Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ist eine zuverlässige und schnelle Internetverbindung unerlässlich, um wettbewerbsfähig zu bleiben und moderne Arbeitsweisen wir Telearbeit oder Cloud-Computing zu ermöglichen. Insbesondere in ländlich geprägten Regionen stoßen traditionelle Breitbandverbindungen oft an Grenzen. Hier kommt Satelliten-Internet ins Spiel, eine Technologie, die in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht hat und nun eine vielversprechende Alternative darstellt.
In diesem Nachgelesen erfahren Sie:
- welche Ausgangssituation und Herausforderungen in Bezug auf die Internetinfrastruktur vorherrschen,
- wie Satelliten-Internet als Alternative dienen kann,
- wie Internet über LEO-Satelliten funktioniert und
- welche Erfahrungen wir bei Praxistests gesammelt haben.
Die Ausgangslage
Um internetbasierte Dienste, wie Telearbeit, Videokonferenzen, Fernwartung, Tracking, Cloud-Computing, Cloud-Speicherdienste oder künstliche Intelligenz-Anwendungen nutzen zu können, sind stabile Internetverbindungen mit hohen Übertragungsgeschwindigkeiten notwendig. Hier liegt Deutschland weit hinter anderen Ländern zurück. Der Anteil der Glasfaser-Internetanschlüsse liegt mit nur 8,1 % weit hinter Ländern wie Spanien (81,2 %) oder Südkorea (87,3 %).[1] Mehr als die Hälfte der Deutschen surfen noch mit Bandbreiten, die auf 100 Mbit/s begrenzt sind – mit großen regionalen Unterschieden: So liegt beispielsweise in Chemnitz die durchschnittliche Download-Geschwindigkeit bei 120,72 Mbit/s, der Upload bei 26,87 Mbit/s und die durchschnittliche Latenzzeit bei 19,4 ms.[2] Die Latenz ist die Verzögerung bei der Kommunikation im Netzwerk. Sie zeigt die Zeit an, die Daten für die Übertragung über das Netzwerk benötigen. Netzwerke mit einer längeren Verzögerung weisen eine hohe Latenz auf, während Netzwerke mit schnellen Reaktionszeiten eine geringere Latenz aufweisen.
Die Alternative: Satelliten-Internet
Eine Lösung ist der Einsatz von Satelliten-Internet an Orten, an denen es keine Breitbandnetze gibt. Die Technologie hinter Satelliten-Internet ist nicht neu. Die erste Internetverbindung über Satelliten war in den späten 80er Jahren möglich, wurde aber nur in der Forschung oder im Bildungswesen eingesetzt, da die Verbreitung und Kommerzialisierung des Internets erst Mitte der 90er Jahre einsetzte.[3] Die Zahl der Internetnutzenden ist mittlerweile von 16 Millionen im Dezember 1995 auf 5,5 Milliarden im Dezember 2023 gestiegen, was 69 % der Weltbevölkerung entspricht.[4]
Internetdienstanbieter schicken mehrere Satelliten ins All, die die Erde umkreisen. Auf der Erde wird für die jeweiligen Nutzenden eine Satellitenschüssel an einem Standort installiert, an dem sie einen freien Blick zum Himmel hat (frei von Hindernissen wie Bäumen oder Gebäuden). Zwischen Satelliten und Satellitenschüssel werden Daten gesendet bzw. empfangen.
Die Satelliten werden in drei Kategorien unterschieden, abhängig von der Höhe ihrer Umlaufbahn: Eine hohe Erdumlaufbahn (HEO – High-Earth Orbit), eine mittlere Erdumlaufbahn (MEO – Medium-Earth Orbit) und eine niedrige Erdumlaufbahn (LEO – Low-Earth Orbit).
Lange Zeit wurden nur Satelliten in einer hohen Erdumlaufbahn (HEO) für die Bereitstellung von Internet verwendet. HEO-Satelliten befinden sich in einer geostationären Umlaufbahn in einer Höhe von etwa 36.000 Kilometern über dem Äquator. Ein einzelner Satellit kann ein sehr großes Gebiet abdecken, so dass nur drei Satelliten erforderlich sind, um die ganze Welt zu erfassen. Aufgrund der großen Entfernung zwischen dem Satelliten und der auf der Erde befindlichen Satellitenschüssel entsteht eine Latenzzeit (Verzögerungszeit) von etwa 500 ms.[5] Für eine gute Sprachqualität wird eine Latenzzeit von 150 ms oder weniger empfohlen; bis 400 ms ist die Sprachqualität gerade noch akzeptabel.[6]
Internet über einen HEO-Satelliten liefert außerdem nur langsame Geschwindigkeiten (Upload 25 Mbit/s und Download 3 Mbit/s) und hat einen hohen Preis: Eine Satellitenschüssel ist ab ca. 5.000 € erhältlich und 1 MB Datenvolumen kann je nach Region und Anbieter zwischen 50 und 200 € kosten.[7]
Diese Probleme treten bei Satelliten auf niedrigen Erdumlaufbahnen (LEO), wie sie in den letzten Jahren von neuen Akteuren wie SpaceX und Amazon auf den Markt gebracht wurden, nicht auf.
