In Zeiten steigender Rohstoffpreise, zunehmender Rohstoffverknappung, höheren Strom- und Energiepreisen, Mindestlohn sowie der Forderung nach günstigen Produkten durch den Endverbraucher wächst der wirtschaftliche Druck auf die Unternehmen. Sinnvolle Investitionen in die Digitalisierung können helfen, Prozesse schlanker und effizienter zu gestalten und zeitgleich wirtschaftliche Verschwendungen zu eliminieren. Die Bandbreite an digitalen Lösungen ist dabei groß. Und so lässt sich für beinahe jede Situation eine geeignete Digitalisierungsstrategie erarbeiten. Die Frage, die sich viele Unternehmen stellen: „Ist die Investition in die Technologie wirtschaftlich sinnvoll?“
In dem folgenden Nachgelesen erfahren Sie:
- wie Assistenzsysteme die Mitarbeitenden in ihrer Tätigkeit unterstützen können,
- wie Prozesszeiten und Aufwandskalkulation zusammenhängen,
- welche Kosten und Zeitwerte sich am Beispiel eines Kommissionierprozesses bestimmen lassen,
- wie dynamische Amortisationsrechnungen eine wirtschaftliche Aussage unterstützen und
- welche weiteren Entscheidungskriterien eine Rolle spielen.
Digitale Assistenzsysteme zur effizienten Mitarbeiterunterstützung
Als Beispiel zur Betrachtung der Wirtschaftlichkeit von Digitalisierungslösungen werden in diesem Beitrag Assistenzsysteme herausgegriffen. Es handelt sich dabei um eine digitale Technologie, die in verschiedenen Bereichen im Unternehmen Anwendung finden kann. Ob in der Kommissionierung und Logistik, in der Montage oder Instandhaltung, im Außendienst oder direkt an der Maschine in der Produktion – Assistenzsysteme sind vielfältig einsetzbar. Dabei unterstützen sie die Mitarbeitenden nicht nur bei ihrer täglichen Arbeitsaufgabe durch verbesserte Informationsgewinnung, -verarbeitung und -bereitstellung. Ebenso hat deren Einsatz einen positiven Effekt auf die Produktivität der Arbeitsprozesse.[1]
Klassifizierung von Assistenzsystemen
Abhängig von der Arbeitsaufgabe lassen sich Mitarbeiter-Assistenzsysteme in verschiedene Unterstützungsebenen einteilen. Dabei kann die Informations-/Wahrnehmungsebene, die Entscheidungsebene oder die Ausführungsebene adressiert werden. Insbesondere bei wahrnehmenden und entscheidenden Arbeitsaufgaben werden kognitiv unterstützende Assistenzsysteme eingesetzt, während bei ausführenden Tätigkeiten physische Assistenzsysteme zur Anwendung kommen.[2] In Abbildung 1 ist die Klassifizierung übersichtlich abgebildet und zeigt zudem Technologiebeispiele von unterschiedlichen Mitarbeiter-Assistenzsystemen auf.
