Komplexität, ein rasanter Wandel und Veränderungen bestehender Unternehmensumgebungen, insbesondere in der Projektlandschaft, sind Faktoren, die viele Unternehmen beschäftigen. Die Projektarbeit nimmt einen wachsenden Stellenwert in der modernen Arbeitswelt ein, weil durch eine projektbezogene Herangehensweise eine bessere Flexibilität und Resilienz erreicht werden kann. Dadurch wird aber auch die Anzahl an gleichzeitig zu bearbeitenden Projekten größer, was eine enorme Herausforderung – vor allem für die verantwortlichen Projektleitenden – in Bezug auf Steuerung, Kommunikation und Koordination darstellt. Multiprojektmanagement im Sinne der unternehmerischen Fähigkeit, mehrere Projekte auf einmal aus einem begrenzten Ressourcenpool heraus zu organisieren und zu bearbeiten, wird ein immer entscheidenderer Erfolgsfaktor für Firmen.
In dieser Ausgabe unserer Nachgelesen-Reihe erfahren Sie:
- was Multiprojektmanagement bedeutet,
- welche Herausforderungen dabei bestehen,
- welche Erfolgsfaktoren dafür entscheidend sind,
- welche Möglichkeiten und Maßnahmen es zur Komplexitätsbewältigung gibt und
- welche Besonderheiten mit dem agilen Projektmanagement einhergehen.
Bedeutung des Multiprojektmanagements
Die Arbeit in Projekten nimmt einen hohen Stellenwert in Unternehmensabläufen ein. Studien zeigen, dass in 74 % der Unternehmen Projektarbeit zum alltäglichen Geschäft gehört. Bei einem Drittel der befragten Unternehmen sind zwischen 60 % und 100 % der Abläufe in projektspezifischen Vorgehen etabliert.[1] Jedoch steigt mit zunehmender Anzahl an gleichzeitig zu bearbeitenden Projekten auch die Komplexität des Projektmanagements, da unterschiedliche Projekte voneinander zeitlich und/oder inhaltlich abhängig sein können und um die gleichen begrenzten Ressourcen konkurrieren. Um diese Abhängigkeiten zu organisieren und Ressourcen gewinnbringend zu verteilen, wird ein übergeordnetes Projektmanagement notwendig, welches aus verschiedenen betriebswirtschaftlichen Standpunkten Projekte bewertet und dadurch die genannten Konflikte verhindert. Dieses übergeordnete Management wird auch als Multiprojektmanagement (MPM) bezeichnet. Multiprojektmanagement ist nach DIN 69909 Teil 1: ein »organisatorischer und prozessualer Rahmen für das Management mehrerer einzelner Projekte. Das Multiprojektmanagement kann in Form von Programmen oder Projektportfolios organisiert werden. Dazu gehört insbesondere die Koordinierung mehrerer Projekte bezüglich ihrer Abhängigkeiten und gemeinsamer Ressourcen.«[2] Mit Hilfe des MPM soll es Unternehmen ermöglicht werden, mehrere Projekte übergreifend zu planen, zu steuern und zu bearbeiten. Dazu benötigen Unternehmen unterschiedliche Koordinationswerkzeuge – sowohl organisatorische, als auch prozessuale, methodische und personelle. Durch die Kombination dieser Mechanismen können die Effizienz und die Effektivität in der Projektabwicklung sichergestellt werden.
Aufgaben des Multiprojektmanagements
Aufgabe des MPM ist es, zwischen operativen und strategischen Entscheidungen zu vermitteln. Zum einen muss aus strategischer Sicht das Projektportfolio unternehmensspezifisch passend zusammengestellt und entsprechende Schwerpunkte richtig abgeleitet werden. Zum anderen müssen aus operativer Sicht Projekte wirtschaftlich abgewickelt, Ressourcenkonflikte gelöst und kritische Pfade mit zeitlichen Engpässen überwunden werden.
