Von einer Treibhausgasbilanz haben viele Unternehmen schon gehört, doch was ist eine Ökobilanz und welche Vorteile können sich dadurch für mein Unternehmen ergeben?
Ökobilanzierung (auch Life Cycle Assessment oder kurz LCA genannt) ist ein Instrument, das genutzt wird, um die Umweltauswirkungen von Produkten, Dienstleistungen oder Prozessen zu bewerten. Eine Ökobilanzierung beinhaltet die Analyse des gesamten Lebenszyklus eines Produkts oder einer Dienstleistung, beginnend bei der Rohstoffgewinnung über die Produktion, Nutzung bis zur Entsorgung. Auch die Rückführung in den Kreislauf kann bewertet werden.
In diesem Nachgelesen erfahren Sie,
- was eine Ökobilanz ist,
- warum die Ökobilanz für KMU relevant ist,
- wie eine Ökobilanzierung abläuft,
- weshalb weitere Umweltkategorien von Bedeutung sind und
- wie Sie den Einstieg finden.
Was ist eine Ökobilanz und wo beginne ich am besten?
Eine Ökobilanzierung umfasst verschiedene Kategorien von Umweltauswirkungen, wie z. B. Treibhausgasemissionen, Wasserverbrauch, Abfall- und Abwasseremissionen und den Verbrauch von Rohstoffen. Die Ergebnisse werden in Form von Umweltindikatoren wie CO2-Äquivalenten, Wasserfußabdruck oder Ökotoxizität ausgedrückt. Damit unterscheidet sich die Ökobilanz von sogenannten „Fußabdrücken“ oder „Footprints“, bei denen nur einzelne Kategorien bewertet werden. Am verbreitetsten ist dabei der CO2-Fußabdruck auf Unternehmensebene.
Die Grundlage für diese Methoden bildet das Denken in Lebenszyklen von Produkten und Prozessen, also der Analyse von Produktsystemen. Anhand von strukturierten Einteilungen des Lebenszyklus ergibt sich eine Zuordnung von Effekten und Einflüssen zu Phasen im späteren Verlauf der Bilanzierungsverfahren. Dies wiederum ermöglicht eine Abschätzung des Einflusses der Lebenszyklusphase auf den gesamten Lebenszyklus und bietet somit gezielt die Möglichkeit diese Phasen des Lebenszyklus zu optimieren. Darauf aufbauend können verschiedene Footprints für Produkte oder das Unternehmen erstellt werden. Wie in Abbildung 1 zu sehen ist, folgen darauf die Ökobilanzierung mit der Betrachtung weiter Umweltauswirkungen und danach Methoden, die auch wirtschaftliche und soziale Aspekte integrieren.
Warum ist die Ökobilanzierung für Unternehmen relevant?
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) spielen eine wichtige Rolle in der Wirtschaft und haben oft einen großen Einfluss auf die Umwelt. Viele dieser Wirkungen finden dabei nicht auf dem Firmengelände statt, sondern verstecken sich in der Lieferkette. Diese Wirkungen zu erfassen, fördert nicht nur die Transparenz in den eigenen Prozessen. Die gewonnen Daten und Erkenntnisse können direkt für weitere Aktivitäten genutzt werden, wie bspw.:
- Verbesserung der Umweltleistung: Eine Ökobilanz ermöglicht es KMU, die Umweltauswirkungen ihrer Produkte oder Dienstleistungen zu quantifizieren und zu bewerten. Dadurch können gezielte Maßnahmen zur Reduzierung von Umweltauswirkungen ergriffen werden, um die Umweltleistung des Unternehmens zu verbessern.
- Kostenreduzierung: Eine Ökobilanz kann dazu beitragen, die Material- und Energieeffizienz im Unternehmen zu erhöhen. Durch die Identifizierung von Hotspots und die Umsetzung von Maßnahmen zur Reduktion von Umweltauswirkungen können KMU Ressourcen einsparen und damit ihre Kosten reduzieren.