Kognitive Assistenzsysteme
Im Zuge zunehmender Digitalisierung und Vernetzung gewinnen kognitive Assistenzsysteme an Wichtigkeit, um einerseits Mitarbeiter zu entlasten und die Produktivität zu steigern, andererseits dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Datenbrillen, Augmented Reality, Smart Watches oder Pick-and-Place-by-X Systeme sind Beispiele für kognitive Unterstützungssysteme. Sie dienen in erster Linie zur verbesserten Kommunikation der Arbeitsanweisung. Die visuelle, akustische oder haptische Informationsübermittlung und -bereitstellung der Handlungsanweisung reduziert nicht nur die Fehlerhäufigkeit, sondern auch unnötige Suchprozesse drastisch. Dies hat einen positiven Einfluss auf die Prozesszeit und verbessert zeitgleich die Prozessqualität. Nicht wertschöpfende Tätigkeiten, wie die Beschaffung von Kommissionierlisten, das Suchen nach dem richtigen Lagerplatz oder auch das Nachschlagen in Montageanleitungen entfällt. Die Hilfestellung beginnt bei der einfachen Anzeige von Zusatzinformationen oder Arbeitsanweisungen, führt über visuelle oder multimediale Unterstützung wie bei Picksystemen und geht bis hin zur kontextbezogenen Unterstützung der Mitarbeitenden durch den Einsatz von Augmented Reality.[3]
Kosten quantifizieren
Der Einsatz solcher Technologien zielt nicht nur darauf ab, die Produktion und die daran beteiligten Mitarbeitenden in ihrer Tätigkeit zu unterstützen. Das Ziel ist ebenso, Unternehmen flexibler und wirtschaftlicher zu gestalten. Doch wie wirtschaftlich ist der Einsatz von digitalen Assistenzsystemen? In der Regel sind die Investitionskosten mehr oder weniger genau bekannt oder lassen sich über Angebote ermitteln. Wie hingegen lässt sich die Reduzierung von Fehlerhäufigkeiten, der Suchprozesse oder die nicht wertschöpfenden Tätigkeiten der Mitarbeitenden durch den Einsatz von Assistenzsystemen quantifizieren? Die Antwort liegt in der Prozesszeit.
Prozesszeiten dokumentieren und wirtschaftliche Potentiale erkennen
Zeit ist Geld, wie der Volksmund so schön sagt. Darin steckt mehr Wahrheit als auf den ersten Blick vermutet wird. Bezogen auf die einzelnen Tätigkeiten der Mitarbeitenden lässt sich jeder einzelne Prozessschritt analysieren und zeitlich aufnehmen. Für die Zeitermittlung stehen dabei verschiedene Ansätze zur Verfügung. Abbildung 2 gibt einen kurzen Überblick.
Stellen Ist-Zeiten die Grundlage für eine Zeiterfassung dar, kann dies durch Fremdaufschreibung oder durch Selbstaufschreibung erfolgen. Zur Ermittlung von Soll-Zeiten hingegen werden analytisch rechnerische Methoden herangezogen. Die Zeitermittlung erfolgt dabei durch Schätzen und Vergleichen, durch Zusammensetzen oder durch das Berechnen von Prozesszeiten.[3]
Um eine Tätigkeit zu bewerten, muss diese zunächst in ihre Einzelprozessschritte zerlegt werden. Bei einer Ist-Zeitenerfassung wird jeder einzelnen Schritt zeitlich aufgenommen und dokumentiert. Der Detailgrad der Aufgliederung von Einzelprozessen sollte in einen wirtschaftlichen Kontext gesetzt werden. Sind also ein Maschinenstundensatz und ein Personalstundensatz zu berücksichtigen, so sollte auch der Prozess entsprechend detailliert aufgesplittet sein, um die anfallenden Kosten so getrennt wie möglich darzustellen. Dies hat den Vorteil, dass die Kosten verursacherbezogen aufgeschlüsselt werden und zudem die Potenziale für ein digitales Assistenzsystem ersichtlich werden.
Kosten und Zeitwerte am Beispiel eines Kommisionierprozesses
Das folgende Beispiel soll den Zusammenhang zwischen Prozesszeiten und wirtschaftlichen Potenzialen verdeutlichen. Der Lagermitarbeiter soll für den nächsten Auftrag zwei Artikel aus einem Regallager kommissionieren. Die vorgelagerten Einlagerungstätigkeiten werden zur Vereinfachung an dieser Stelle in der Betrachtung außen vorgelassen. Die Tätigkeitsabfolge mit den zugehörigen Zeiten ist in Tabelle 1 dargestellt. Die verwendeten Kosten und Zeitwerte sind fiktive angenommene Zahlen.