Strategisches MPM hat dabei die folgenden Aufgaben:
- Projekte, die den größten Nutzen bringen, aufzeigen
- laufende Projekte priorisieren
- Auswirkungen von Planänderungen aufzeigen
- ein ausgewogenes Projektportfolio sicherstellen
Operatives MPM setzt sich mit nachstehenden Schwerpunkten auseinander:
- übergreifendes Projektcontrolling (Termin- und Kapazitätsplanung)
- unternehmensübergreifendes Berichtswesen
- gemeinsames Wissensmanagement
- Projektabläufe standardisieren (Prozessmanagement)
- einheitliches Qualitätsmanagement und nachvollziehbare Projektbewertung
Für beide Schwerpunkte des MPM gibt es erprobte Methoden und Werkzeuge, die eingesetzt werden können, um Projekte nach strategischen und operativen Punkten objektiv bewertbar zu machen. Im Rahmen des strategischen MPM wird dabei häufig auf die Schlüsseltechnik der Balanced Scorecard zurückgegriffen, welche in Kapitel »Komplexitätsbewältigung: Möglichkeiten und Maßnahmen« tiefgreifender vorgestellt wird. Im operativen MPM haben sich Methoden wie die Errechnung des Kritischen Pfades (Critical Chain Projektmanagement) und/oder gezieltes Puffermanagement bewährt.[1]
Herausforderungen in der Praxis
Wird in einer Multiprojekt-Umgebung gearbeitet, entsteht das Hauptproblem dadurch, dass viele Projekte parallel mit dem gleichen Ressourcenpool durchgeführt werden müssen. Nachfolgend werden die vier größten praktischen Herausforderungen im MPM dargestellt. Gelingt es Unternehmen, diesen Herausforderungen adäquat zu begegnen, können sie ihre Erfolgswahrscheinlichkeiten steigern.
1. Fehlende Transparenz über die gesamte Projektlandschaft
Ist die Qualität von Daten und Informationen über alle Projekte hinweg nicht ausreichend, kann das zu schwerwiegenden Fehlentscheidungen führen. Dazu gehören auch Informationen über die Projektpriorisierungen, Schlüsselpersonen, Abhängigkeiten von Projekten untereinander und andere im Unternehmen verfügbare Werkzeuge zur Projektplanung und -steuerung sowie notwendige (technische) Mittel, um die Projekte zu bearbeiten. Auch Prozesse müssen vordefiniert werden, um Projekte effizient zu organisieren. Eine ungenügende Abdeckung durch geeignete informationstechnische Lösungen kann ebenfalls zu fehlender Transparenz und damit zu Problemen führen.
2. Verschwendung (knapper) Ressourcen
Das Ressourcenmanagement ist eine Kernkompetenz des MPM. Die Definition von Schlüsselpersonen, Schlüsselkompetenzen und weiterer erfolgskritischer Ressourcen ist von entscheidender Bedeutung, um Projekte strategisch priorisieren und terminieren zu können. Wird die Ressourcenplanung nicht oder nur mit zeitlicher Verzögerung an veränderte Umfeldbedingungen angepasst, entstehen schnell Engpässe.
Eine ineffiziente und intransparente Gestaltung von Abstimmungsprozessen kann dazu beitragen, dass Ressourcen an den falschen Stellen gebunden werden und strategisch oder operativ wichtige Projekte in Verzug geraten.
3. Fehlende Ausschöpfung von Synergien
Kurzfristige Sichtweisen in der Projektplanung und der strategischen Ausrichtung sowie Schnittstellenprobleme können dafür sorgen, dass Synergien im Projektportfolio nicht oder nur unzureichend erkannt werden. Darunter leiden wiederum Personalplanungen und Priorisierungen von Projekten. Auf lange Sicht kann eine fehlende Ausschöpfung von Synergieeffekten dazu führen, dass inhaltliche Überschneidungen nicht beachtet und dadurch die Effizienz in der Planung und Bearbeitung von Projekten verringert wird. Dass Synergien zwischen Projekten nicht erkannt werden, liegt häufig an der Intransparenz von Projektinhalten und Prozessen, aber auch an einer mangelnden internen Kommunikation.
4. Fehlende Informationen über die Strategie
Ist die Unternehmensstrategie nicht klar definiert, fehlt die Transparenz in der Entscheidungslegung. Da die Unternehmensstrategie die wichtigste Grundlage für die Erstellung von Bewertungskriterien für ein strategisches Projektportfolio ist, können unzureichende oder widersprüchliche Vorgaben zu Ergebnissen führen, die nicht zielkonform sind. Intransparenz, aber auch häufig wechselnde Zielvorgaben im Portfolio können Mitarbeiter demotivieren und langfristig dazu führen, dass Entscheidungen nicht akzeptiert werden.[3]
5. Weitere häufige Fehler im Multiprojektmanagement
- Abteilungsdenken: besonders in großen oder sehr stark hierarchisch geprägten Organisationen kommt es häufig vor, dass einzelne Abteilungen oder Teams nur sich selbst und die Ziele der Abteilung im Blick haben und nicht untereinander vernetzt agieren. Eine abteilungsübergreifende Transparenz und Zusammenarbeit ist jedoch essentiell für den Unternehmenserfolg. Ein starkes Abteilungsdenken führt im Regelfall dazu, dass Prozesse ausgebremst und verlangsamt werden, weil die Kommunikation verkompliziert wird. Damit gilt das Abteilungsdenken als gravierendes Hemmnis von Produktivität und Zusammenarbeit, die für eine MPM-Umgebung jedoch unerlässliche Faktoren sind.[4]
- Abhängigkeiten: bestehen zu viele Abhängigkeiten zwischen Projekten, kann dies die MPM-Umgebung zusätzlich verkomplizieren. Abhängigkeiten können dabei inhaltlicher, zeitlicher oder ressourcenbezogener Natur sein.