- Erfüllung von Kundenanforderungen: Immer mehr Kunden legen Wert auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Mit der Durchführung einer Ökobilanz und der Reduktion von Umweltauswirkungen können KMU diese Kundenanforderungen erfüllen und ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen.
- Imageverbesserung: Eine Ökobilanz kann das Image des Unternehmens verbessern, indem es als verantwortungsbewusst und nachhaltig wahrgenommen wird. Eine positive Wahrnehmung kann das Vertrauen und die Loyalität der Kunden stärken und auch für die Gewinnung von neuen Kunden und Mitarbeitenden hilfreich sein.
- Einhaltung von Vorschriften: KMU können mit der Durchführung einer Ökobilanz sicherstellen, dass sie den gesetzlichen Vorschriften und Richtlinien zum Umweltschutz entsprechen.
Wie läuft eine Ökobilanzierung ab?
Eine Ökobilanzierung durchläuft typischerweise vier Phasen, die als Phasenmodell bezeichnet werden: Ziel- und Systemdefinition, Sachbilanz, Wirkungsabschätzung und Auswertung bzw. Interpretation. Abbildung 2 stellt die beschriebenen Phasen dar. Die Ökobilanzierung ist ein iterativer Prozess, bei dem die Ergebnisse jeder Phase zur Überprüfung und Verbesserung der vorherigen Phasen verwendet werden.
Im Detail umfassen die Phasen folgende Inhalte:
- Ziel- und Systemdefinition: In der ersten Phase wird das Ziel der Ökobilanz definiert und das System abgegrenzt. Dabei werden die relevanten Ein- und Ausgangsströme des Produkts oder Prozesses identifiziert, die zu untersuchenden Umweltkategorien ausgewählt und die Systemgrenzen festgelegt. Hierbei können auch bestimmte Verfahrens- oder Datenquellen festgelegt werden.
- Sachbilanz: In der zweiten Phase werden Daten über die Inputs und Outputs des Systems gesammelt, die für die ausgewählten Umweltkategorien relevant sind. Dies umfasst die Gewinnung von Rohstoffen, die Produktion, den Transport, die Nutzung und Entsorgung des Produkts oder Prozesses. Dabei kommen oft verschiedene Datenerhebungsmethoden wie Interviews, Umfragen, statistische Daten, Literaturrecherche, Datenbanken und Simulationen zum Einsatz.
- Wirkungsabschätzung: In der dritten Phase werden die gesammelten Daten in Umweltwirkungsindikatoren umgewandelt, um die Umweltauswirkungen des Systems zu quantifizieren. Dies umfasst die Bewertung von Auswirkungen wie Treibhausgasemissionen, Energieverbrauch, Wasserverbrauch, Abfall- und Abwasseremissionen und den Verbrauch von Rohstoffen. Dabei werden oft standardisierte Methoden und Modelle wie die ReCiPe-Methode, die CML-Methode oder die TRACI-Methode eingesetzt.
- Interpretation: In der vierten Phase werden die Ergebnisse der Wirkungsabschätzung interpretiert und bewertet. Dabei werden die Hotspots, das sind die Haupttreiber von Umweltauswirkungen im System, identifiziert und Optionen für Verbesserungen oder Maßnahmen zur Reduktion der Umweltauswirkungen vorgeschlagen. Die Interpretation der Ergebnisse umfasst auch die Sensitivitätsanalyse, um die Auswirkungen von Unsicherheiten und Annahmen zu untersuchen. Die Ergebnisse werden in Form von Berichten oder Diagrammen präsentiert.
Die hier dargestellte Vorgehensweise orientiert sich an der internationalen Norm ISO 14040. Sie legt Grundsätze und Rahmenbedingungen für die Durchführung von Ökobilanzstudien fest.
Warum sind weitere Umweltkategorien
relevant?
Obwohl der Klimawandel eine der wichtigsten Umweltauswirkungen ist, gibt es auch andere Umweltwirkungskategorien, die bei der Durchführung einer Ökobilanz berücksichtigt werden sollten. Ein Beispiel dafür ist der Verbrauch von Wasserressourcen.