Bei den Zeiten kann nun eine Klassifizierung vorgenommen werden in Wegzeit, Greifzeit, Basiszeit und Totzeit. Die Basiszeit (B) fällt einmal pro Kommissionierauftrag an, wie das Abrufen, das Übernehmen und das Ordnen von Aufträgen. Wegzeit (W), Greifzeit (G) und Totzeit (T) fallen für jeden kommissionierten Artikel separat an. Wegzeit ist dabei die Zeit, die aufgewendet werden muss, um von der aktuellen Position zur nächsten Position zu kommen. Die Greifzeit beschreibt alle Zeiten, die für die Entnahme der Artikel benötigt wird. Die Totzeit sind alle Zeiten, die durch Suchprozesse, Lesen von Informationen oder Prüfprozesse entstehen.[5], [6]
Daraus ergibt sich folgende Formel:
\begin{equation}
\text{Kommissionierzeit}[s] = \text{Basiszeit} + \sum_{r=1}^{n} \left( \text{Wegzeit}_r + \text{Greifzeit}_r + \text{Totzeit}_r \right)
\end{equation}
Die Basiszeit beträgt 242 Sekunden, die Wegzeit 110 Sekunden, die Greifzeit 10 Sekunden, und die Totzeit beträgt 52 Sekunden. Die gesamte Kommissionierzeit beträgt somit 414 Sekunden, also 6,9 Minuten.
Rechnerische Methoden
Ist die Anzahl der zu kommissionierenden Teile pro Auftrag relativ stabil oder eine vorherige umfangreiche Datenaufnahme nicht möglich, so lassen sich rechnerische Methoden zur Ermittlung von Zeitwerten verwenden. Die Methods Time Measurement Analyse, kurz MTM Analyse, ist hierfür ein geeigneter Ansatz. Demnach werden die oben beschriebenen Tätigkeiten in weitere Teilschritte (Hinlangen, Greifen, Bringen, Fügen, Loslassen) gegliedert und um Bewegungselemente (Drücken, Trennen, Drehen, Körper-, Bein-, Fußbewegung oder Blickfunktionen) ergänzt. Jede Bewegung ist in einer standardisierten Tabelle mit Zeitwerten hinterlegt.
Die auf der MTM-Datenkarte angegebenen Normzeiten sind so berechnet, dass sie von einer durchschnittlich geübten Person über die Zeit eines gesamten Arbeitstages hinweg ausgeübt werden kann. Dabei wird von einem Leistungsgrad von 100 % ausgegangen.[7] Die Teilschritte werden auf Grund der definierten Ausführungsart und den Angaben in der Tabelle mit Zeitwerten versehen und können anschließend ebenso nach den vier Zeitarten Basiszeit, Wegzeit, Greifzeit und Totzeit eingeteilt und aufsummiert werden. Ist der Zeitbedarf für die Kommissionierung aller Teile eines Auftrages bekannt, kann dieser für eine tägliche oder auch monatliche Kommissionierleistung skaliert werden.
Nr. | Tätigkeit | Klassifizierung | Zeit [s] |
---|---|---|---|
1 | Kommissionierliste vom EDV-Terminal anfordern und ausdrucken | B | 90 |
2 | Gang zum Kommissionierwagen | B | 20 |
3 | Kommissionierliste ablegen | B | 2 |
4 | Erste Entnahmestelle lokalisieren | T | 6 |
5 | Zur Entnahmestelle bewegen | W | 40 |
6 | Lagerplatz lokalisieren | T | 15 |
7 | Zum Lagerplatz bewegen | W | 10 |
8 | Artikel entnehmen | G | 2 |
9 | Artikel in Kommissionierbehälter legen | G | 3 |
10 | Artikel mit Kommissionierliste abgleichen und abhaken | T | 5 |
11 | Nächste Entnahmestelle auf Kommissionierliste prüfen | T | 6 |
12 | Zur Entnahmestelle bewegen | W | 20 |
13 | Lagerplatz lokalisieren | T | 15 |
14 | Zum Lagerplatz bewegen | W | 10 |
15 | Artikel entnehmen | G | 2 |
16 | Artikel in Kommissionierbehälter legen | G | 3 |
17 | Artikel mit Kommissionierliste abgleichen und abhaken | T | 5 |
18 | Zur Abgabestelle bewegen | W | 30 |
19 | Behälter aufnehmen und am Abgabeort positionieren | B | 10 |
20 | Rückweg zum Terminal | B | 60 |
21 | Kommissionierte Artikel im System buchen | B | 60 |
Zeiteinsparung durch Assistenzsystem
Um eine Aussage zur Wirtschaftlichkeit des Einsatzes der Digitalisierungslösung treffen zu können, muss der obige Prozess nochmals unter dem Aspekt der Zeiteinsparung durch den Einsatz eines digitalen Assistenzsystem analysiert werden. Ziel der Verwendung des Assistenzsystems soll es sein, die Basiszeit, Wegzeit und Totzeit zu reduzieren.
