einher. Bisher bewährte Geschäftsmodelle können über Nacht obsolet werden und fordern teilweise radikale Veränderungen in den Unternehmen, um weiter am Markt erfolgreich sein zu können. Ein wichtiger Faktor für erfolgreiche Unternehmen ist die Geschwindigkeit im Innovationsprozess. Gleichzeitig ermöglichen digitale Technologien neue Formen der Zusammenarbeit, beispielsweise über mobiles Arbeiten. Gerade vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie ist Mobilität ein sehr wichtiges Thema, das die Aufrechterhaltung zentraler Prozesse in vielen Unternehmen absichert. Zudem haben jene Veränderungen Auswirkungen auf den Personalbereich. Nach und nach drängt ein neuer Typus von Mitarbeitern in die Unternehmen – mit neuen Anforderungen an Arbeit, Hierarchien, Selbstverwirklichung und Freiräumen. Diesen „neuen“ Mitarbeitern sehen sich zunehmend auch traditionell geprägte Unternehmen gegenüber. Dabei reicht eine Anpassung der Geschäfts- und Arbeitsmodelle längst nicht mehr aus. So müssen Führungskräfte neue Kompetenzen erlernen oder mitbringen, um ihr Unternehmen und ihre Mitarbeiter erfolgreich in der Digitalisierung zu begleiten. Das Wort „Begleiten“ ist an dieser Stelle bewusst gewählt und wird im Folgenden genauer in Kontext gesetzt.
Was ist Führung?
„Führung umfasst die Fähigkeiten, Mitarbeiter optimal einzusetzen, diese zum Handeln zu bringen und zu motivieren sowie ihnen eine Richtung aufzuzeigen, um ein (gemeinsames) unternehmensrelevantes Ziel zu erreichen.“[1]
Die Art und Weise, wie die Führungskraft im Unternehmen diese Definition von Führung mit Leben füllt, kann sich maßgeblich unterscheiden. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich verschiedene Führungsstile etabliert und weiterentwickelt (Tabelle 1).[2]
Klassische Führung | Moderne Führung | Agile Führung | |
---|---|---|---|
Zeitraum | 50er – 70er | 80er – 2000er | seit ca. 2010 |
Umfeld | Stabilität | Komplexität | Disruption |
Organisation | Arbeit in Abteilungen | Denken in Prozessen | interdisziplinäre Teams |
Führungsrolle | Vorgesetzter | Führungskraft | Mentor & Coach |
Führungshaltung | Kommando & Kontrolle | Einbindung & Partizipation | Vertrauen & Freiraum |
Information | partiell & lokal | mehr Transparenz | umfassende Transparenz |
Führungsfokus | Defizite der Mitarbeiter | Stärken | Entwicklung |
Rolle von Fehlern | Vermeidung | Möglichkeit in Ausnahmefällen | Innovationserfordernis |
Herausforderungen für Führungskräfte in der Digitalisierung
Die veränderte Arbeitswelt im Zuge der Digitalisierung geht mit neuen Anforderungen an Führungskräfte einher. Erhöhter Kosten- und Innovationsdruck, vernetzte Technologien, Big Data und neue Märkte führen zu einem stetigen Wandel, dem Wegfall und der Neugestaltung von Arbeitsplätzen sowie einer Zukunftsunsicherheit im sogenannten VUKA-Umfeld:
Volatilität: stetiger Innovationsdruck durch ständige Veränderungen und sprunghafte Entwicklungen
Unsicherheit: mangelnde Berechenbarkeit des Marktes durch Ungewissheit über Entwicklungen
Komplexität: hochkomplexe Märkte und Wirtschaftsnetzwerke ohne rechtlich und politisch verlässlichen Rahmen
Ambiguität: unklare Ursache-Wirkungs-Prinzipien erfordern neue Strategien und Kompetenzen
Kunden und Wettbewerber können sich von heute auf morgen verändern. Um diesen Herausforderungen der Digitalisierung erfolgreich zu begegnen, müssen Unternehmen ihre Führungskultur an die neuen Anforderungen anpassen.