- Anzahl Projekte: werden zu viele Projekte gleichzeitig bearbeitet, erhöht das die Fehlerwahrscheinlichkeit und die Möglichkeit, dass Interdependenzen übersehen werden. Es ist daher unerlässlich, auf Basis der Strategie immer wieder unter der Betrachtung laufender Projekte und Abhängigkeiten zu prüfen, ob neue Projekte gestartet werden sollen.
- Fehlende Werkzeuge: das Fehlen der Werkzeuge bezieht sich auf Methoden und Tools, welche die Projektplanung und das Management ebenjener betreffen. Die für ein MPM dringend benötigte Transparenz leidet unter nicht bedarfsgerechten Ansätzen zur Komplexitätsbeherrschung.
- Fehlende Befähigung der Projektleitenden: Projektleiter:innen spielen eine entscheidende Rolle im MPM. Sie arbeiten in einem komplexen und meist nicht genau definierten Umfeld. Oftmals managen Projektleitende eine Vielzahl an hochdynamischen Projekten gleichzeitig. Häufig sind jedoch weder die Organisation noch die leitenden Projektmanager:innen ausreichend geschult, um diese übergreifende Steuerung von Projekten vornehmen zu können. Diese Komplexität in der täglichen Arbeit von Projektleitenden zu bewältigen ist eine der größten Herausforderungen in der Praxis.[5]
Erfolgsfaktoren des Multiprojektmanagements
Aufbauend auf den beschriebenen Herausforderungen stellt sich unweigerlich die Frage, wie diesen im Unternehmensalltag begegnet werden kann. Nachfolgend werden Techniken und Möglichkeiten beschrieben, die Anwendung finden können, um die Komplexität des MPM zu beherrschen. In einer breit angelegten Studie[3] wurden vier konkrete Themenbereiche gefunden, die sich als Erfolgsfaktoren für ein Multiprojektmanagement erweisen.
1. Initiativen-Management
Häufig ist der Prozess des Umgangs mit neuen Projektideen im Unternehmen äußerst unübersichtlich und nur wenig nachvollziehbar gestaltet. Es ist von entscheidender Bedeutung für den Erfolg eines MPM, dass ein klarer Prozess für den Umgang mit Projektideen geschaffen wird. Das betrifft im Besonderen auch die Schaffung eines zentralen Punkts im Unternehmen, an dem Projektideen intern zugänglich gesammelt werden.
2. Projektauswahl und -wichtung
In der besagten Studie wird darauf verwiesen, dass es in sehr vielen Unternehmen bereits standardisierte Prozesse gibt, welche die Wichtung und Auswahl von Projekten betreffen. Jedoch fehlt häufig die Verknüpfung mit strategischen Kriterien. Dadurch fehlt den Mitarbeitenden die Möglichkeit, ihre eigenen Ideen kritisch zu hinterfragen und im Hinblick auf das »große Ganze« selbst bewerten zu können. Auch sind nicht immer Indikatoren vorhanden, auf Basis derer eine nachvollziehbare Bewertung von Projektideen erfolgt. Dadurch wird auch die Schaffung von Synergien zwischen Projekten und Ideen erschwert. Um diesen Schwierigkeiten vorzubeugen, empfiehlt es sich, einen zentralen Ansprechpartner zu definieren und konkrete Indikatoren zu entwickeln, die als Bewertungskriterien genutzt werden. Dadurch wird die Transparenz im Prozess von Anfang an erhöht. Wichtig ist ebenfalls, dass die Zielvorgaben für Projekte realistisch und verständlich aus der Unternehmensstrategie abgeleitet werden können, um zu verhindern, dass Projekte nur aus operativer Dringlichkeit umgesetzt werden.