LEO-Satelliten umkreisen die Erde auf einer Höhe zwischen 180 und 2.000 km. Sie benötigen folglich eine geringere Raketenleistung für ihren Transport. Der einzelne Satellit ist daher wirtschaftlich günstiger. Allerdings werden mehr Satelliten und ein Netz von Bodenstationen benötigt, um die Erde bzw. große Regionen der Erde abzudecken. Im März 2024 befanden sich 5.504 Starlink LEO-Satelliten der Firma SpaceX in der Umlaufbahn.[8] Und bis Ende 2024 will Amazon 3.236 Kuiper LEO-Satelliten in den Orbit bringen.[9]
Wie funktioniert das Internet über LEO-Satelliten?
Der lokale Computer oder ein lokales Netzwerk ist per WLAN an ein Satellitenmodem angeschlossen. Das Modem wandelt digitale Daten in eine für die Satellitenübertragung geeignete Form um und sendet diese per Kabel an die Satellitenschüssel. Die Satellitenschüssel stellt eine Verbindung zum nächsten verfügbaren LEO-Satelliten in der Region her und sendet die Daten. Sobald der Satellit die Daten erhalten hat, leitet er sie an eine Bodenstation des Internetanbieters auf der Erde weiter. Die Bodenstation übermittelt – nicht anders als beim normalen Kabelinternet – die Daten an den entsprechenden Webserver weiter. Beim Empfang läuft der Datenverkehr in umgekehrter Reihenfolge.[10]
Erfahrungsbericht: Nutzung eines Telepräsenzroboters über Satelliten-Internet
Um die Leistungsfähigkeit und Handhabbarkeit eines LEO-Satelliten-Internetdienstes zu testen, wurde dieser in Verbindung mit einem Telepräsenzroboter an verschiedenen Standorten in Chemnitz, Annaberg-Buchholz/Erzgebirge und Stollberg/Erzgebirge getestet. Die Standorte wurden ausgewählt, weil sie von ständigen Verbindungsproblemen und niedrigen Internetgeschwindigkeiten betroffen sind.
Der Telepräsenzroboter – ein Videokonferenzsystem, das aus der Ferne bedient werden kann und über Bewegungsmöglichkeiten verfügt – wurde beispielhaft als Anwendung ausgewählt, da er in besonderem Maße eine stabile und -schnelle Internetverbindung benötigt. [11]
Die Installation des LEO-Satelliten-Internet-Systems war sehr einfach. Nach 15 Minuten war das System einsatzbereit. Der Telepräsenzroboter lieferte, während er über das Satelliten-Internet verbunden war, eine bessere Bildqualität und Reaktionszeit als mit dem DSL-Internet vor Ort. Dieser subjektive Eindruck wurde durch orientierende Messungen bestätigt. Dazu wurden über einen Zeitraum von 90 Minuten alle fünf Minuten sowohl die Download- und Upload-Geschwindigkeit als auch die Latenzzeiten gemessen, während der Telepräsenz-Roboter in Betrieb war. Die Ergebnisse zeigt Tabelle 1 .
Standort | Durchschnittlicher Download [Mbit/s] | Durchschnittlicher Upload [Mbit/s] | Durchschnittliche Latenzzeit [ms] | |||
---|---|---|---|---|---|---|
DSL | LEO-Satellit | DSL | LEO-Satellit | DSL | LEO-Satellit | |
Chemnitz | 77,3 | 227 | 21,2 | 34,7 | 25,7 | 46 |
Annaberg-Buchholz | 22 | 182 | 10,3 | 20 | 50 | 23 |
Stollberg /Erzgebirge | 6,35 | 164 | 9,05 | 12 | 77 | 49 |
Die Tabelle zeigt, dass die Download- und Upload-Geschwindigkeit des LEO-Satelliten-Internetdienstes weit über dem Durchschnitt in den Testgebieten liegen. Niedrige Latenzzeiten wurden mit dem LEO-Satellit nur erreicht, wenn die Satellitenschüssel nicht durch Hindernisse verdeckt war. Die Tests fanden immer im Erdgeschoss von Gebäuden statt und die Satellitenschüssel befand sich im Freien auf Bodenhöhe. Es wurden auch (erwartbare) Anforderungen und Einschränkungen der Nutzung eines LEO-Satelliten-Internets festgestellt:
- Die Satellitenschüssel muss eine uneingeschränkte Sicht auf den Himmel haben. Dazu muss die Satellitenschüssel auf einem Dach stehen, auf einem Mast montiert oder mit Abstand auf einer freien Fläche platziert werden. Wenn sich die Satellitenschüssel in der Nähe von Gebäuden, Bäumen oder anderen Hindernissen befindet, kann die Internetverbindung alle 12 Stunden für ein paar Minuten unterbrochen werden, weil das Hindernis die Sicht der Satellitenschüssel auf den Himmel zu einem bestimmten Zeitpunkt des Tages einschränkt. Dadurch wird die Datenübertragung solange unterbrochen, bis die Verbindung zu einem anderen Satelliten aufgebaut ist.