Anforderungen an eine digitale Führungskultur
Die aktuelle Führungsrealität in deutschen Unternehmen ist eher einseitig auf Rendite und Shareholder Value (Aktionärswert) ausgerichtet. Dadurch werden Mitarbeiter oftmals mit kurzfristigem Ergebnisdruck geführt.[3]
Folglich fehlt es vor allem den Mitarbeitern der jüngeren Generationen an Wertschätzung und motivierender Sinngebung in ihrer Tätigkeit. Überdies verhindern Macht- und Taktikspiele das Vertrauen zwischen Mitarbeiter und Führungskraft. Dabei schränkt das gelebte Top-Down-Prinzip die Eigeninitiative und Innovationskraft der Mitarbeiter stark ein. Zusammenfassend steht die aktuell gelebte Führungskultur den Anforderungen einer digitalen Arbeitswelt oft entgegen.
Zu den Anforderungen der VUKA-Welt zählen: [5]
- Jonglieren mit Alternativen
- Pragmatismus
- Improvisation
- Ablegen von Ressort-Egoismen
- Nutzen kollektiver Intelligenz
- Vernetzung von Wissensträgern
Dafür gilt es vorhandene Netzwerke zu managen und neue Netzwerke aufzubauen, flexible Arbeitsformen für Mitarbeiter zu schaffen und so die Zusammenarbeit über die Distanz zu ermöglichen. Weiterhin bedarf es neuer, innovativer Geschäftsmodelle und die Förderung individueller Fähigkeiten der Mitarbeiter, um diese auch mit Leben zu füllen. Dafür muss eine Vertrauenskultur geschaffen werden, die Agilität ermöglicht und folgende 10 Kernthesen[4] einer erfolgreichen Führung beinhaltet:
- Führung in selbstorganisierten Netzwerken
- offene Führungskultur
- Transparenz
- Flexibilität
- Wertschätzung
- Selbstbestimmung
- Führungskräfte als Coach für Mitarbeiter
- Kompetenzen der Führungskräfte, offene Prozesse flexibel zu steuern
- Förderung interdisziplinärer Zusammenarbeit
- Förderung einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit
Das neue Führungskonzept Digital Leadership berücksichtigt die Anforderungen der VUKA-Welt und stellt einen guten Ansatz zur Bewältigung der Herausforderungen in der digitalen Arbeitswelt für Führungskräfte dar.
Digital Leadership als neues Führungskonzept
Digital Leadership beinhaltet das Verständnis von digitalen Technologien, deren Logik und Gestaltung. In diesem Sinne werden aktuelle technologische Entwicklungen auf den eigenen Geschäftskontext übertragen und zur Verbesserung des Zusammenspiels von Mensch, Technik und Organisation genutzt. Dafür wird eine IT-Infrastruktur aufgebaut oder die bestehende optimiert und es kommen Kollaborationstools und Smart Devices zum Einsatz.
Die eingesetzten Technologien sollen die Kreativität sowie das Generieren von Innovationen positiv unterstützten und sich in neuen Geschäftsmodellen und Produkten widerspiegeln, um somit die Investitionen zu amortisieren.
Digital Leadership beschreibt Führungskräfte, die ihre Mitarbeiter gezielt positiv beeinflussen und motivieren mit dem Ziel, gemeinsame Ziele des Unternehmens im Kontext der Digitalisierung zu erreichen. Dazu gehört es, den Wandel des Unternehmens erfolgreich zu managen, vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen, strategische Herausforderungen zu bewältigen und Teams in weniger hierarchischen, systemischen Kontexten zu führen. Interne Rahmenbedingungen müssen so gestaltet werden, dass sie Denkroutinen unterbrechen, innovative Prozesse initiieren und stark hierarchische Strukturen in offene Netzwerkstrukturen überführen. Diese Anforderungen sind nicht grundlegend neu, haben vor dem Hintergrund der Digitalisierung aber maßgeblichen Einfluss auf den Fokus von Führung.
Erfolgreiche Führung zeichnet sich dabei durch ein inspirierend-sinnstiftendes, authentisches, vertrauensvolles und kompetenzförderliches Führungsverhalten aus. Dabei werden Mitarbeiter von der Führungskraft im Übergang aus einer analogen in eine digitale Arbeitswelt begleitet. Hierzu braucht es neue Kompetenzen der Führungskräfte, die sich von der traditionellen Führung unterscheiden.
Welche Kompetenzen brauchen Führungskräfte?