3. Multiprojektmanager:innen als definierte Rolle
Die klare und transparente Rollendefinition des MPM und der zugeordneten Manager:innen hat sich als ein erfolgskritischer Faktor herausgestellt. Es ist notwendig, die Befugnisse der leitenden Positionen klar abgegrenzt darzustellen und zu kommunizieren. Im Unternehmensalltag haben sich drei unterschiedliche Konzepte bezüglich der Rollendefinition ausgestaltet:
- Konsolidierung: das MPM sammelt Informationen und unterstützt das Topmanagement durch die Bereitstellung ebendieser.
- Allokation: das MPM darf steuernd in die Projektlandschaft eingreifen und Ressourcen unter Berücksichtigung der strategischen Ziele neu ordnen.
- Gestaltung: das MPM ist in das strategische Management integriert. Es hat dort die Aufgabe, operative Umsetzungspläne aus der Strategie abzuleiten und diese zu steuern.
Die drei Gestaltungsebenen bauen aufeinander auf. Mit zunehmender Bedeutung steigen auch Befugnisse und Aufgaben des MPM. Entscheidend ist, dass es ein klar definiertes Konzept für die Ausgestaltung der Rolle gibt. Je stärker die Unternehmensstrategie durch die Projekte getragen werden soll, umso mehr Befugnisse werden im MPM benötigt.
4. Zentralisierung
In den meisten Unternehmen wird das MPM organisatorisch durch eine spezifische Person vertreten. Diese Herangehensweise stellt sich im alltäglichen Geschäft als erfolgsversprechender dar als eine Vertretung durch Gremien oder ähnliches. Es hat sich ebenfalls gezeigt, dass eine Zentralisierung des Multiprojektmanagers die Erfolgswahrscheinlichkeit des MPM erhöht. Das hängt zum einen damit zusammen, dass der Multiprojektleitende nicht mehr im Tagesgeschäft involviert ist und damit unvoreingenommen und fokussiert entscheiden kann.
Zum anderen wird die Kommunikation zu höheren Hierarchieebenen vereinfacht, weil sie direkter stattfinden kann. Auch die Akzeptanz einer unabhängigen MPM-Stabsstelle im Unternehmen ist deutlich höher. Ein zentraler Multiprojektmanager erhöht das Vertrauen in die Position durch seine Unabhängigkeit von weiteren Stellen.[3]
Komplexitätsbewältigung: Möglichkeiten und Maßnahmen
Für den Themenbereich des Multiprojektmanagements gibt es zurzeit nur sehr wenig standardisierte Normen. In der deutschen Projektmanagementnorm (DIN 69901) wird lediglich der Bezug zum Multiprojektmanagement als Führungsprozess hergestellt, allerdings keine Vorgehensweise und kein Methodenkoffer vorgeschlagen, um die Problematik zu beherrschen. Im September 2011 wurde ein Norm-Entwurf der DIN (DIN 69909) veröffentlicht, der in Zusammenhang mit der DIN 69901 Unternehmen dabei unterstützen soll, ein Multiprojektmanagement einzuführen – unabhängig von Größe, Anzahl und Komplexität der Projekte. Die dort angestrebte Standardisierung in Abläufen soll dabei die Kommunikation abteilungsübergreifend vereinfachen, aber auch dabei unterstützen, den Datenaustausch sowie Schnittstellen besser zu managen. Dadurch wird ein Rahmen für die gemeinsame Projektarbeit erarbeitet. Durch die Schaffung einer Strukturierung wird ein Handwerkszeug geformt, was organisatorische Aufwände einschränken soll, gleichzeitig aber auch problematisch im Sinne des Agilitätsgedankens ist – indem es den Menschen zwingt, sich dem Prozess anzupassen und nicht umgekehrt.[6]
Werkzeug: Projektportfolio
Die Erstellung eines Projektportfolios, wie in Abbildung 1 (nach Martin Moehrle)[7] dargestellt, ist der erste Schritt zur Beseitigung der Probleme, die durch die projektbezogene Entscheidungsfindung (darunter zu viele kleine Projekte, zu schlecht verteilte Ressourcen, schlechte Projektauswahl, mangelnde Transparenz, nicht nachvollziehbare Entscheidungslegung und unzureichende Innovation) vorhersehbar entstehen.