Im Beispiel soll ein Pick-by-Light-System eingeführt werden, kombiniert mit dem Einsatz von Tablets zur Anzeige und Verwaltung der Kommissionieraufträge. Dem Mitarbeiter wird auf dem Tablet der zu kommissionierende Artikel mit dem konkreten Entnahmeort angezeigt. Am Regalstandort leuchtet eine Lampe auf, sodass er mit dem Kommissionierwagen die richtige Regalreihe anfährt. Am Lagerplatz des Artikels befindet sich ein Lichtsignal, dass ihn sofort zum korrekten Lagerplatz führt und somit unnötige Suchprozesse und Wege eliminiert. Mit dem Reingreifen in den Lagerplatz registriert eine Lichtschranke die Entnahme und bestätigt diese systemseitig auf der Kommissionierliste. Müssen mehrere Teile eines Artikels entnommen werden, ist die Anzahl in einem Dialogfeld zu bestätigen. Anschließend wird der nächsten Entnahmeort angezeigt. Durch die Einführung einer solchen Digitalisierungslösung würden im Beispiel neun Positionen entfallen, wie in Tabelle 2 ersichtlich. Durch das digitale Assistenzsystem kann die Kommissionierzeit um 62,8 % reduziert werden. Im fiktiven Beispiel sind die Einsparungen sehr hoch, was nicht in jedem Anwendungsfall in dem Umfang zutreffen wird.
Neben der Reduzierung einzelner Schritte ist für eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung u. a. auch die Senkung der Fehlerquote einzubeziehen. Ein Assistenzsystem kann hierbei Fehlgriffe und damit spätere Prozessstörungen sowie zusätzliche Kommissionierprozesse deutlich reduzieren. Der genaue Prozentsatz muss individuell im Unternehmen abgeschätzt werden. Für das Fallbeispiel nehmen wir hier eine Reduktion von 5% an. Ein weiterer Effekt kann beispielsweise ein schnellerer Einarbeitungsprozess neuer Mitarbeitender sein, der sich für das fiktive Beispiel allerdings schwer quantifizieren lässt, weshalb dieser in der aktuellen Berechnung außen vor bleibt.