- Die Sendeleistung des Modems zum lokalen Endgerät oder Netzwerk ist limitiert: In einem offenen Raum wird nach ca. 20 Metern ein Signalverstärker benötigt; bei Wänden verringert sich der Abstand je nach Baumaterial und Dicke der Wände auf 8 bis 10 Meter.
- Die im Freien stehende Satellitenschüssel muss mit einem Kabel mit dem vorzugsweise in einem Innenraum stehenden Modem verbunden werden. Dafür ist, je nach den örtlichen Gegebenheiten, eine mehr oder minder aufwändige Kabeldurchführung notwendig.
Fazit
Satelliten-Internet kann an Standorten, an denen keine oder nur eine eingeschränkte Internetverbindung per Kabel angeboten wird, eine gute Alternative sein. Soll das Satelliten-Internet stationär genutzt werden, so sind die oben genannten baulichen und technischen Anforderungen zu beachten (Standort der Satellitenschüssel, Reichweite des Modems, Kabelführung).
Satelliten-Internet-Systeme können aber auch – wie von den Anbietern beworben – mobil bzw. temporär an wechselnden Standorten betrieben werden. Dazu muss dort lediglich elektrischer Strom verfügbar sein. Für diesen Einsatzfall ist positiv hervorzuheben, dass das Satelliten-Internet in kurzer Zeit installiert und in Betrieb genommen werden kann. Einige Anwendungsszenarien werden durch die oben genannten Anforderungen an Aufstellort der Schüssel, Kabelführung und Reichweite des Modems erschwert. Zu ihnen zählen z. B. der Betrieb des Satelliten-Internets bei industriellen Kunden zur Fernwartung oder Inbetriebnahmen.
Quellen
- Brandt, M. (2023, March 2). Infografik: Deutschland immer noch kein Glasfaserland. Statista Daily Data. https://de.statista.com/infografik/3553/anteil-von-glasfaseranschluessen-in-ausgewaehlten-laendern (Abrufdatum: 05.04.2024)
- Gjergji, O. (2021). Internet Speed in Europe—European Data Journalism. https://datavis.europeandatajournalism.eu/obct/connectivity/index.html(extrenal_link) (Abrufdatum: 05.04.2024)
- Takei, J., & Murai, J. (2003). Satellite communication on the Internet: Its history and the technology. 2003 Symposium on Applications and the Internet Workshops, 2003. Proceedings., 3–7. https://doi.org/10.1109/SAINTW.2003.1210116
- Stackscale. (2023). The Internet: Evolution and growth statistics. https://www.stackscale.com/blog/internet-evolution-statistics/ (Abrufdatum: 05.04.2024)
- Takei, J., & Murai, J. (2003). Satellite communication on the Internet: Its history and the technology. 2003 Symposium on Applications and the Internet Workshops, 2003. Proceedings., 3–7. https://doi.org/10.1109/SAINTW.2003.1210116
- International Telecommunication Union (2003). One-way transmission time. ITU-T Recommendation G.114.
- Harebottle, A. (2021). Bandwidth Pricing: How Low Can it Go? https://interactive.satellitetoday.com/bandwidth-pricing-how-low-can-it-go/ (Abrufdatum: 18.04.2024)
- SpaceX. (2024). Starlink. https://www.starlink.com/de (Abrufdatum: 05.04.2024)
- Amazon. (2024). Project Kuiper. https://www.aboutamazon.com/what-we-do/devices-services/project-kuiper (Abrufdatum: 05.04.2024)
- McCarthy, D. (2022). The Internet from Space: RFIC Advances in High Capacity, Low Latency LEO Satellite User and Ground Terminals. https://www.analog.com/en/resources/analog-dialogue/articles/internet-from-space-rfic-in-high-capacity-low-latency-leo-satellite-terminals.html (Abrufdatum: 17.04.2024)
- Hernandez, F., Waechter, M., & Bullinger, A. C. (2021). A First Approach for Implementing a Telepresence Robot in an Industrial Environment. https://doi.org/10.1007/978-3-030-79816-1_18 (Abrufdatum: 18.04.2024)