Abbildung 1: schematisches Projektportfolio
Ziel des Portfoliomanagements ist es, die optimale Mischung an Projekten für die Erreichung von Organisationszielen zu schaffen. Dabei soll es zwischen operativen und strategischen Entscheidungen vermitteln. Aufgabe des Portfolio-Managements ist es, beantragte Projekte zu beurteilen und diese auf Basis von vordefinierten Kriterien zu gewichten. Die Ressourcen werden dann entsprechend dieser priorisierten Einschätzung verteilt.
Im Verlauf von Projekten überwacht das Portfolio-Management auch den organisationsweiten Fortschritt der laufenden Projekte und das damit verbundene Erreichen von Organisationszielen. Daraus ergibt sich, dass ein Portfolio-Management nie abgeschlossen ist, sondern in iterativen Zyklen immer wieder wiederholt wird.[8]
Schlüsseltechnik: Balanced Scorecard
Um Projekte sinnvoll strategisch zu priorisieren, ist die methodische Herangehensweise einer Balanced Scorecard (BS) sehr gut geeignet. Die BS, welche in Abbildung 2 schematisch dargestellt ist, unterstützt die aktive Umsetzung strategischer Ziele, in dem traditionelle finanzielle Kennzahlen um drei weitere Perspektiven erweitert werden:
- Kundenperspektive
- interne Prozessperspektive
- Lern- und Entwicklungsperspektive
Damit treten laufende Indikatoren zur Bewertung in den Vordergrund vor statischen Werten.[9]
Abbildung 2: Aufbau einer Balanced Scorecard
Anhand der finanziellen Perspektive kann abgeleitet werden, ob auf Basis der Strategie ein besseres unternehmerisches Ergebnis erzielt wurde. Finanzielle Kennzahlen sind dabei besonders entscheidend – zum einen zeigen sie die finanziellen Ergebnisse und Auswirkungen, die von einer Strategie erwartet werden, zum anderen legen sie den Grundstein für die Bewertung der endgültigen Ziele für alle anderen Perspektiven fest – was wiederum bedeutet, dass die in den anderen Bereichen definierten Kennzahlen mit der finanziellen Perspektive verbunden sein sollten (Ursache-Wirkung).
Die Kundenperspektive zeigt die Ziele eines Unternehmens bezüglich angestrebter Markt- und Kundensegmente. Der Bereich »interne Geschäftsprozesse« bildet die Prozesse ab, die dabei unterstützen, die gesetzten Ziele in anderen Bereichen zu erreichen. Im Bereich »Lernen und Entwicklung« werden die Investitionen definiert, die notwendig sind, um die strategischen Unternehmensziele zu erreichen. Es wird empfohlen, diese Perspektive in drei Unterkategorien zu unterteilen:
- Qualifizierung von Mitarbeitenden
- Leistungsfähigkeit der IT-Systeme und -Infrastruktur
- Motivation und Zielausrichtung von Mitarbeitenden
Kennzahlen der BS sind als diagnostisch zu verstehen. Die Technik der BS soll in erster Linie den strategischen Führungsprozess eines Unternehmens unterstützen und einen Handlungsrahmen schaffen.[10]
Besonderheiten agiles Management
Die Verwendung eines agilen Projektmanagementansatzes wird empfohlen, wenn die Anforderungen an eine Entwicklung stark veränderlich sind. Außerdem muss das Projektziel in verschiedene kleinere Iterationen aufgeteilt werden können, die eine konsequente Steigerung des Geschäftswerts des Produkts ermöglichen und gleichzeitig das Risiko der Entwicklung reduzieren. Die Methodik »Scrum« ist eine der bekanntesten Techniken des agilen Projektmanagements und wird hier exemplarisch für die Beschreibung eines agilen MPM angewendet.
Mehr zum diesem Thema erfahren Sie in unserem Nachgelesen »Agiles Projektmanagement«.
Eine Multiprojektumgebung setzt voraus, dass Scrum-Teams in einem Unternehmen an verschiedenen Produkten (oder Produktkomponenten) arbeiten. In einer solchen Umgebung können Personalkollisionen, Probleme bei der Modulintegration und weitere Probleme des MPM auftreten.[11]
Es gibt zwei prinzipielle Herangehensweisen, wie Scrum in einer Multiprojektumgebung umgesetzt werden kann. Diese werden nachfolgend vorgestellt und näher betrachtet.