Nr. | Tätigkeit | Klassifizierung | Konventionell | Pick-by-Light-System |
---|---|---|---|---|
Zeit [s] | ||||
1 | Kommissionierliste vom EDV-Terminal anfordern und ausdrucken | B | 90 | |
2 | Gang zum Kommissionierwagen | B | 20 | |
3 | Kommissionierliste ablegen | B | 2 | |
4 | Erste Entnahmestelle lokalisieren | T | 6 | 6 |
5 | Zur Entnahmestelle bewegen | W | 40 | 40 |
6 | Lagerplatz lokalisieren | T | 15 | |
7 | Zum Lagerplatz bewegen | W | 10 | 10 |
8 | Artikel entnehmen | G | 2 | 2 |
9 | Artikel in Kommissionierbehälter legen | G | 3 | 3 |
10 | Artikel mit Kommissionierliste abgleichen und abhaken | T | 5 | |
11 | Nächste Entnahmestelle auf Kommissionierliste prüfen | T | 6 | 6 |
12 | Zur Entnahmestelle bewegen | W | 20 | 20 |
13 | Lagerplatz lokalisieren | T | 15 | |
14 | Zum Lagerplatz bewegen | W | 10 | 10 |
15 | Artikel entnehmen | G | 2 | 2 |
16 | Artikel in Kommissionierbehälter legen | G | 3 | 3 |
17 | Artikel mit Kommissionierliste abgleichen und abhaken | T | 5 | |
18 | Zur Abgabestelle bewegen | W | 30 | 30 |
19 | Behälter aufnehmen und am Abgabeort positionieren | B | 10 | 10 |
20 | Rückweg zum Terminal | B | 60 | |
21 | Kommissionierte Artikel im System buchen | B | 60 | |
Basiszeit | 142 | 10 | ||
Wegzeit | 110 | 110 | ||
Greifzeit | 10 | 10 | ||
Kommissionierzeit | 414 | 154 |
Aussagen zur Wirtschaftlichkeit einer digitalen Technologie
Mit Hilfe von Amortisationsrechnungen lassen sich Aussagen zum Zeitpunkt der Wirtschaftlichkeit der digitalen Technologie treffen. Hierbei kommt die dynamische Amortisationsrechnung zum Einsatz. Dabei gilt folgende Formel:
\begin{equation}
\text{Amortisationszeit} \approx t^* + \frac{\text{Kapitalwert}_{t^*}}{\text{Kapitalwert}_{t^*} – \text{Kapitalwert}_{t^*+1}}
\end{equation}
t^* ist die Zeitperiode, wann der Kapitalwert das letzte Mal negativ ist. \text{KW}_{t^*} gibt demnach den finanziellen Wert zu dem Zeitpunkt an, wenn der Kapitalwert das letzte Mal negativ ist bzw. \text{KW}_{t^*+1} wenn der Kapitalwert das erste Mal positiv ist. Zunächst muss demnach der Zeitpunkt und der Wert des negativen und positiven Kapitalwertes ermittelt werden, bei der dynamischen Amortisationsrechnung auch Barwerte der Nettozahlungen genannt. Die Nettozahlungen stellen hierbei die jährlichen Gewinne oder auch Rückflüsse dar, die sich bei Abzug von evtl. zusätzlich anfallenden Kosten, wie Wartung oder Stromverbrauch, aus dem Einsparergebnis ergeben. Der Barwert der Periode errechnet sich unter Berücksichtigung des kalkulatorischen Zinses mit entsprechender Formel:
\begin{equation}
\text{Barwert pro Jahr} = \frac{\text{Nettozahlung der Periode}}{\left(1+\text{kalkul. Zins}\right)^t}
\end{equation}
Die sich daraus ergebenden Barwerte der Einzelperioden werden von dem Investitionsvolumen kumuliert abgezogen. Sobald der kumulierte Barwert der Nettozahlungen positiv ist, lässt sich die Amortisationszeit ableiten und nach Formel (2) genau berechnen.[8]
In dem Berechnungsbeispiel wird davon ausgegangen, dass pro Jahr 50.000 Artikel kommissioniert werden müssen. Laut obiger Berechnung kann die Kommissionierzeit um 62,8 % gesenkt werden, wenn ein digitales Assistenzsystem zum Einsatz kommt. Hinzu kommt die Senkung der Fehlerquote um 5 %. Die Anschaffungskosten, welche sowohl Hard- und Software als auch Schulungskosten beinhalten, belaufen sich auf 30.000 €. Zusätzlich fallen für die Nutzung jährlich Strom- und Wartungskosten von 800 € an. Mit einem Stundenlohn von 18 € pro Stunde ergibt sich nach Anwendung folgender Berechnungsformeln
\begin{align}
\frac{\varnothing \text{Kommisionierzeit je Auftrag}}{\varnothing \text{Artikelanzahl je Auftrag}} \cdot \text{Artikelanzahl} \cdot \text{Einsparung} &= 671,61 \frac{\text{Stunden}}{\text{Jahr}}\\
\text{Kosteneinsparung pro Jahr} = 671,61 \frac{\text{Stunden}}{\text{Jahr}} \cdot 18 \frac{\text{€}}{\text{Stunde}} &= 12.089 \frac{\text{€}}{\text{Jahr}}
\end{align}
eine Kosteneinsparung von jährlich 12.089 €. Da die digitale Technologie jährliche Kosten für Strom und Wartung verursacht, müssen diese in der Amortisationsrechnung für die Rückflüsse ebenso berücksichtigt werden. Es ergibt sich daher ein jährlicher Rückfluss von 11.289 €.