In der Literatur existieren fünf übergeordnete Kompetenzfelder, die eine erfolgreiche Führungskraft beschreiben:
- Strategien entwickeln
- Ergebnisse erzielen
- Mitarbeiter und Teams fördern
- Umfeld gestalten
- persönliche Einflussnahme
Tabelle 2 stellt die Unterschiede der Kompetenzen zwischen traditioneller Führung und Digital Leadership heraus und gibt einen kurzen Überblick.[4]
Darüber hinaus braucht es für eine erfolgreiche Umsetzung des Konzeptes Digital Leadership Führungskräfte, die bestimmte Fähigkeiten mitbringen oder über eine Weiterqualifizierung erlernen:
- Soziale Fähigkeiten: Ein Digital Leader ist in der Lage, aktiv Kooperationen einzugehen und Co-Creation-Prozesse, also die Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams, zu moderieren. Die Nutzung und der Umgang mit sozialen Netzwerken, Crowdsourcing und Communitymanagement gehören dabei ebenso zum Handwerk, wie die Befähigung der Mitarbeiter im täglichen Umgang mit diesen Methoden.
- Mobile Fähigkeiten: Digital Leader entwickeln sich und ihre Mitarbeiter ständig weiter und besitzen die Fähigkeiten neue Tools und Plattformen zu nutzen. Dabei passen sie sich an die Veränderungen der Kommunikationslandschaft an und kennen die Wirkung sozialer Medien als relevante Kanäle im geschäftlichen Kontext.
- Analytische Fähigkeiten: Vor dem Hintergrund zunehmender Daten entwickelt der Digital Leader seine analytischen Fähigkeiten und die seiner Mitarbeiter gezielt weiter und schult diese hinsichtlich neuer Techniken und Methoden zur Datenauswertung.
- Kreativität: Um den Bedarfen der Kunden gerecht zu werden, fördern Digital Leader die nutzerzentrierte Entwicklung innovativer Produkte und Lösungen. Die iterative Gestaltung von Prototypen ermöglicht dabei eine zielorientierte und konsequente Entwicklung. Dazu werden die kreativen Fähigkeiten der Mitarbeiter kontinuierlich weiterentwickelt.
Digital Leadership bedeutet, das beschriebene mentale Modell zu leben. Von der mentalen Haltung ist Digital Leadership nicht neu, vielmehr liegt die Neuartigkeit in der veränderten Fokussierung der Unternehmens- und Mitarbeiterführung. Dazu müssen Führungskräfte die Entscheidungsfähigkeit und Macht zunehmend auf Teams oder Projektgruppen übertragen, Vertrauen aufbauen und eine neue, auf den Menschen gerichtete Führungskultur etablieren.
TRADITIONELLE FÜHRUNG | KOMPETENZEN | DIGITAL LEADERSHIP | |||
---|---|---|---|---|---|
Kerngeschäft Top-Down-Prozesse |
Strategien entwickeln |
Innovation Bottom-Up-Prozesse |
|||
|
|
||||
Vorgabe und Kontrolle Einzelziele / -leistung |
Ergebnisse erzielen |
Selbstverantwortung Teamziele / -leistung |
|||
|
|
||||
Management „Silodenken“ |
Mitarbeiter und Team fördern |
Leadership Netzwerkarbeit |
|||
|
|
||||
Effizienz und Stabilität Problemorientierung |
Umfeld gestalten |
Wachstum und Wandel Lösungsorientierung |
|||
|
|
||||
Hierarchie und Positionsmacht | Persönliche Einflussnahme |
Beziehungs- und Expertenmacht | |||
|
|
Autor: Dr. Michael Wächter
Quellen, Anmerkungen und weiterführende Literatur
- Deutsche Gesellschaft für Personalführung e. V. (DGFP) (Hrsg.) (2016). Leitfaden: Führen im digitalisierten Unternehmen. DGFP-Praxispapiere, Nr. 03/2016.
- Grote, S. & Goyk, R. (2018). Agile Führung – das neue Gutwort im Management?. In Führungsinstrumente aus dem Silicon Valley (S. 17-35). Springer Gabler, Berlin, Heidelberg.
- BMAS (2014). Studie: Moderne Führung, zukunftsfähige Unternehmen
- Dörr, S., Albo, P. & Monastiridis, B. (2018). Digital Leadership – Erfolgreich führen in der digitalen Welt. In Führungsinstrumente aus dem Silicon Valley (S. 37-61). Springer Gabler, Berlin, Heidelberg.
- Gläser, W. (2020). Leadership Skills & Strategien – Der Mensch im Mittelpunkt der Digitalisierung und Transformation. Abgerufen von: https://www.vuca-welt.de/ [29.10.2020]