1. Gemeinsamer Framework Backlog
Hierbei werden, wie in Abbildung 3 dargestellt, mehrere Produkt-Backlogs genutzt. Einer für ein spezielles Team, welches eine gemeinsame Framework-Software entwickelt, und anderefür Scrum-Teams, die für verschiedene Kunden an Produkten arbeiten, die als Erweiterungen eines gemeinsamen Frameworks angesehen werden können. Dadurch wird eine strategische Herangehensweise forciert.[10]
Abbildung 3: gemeinsames Framework Backlog
2. Gemeinsamer Produkt-Owner
Lässt sich kein übergreifendes Gesamtframework definieren, besteht die Möglichkeit, die Teams isoliert und selbstbestimmt an ihren jeweiligen Produkt-Backlogs arbeiten zu lassen. Die Herangehensweise wird in Abbildung 4 dargestellt. Um den Überblick über laufende Entwicklungen nicht zu verlieren und sicherzustellen, dass die Anforderungen je nach Priorität auch projektübergreifend in der für den Kunden richtigen Reihenfolge umgesetzt werden, ist es notwendig, einen übergreifenden unabhängigen Produkt-Owner zu besetzen.
Abbildung 4: gemeinsamer Product Owner
Beide Methoden bringen eigene spezifische Vor- und Nachteile mit sich, die situativ evaluiert und entsprechend angewendet werden müssen.
Zusammenfassung
Multiprojektmanagement ist eine Kernkompetenz, die immer wichtiger für Unternehmen wird. Schätzungen zufolge wird die Arbeit in Projekten zukünftig eher noch zunehmen, was Multiprojektumgebungen nur noch komplexer werden lässt. Dementsprechend ist das Management vieler Projekte zur gleichen Zeit aus dem gleichen Ressourcenpool heraus ein erfolgskritischer Faktor. Mithilfe von Werkzeugen, wie beispielsweise eines Projektportfolios oder einer Balanced Scorecard, können erste Schritte in Richtung eines organisierten und kontrollieren MPM unternommen werden. Diese Werkzeuge können dabei behilflich sein, die entstehende Komplexität entsprechend der Ausgangsbedingungen zu handhaben, Überblicke zu verschaffen und Handlungsempfehlungen abzuleiten. Auch in einem agilen Projektmanagement kann ein MPM Anwendung finden, muss dort aber im Besonderen von sehr gut geschultem Personal ausgeführt werden.
Autorin: Carolin Böhme
Quellen, Anmerkungen und weiterführende Literatur
- Hüsselmann C./Seidl J. (2015): Multiprojektmanagement. Herausforderungen und Best Practices. Symposion Publishing GmbH
- DIN 69909-1
- Dammer, H./ Gemünden, G. (2015): Erfolgsfaktoren des Multiprojektmanagements. Ergebnisse einer qualitativen Studie. In: PM Magazin. https://www.projektmagazin.de/artikel/erfolgsfaktoren-des-multiprojektmanagements_6779
- Fichtel, J.: Warum Silo-Denken schädlich fürs Betriebsklima ist. In: instaffo Blog. https://blog.instaffo.com/arbeitnehmer/warum-silo-denken-schaedlich-fuers-betriebsklima-ist/#
- Lomnitz, G. (2008): Multiprojektmanagement. Die Projektelandschaft erfolgreich planen, vernetzen und steuern. Redline Wirtschaft, 3. aktualisierte Auflage
- Wagner, R. (2012): Standards für das Multiprojektmanagement. In: PM-Magazin. https://www.projektmagazin.de/artikel/standards-fuer-das-multiprojektmanagement_1064617
- Moehrle, M. (2013): Der richtige Projekt-Mix. Erfolgsorientiertes Innovations- und FuE-Management. Springer Berlin Heidelberg
- Strasser, J. /Schmidt-Sibeth, A. (2019): 7 Schritte zum optimalen Projektportfoliomanagement. In: Projektmanagement – der Expertenblog. https://www.theprojectgroup.com/blog/projektportfoliomanagement-einfuehren/
- Fitzner, D. (2007): Die Balanced Scorecard. Ein Instrument für das Management im Flottenbereich von Flurförderzeugen. S. 5 -10. Diplomica Verlag
- Dr. Dr. h.c. Weber, J. (2018): Balanced Scorecard. In: Gabler Wirtschaftslexikon. Springer Gabler. https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/balanced-scorecard-28000/version-251640
- Turek, M. /Werewka, J. (2016): Multi-project Scrum Methodology for Projects Using Software Product Lines. In Information Systems Architecture and Technology: Proceedings of 36th International Conference on Information Systems Architecture and Technology – ISAT 2015 – Part III