Zeitpunkt | Nettozahlung [€] | Barwert der Nettozahlung [€] | Kummulierter Barwert der Nettozahlung [€] |
---|---|---|---|
0 | -30.000,00 | -30.000,00 | -30.000,00 |
1 | 11.289,00 | 10.960,19 | -19.039,81 |
2 | 11.289,00 | 10.640,97 | -8.398,84 |
3 | 11.289 | 10.640,97 | 1.932,19 |
Als kalkulatorischer Zins werden 3 % angenommen. In der Tabelle 3 sind die Barwerte jeder Periode, berechnet nach Formel (3), sowie die über die Zeit kumulierte Barwerte zusammengefasst.
Somit liegt die Amortisationszeit (\text{AZ}) zwischen zwei und drei Jahren. Genauer gesagt bei:
\begin{equation}
\text{AZ} \approx 2+\frac{-8.398,84}{-8.398,84 -1.932,19} = 2,81 \text{Jahren}
\end{equation}
Ob die Investition als sinnvoll erachtet werden kann, ist abhängig von den zu vergleichenden Parametern. Bei einer Nutzungsdauer von fünf Jahren beispielsweise, ist die Investition vorteilhaft. Hierbei sollten auch mögliche Handlungsalternativen in Betracht gezogen werden oder eine schrittweise Einführung, um Kennzahlen und Erfahrungen mit den Technologien zu sammeln. Die Ergebnisse zeigen auch, dass sich eine Investition in ein digitales Assistenzsystem für den Kommissionierprozess umso schneller amortisiert, je umfangreicher die Pick-Prozesse pro Tag sind.
Neben der berechneten Amortisationszeit können bspw. auch eine Gewinnvergleichsrechnung, die Ermittlung der Rentabilität (Return on Investment) sowie weitere Methoden aus der klassischen Investitionsrechnung zu Rate gezogen werden.[8]
Ausblick zu weiteren Entscheidungskriterien für eine Digitalisierungslösung
Neben der rein monetären Betrachtung einer Investition gibt es weitere Kriterien, welche in der Regel bei einem Entscheidungsprozess eine Rolle spielen und beachtet werden sollten. Dies ist insbesondere mit dem Hintergrund von Bedeutung, dass auf Grund der vielen Einflussfaktoren nicht immer der Nutzen einer Digitalisierungslösung exakt monetär bewertet werden kann. Damit erscheint gegebenenfalls auf den ersten Blick eine Investition für das Unternehmen nicht wirtschaftlich, obwohl sie es langfristig ist. In den meisten Fällen gibt es außerdem verschiedene Lösungsvarianten.
