Sachverhalt
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte sich mit der Frage zu befassen, ob Händler bei der Online-Werbung für Haushaltsgeräte verpflichtet sind, neben der konkreten Energieeffizienzklasse auch das gesamte Spektrum der verfügbaren Effizienzklassen anzugeben – selbst dann, wenn es für das beworbene Produkt noch keine spezielle ergänzende Regelung (sog. delegierter Rechtsakt) nach der Verordnung 2017/1369 existiert, die genau vorschreibt, wie die Energiekennzeichnung im Detail auszusehen hat.
Auslöser des Verfahrens war die Klage eines Wettbewerbsverbands gegen den Möbelhändler Roller, der auf seiner Website zwar die Energieeffizienzklasse einzelner Produkte angab, jedoch nicht das komplette Effizienzspektrum der jeweiligen Produktgruppe. Roller berief sich auf die fehlende Umsetzung durch delegierte Verordnungen und sah deshalb keine entsprechende Pflicht zur Angabe des Spektrums.
Urteil
Der EuGH stellte klar, dass die Pflicht zur Angabe sowohl der konkreten Energieeffizienzklasse als auch des gesamten Spektrums der Effizienzklassen unmittelbar aus Art. 6 Abs. 1 der Verordnung 2017/1369 folgt. Diese Verpflichtung gilt auch dann, wenn für die jeweilige Produktgruppe noch kein delegierter Rechtsakt erlassen wurde.
Ziel der Regelung ist es, den Verbraucher bereits im Rahmen der Werbung in die Lage zu versetzen, informierte und vergleichbare Entscheidungen zu treffen, unabhängig davon, ob sie das Produkt letztlich online oder im stationären Handel erwerben. Händler und Lieferanten müssen deshalb sicherstellen, dass diese Informationen lesbar und sichtbar in der Werbung dargestellt werden. Ist dies aufgrund der Größe oder Art der Werbung nicht möglich, können alternative Darstellungsweisen genutzt werden, solange sie die Anforderungen an Lesbarkeit und Verständlichkeit für Verbraucher erfüllen.
Entscheidungsgründe
Der EuGH betont in seiner Begründung, dass die Rahmenverordnung 2017/1369 einen hohen Verbraucherschutzstandard verfolgt, der auch ausdrücklich für die Werbung gilt. Die damit verbundenen Informationspflichten gelten einheitlich und unmittelbar, also unabhängig davon, ob für eine Produktgruppe bereits ergänzende technische Vorschriften im Rahmen eines delegierte Rechtsaktes erlassen wurden.
Besonders im digitalen Umfeld, etwa in Online-Shops oder auf Verkaufsplattformen, sieht der Gerichtshof ein erhöhtes Risiko der Irreführung, da Kaufentscheidungen hier häufig schnell und ohne tiefere Recherche getroffen werden.
Zudem sieht der EuGH in der Angabe des gesamten Effizienzspektrums eine wesentliche Voraussetzung für die Vergleichbarkeit von Produkten und damit ein zentrales Anliegen der Verordnung. Nur so können Verbraucher eine konkrete Energieklasse richtig einordnen, etwa ob sie oberhalb oder nur im Mittelfeld der verfügbaren Skala liegt. Unternehmen könnten sich zudem gezielt Vorteile verschaffen, indem sie Produkte günstiger darstellen, als sie im Gesamtkontext sind. Die vollständige Darstellung ist somit nicht nur für den Verbraucherschutz, sondern auch für einen lauteren Wettbewerb essenziell.
Relevanz für Unternehmen
Das Urteil hat unmittelbare Auswirkungen auf die Werbepraxis im Online-Handel und unterstreicht die Bedeutung transparenter Verbraucherinformationen zur Energieeffizienz. Zugleich steht es exemplarisch für die wachsende Bedeutung von Nachhaltigkeitszielen im digitalen Rechtsrahmen: Aspekte wie Energieverbrauch, Ressourcenschonung und Markttransparenz entwickeln sich zunehmend zu normativen Leitplanken, die politische und regulatorische Vorgaben prägen und damit auch auf digitale Geschäftsmodelle zunehmend Einfluss nehmen.
Unternehmen, die Haushaltsgeräte bewerben, müssen künftig sicherstellen, dass sie in sämtlichen Werbeformaten, ob auf Webseiten, in Newslettern oder Social-Media-Beiträgen, nicht nur die konkrete Energieeffizienzklasse angeben, sondern auch das vollständige Spektrum der Effizienzklassen. Dies gilt unabhängig davon, ob für die jeweilige Produktgruppe bereits eine spezifische Durchführungsverordnung existiert. Sie sollten daher auch ihre internen Prüf- und Freigabeprozesse für Werbematerialien entsprechend überarbeiten und auf klare, gut lesbare Angaben achten. Andernfalls drohen wettbewerbsrechtliche Abmahnungen durch Mitbewerber oder Verbraucherschutzverbände.
Weiterführende Informationen
- Urteil (C-761/22) vom 16.10.2023: https://curia.europa.eu/juris/document/
- Werbung muss Spektrum der Effizienzklassen enthalten: https://www.onlinehaendler-news.de/recht/urteile-entscheidungen/