Wasserverbrauch kann sich auf verschiedene Weisen auf die Umwelt auswirken, einschließlich der Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Wasserressourcen, die Verschmutzung von Wasserquellen und die Auswirkungen auf die aquatische Biodiversität. Durch die Durchführung einer Ökobilanz kann der Wasserverbrauch entlang des gesamten Lebenszyklus eines Produkts identifiziert und bewertet werden, einschließlich des Verbrauchs von Wasser in der Rohstoffgewinnung, Produktion, Verpackung, Transport, Nutzung und Entsorgung.
Ein Beispiel für die Bedeutung des Wasserverbrauchs in einer Ökobilanz ist die Lebensmittelindustrie. Die Produktion von Lebensmitteln erfordert in der Regel große Mengen an Wasser, sowohl für den Anbau von Rohstoffen als auch für die Verarbeitung von Lebensmitteln. Die Ökobilanzierung von Lebensmitteln kann dazu beitragen, die Umweltauswirkungen des Wasserverbrauchs zu minimieren, indem nachhaltigere Methoden der Wassernutzung und -verwaltung identifiziert und implementiert werden.
Wo fange ich an?
Die Durchführung einer Ökobilanz erfordert ein hohes Maß an Fachwissen, Erfahrung und Ressourcen. Es kann für KMU schwierig sein, die notwendigen Kompetenzen und Ressourcen sowie Daten intern bereitzustellen. Aus diesem Grund kann es sinnvoll sein, einen externen Partner, wie zum Beispiel eine Forschungseinrichtung, zu beauftragen, um eine Ökobilanz durchzuführen.
Einige Gründe, die für die Zusammenarbeit mit einem externen Partner sprechen, sind:
- Fachwissen: Externe Partner verfügen in der Regel über ein breites Spektrum an Fachwissen in Bezug auf Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen sowie über Kenntnisse in spezialisierten Bereichen wie Ökobilanzierungsmethoden, Datenerfassung und -analyse, Lebenszyklusanalyse und Umweltmanagement.
- Ressourcen: Die Ökobilanzierung kann zeitaufwendig sein und erfordert eine große Menge an Daten. Externe Partner können auf spezialisierte Datenbanken, Softwaretools und andere Ressourcen zugreifen, die notwendig sind, um eine umfassende Ökobilanz zu erstellen.
- Unabhängigkeit: Die Zusammenarbeit mit einem externen Partner kann dazu beitragen, die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit der Ergebnisse der Ökobilanz zu gewährleisten. Externe Partner können die Ergebnisse der Ökobilanz unabhängig prüfen und validieren, was das Vertrauen der Kunden und der Öffentlichkeit in die Ergebnisse der Ökobilanz stärkt.
- Objektivität: Ein externer Partner kann bei der Ökobilanzierung objektiver sein als interne Mitarbeiter, da er nicht von betrieblichen Interessen oder Vorurteilen beeinflusst wird.
- Kostenersparnis: Die Zusammenarbeit mit einem externen Partner kann für KMU kosteneffektiver sein als die Einstellung von spezialisierten Fachleuten und die Anschaffung von teurer Software und Datenbanken.
Insgesamt kann die Zusammenarbeit mit einem externen Partner dazu beitragen, eine umfassende und objektive Ökobilanz zu erstellen und dabei Zeit und Ressourcen zu sparen.
Das Mittelstand-Digitalzentrums Chemnitz bietet zum Themea Ökobilanzierung auch Veranstaltungen an, in denen Sie sich näher zu informieren und erste praktische Erfahrungen sammeln können.
Quellen und weiterführende Informationen
- Frischknecht, Rolf (2020): Lehrbuch der Ökobilanzierung. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg.
- Umweltbundesamt: https://www.umweltbundesamt.de/themen/wirtschaft-konsum/produkte/oekobilanz
- DIN EN ISO 14040:2021-02, Umweltmanagement_- Ökobilanz_- Grundsätze und Rahmenbedingungen (ISO_14040:2006_+ Amd_1:2020); Deutsche Fassung EN_ISO_14040:2006_+ A1:2020.
- Life Cycle Initiative: https://www.lifecycleinitiative.org/