Im Beispiel des digitales Assistenzsystems für den Kommissionierprozess könnten auch Pick-by-Voice- oder Pick-by-Vision-Lösungen zur Auswahl stehen. Für einen Vergleich dieser eignet sich beispielsweise eine Nutzwertanalyse, um den zu erwartenden Nutzen besser abschätzen zu können. In diese können, neben den Ergebnissen der Investitionsrechnung, unter anderem auch die folgenden Aspekte einfließen[9],[10]:
- Erfüllung der Grundvoraussetzungen (u. a. Spezifikationen, Preis, Vorschriften, ethische Standards)
- Funktionaler Nutzen (u. a. Umsatzsteigerung, Kostensenkung, Produktqualität, Skalierbarkeit, Innovation)
- Geschäftsfreundlichkeit: beinhaltet die Zielstellung dem Käufer die Arbeit zu erleichtern (u. a. Vereinfachung, Risikosenkung, Flexibilität, Transparenz)
- Individueller Nutzen: hierbei werden subjektive Aspekte betrachtet (u. a. Ästhetik, Spannungsminderung, Reputationsauswirkungen)
- Inspirativer Nutzen: Beitrag zur Erreichung der Unternehmensvision (u. a. Beeinflussung der sozialen Verantwortung)
Die in den Vergleich einzubeziehenden Aspekte können je nach Unternehmen und Anwendungsfall variieren bzw. mit unterschiedlicher Bedeutung in die Nutzwertanalyse aufgenommen werden. Für letzteres erfolgt eine Gewichtung der einzelnen Kriterien (Summe 100 Prozent). Nachdem sowohl die Entscheidungsalternativen als auch die Bewertungskriterien sowie deren Gewichtung bestimmt wurden, kann der Vergleich durchgeführt werden. Hierfür bewerten bestenfalls mehrere Personen die Ausprägung der einzelnen Kriterien (Skala i.d.R. 1-10). Am Ende erfolgt eine Multiplikation der Gewichte mit den zugehörigen bewerteten Ausprägungen (zeilenweise für jedes Kriterium jeder Alternative) und schließlich die Addition aller Summen über alle Bewertungskriterien (je Spalte/Alternative). Damit erhalten Anwendende für jede Entscheidungsalternative einen Nutzwert und damit einen weiteren Anhaltspunkt für die Auswahl einer geeigneten Lösung. Bei der Bewertung durch mehrere Personen sind entsprechende Durchschnittswerte zu berechnen.[11]
Fazit
Digitalisierungstechnologien können einen Beitrag zu mehr Wirtschaftlichkeit leisten. Wie hoch dieser im Einzelfall ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Einerseits ist es zunächst wichtig zu wissen, wo ein Einsparpotenzial erschlossen werden kann. Dieses muss anschließend entsprechend quantifiziert werden. Trotz dessen lässt sich keine finale Aussage über die Wirtschaftlichkeit treffen. Auch wenn eine Tätigkeit über 50 % Verbesserungspotenzial aufweist, bedeutet das nicht, dass die Anschaffung wirtschaftlich ist. Letztlich spielen Faktoren wie beispielsweise Anschaffungskosten, Rückflüsse, Anlageoptionen und die Häufigkeit der Durchführung der Arbeitstätigkeit eine wichtige Rolle.
Es gilt jedoch zu beachten, dass die Entscheidung über die Anschaffung einer digitalen Technologie nicht alleine aus monetären Gesichtspunkten getroffen werden sollte. Unter anderem soziale oder arbeitsschutzrelevante Aspekte zur Entlastung oder Vereinfachung der Tätigkeit sollten ebenso in der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden.
Anmerkungen/Quellen
- Merhar, L.; Höllthaler, G.; Berger, C. (2019): Digitale Assistenzsysteme für die Produktion – von der Zielfindung bis zur Einbindung gemeinsam mit den Mitarbeitern. In: Bosse, C.K.; Zink, K.J. (Hrsg.): Arbeit 4.0 im Mittelstand – Chancen und Herausforderungen des digitalen Wandels für KMU. Springer-Verlag, Berlin.
- Reinhart G. et al. (2017): Der Mensch in der Produktion von Morgen. In: Reinhart, G. (Hrsg.): Handbuch Industrie 4.0 – Geschäftsmodelle, Prozesse, Technik. Carl Hanser Verlag, München.
- Bischoff, J. (Hrsg.) (2015): Erschließen der Potenziale der Anwendung von ‚Industrie 4.0‘ im Mittelstand. Agiplan, Mühlheim an der Ruhr.
- Luczak, H. (1993): Arbeitswissenschaft. Springer-Verlag. Berlin, Heidelberg.
- Hompel, M.; Schmidt, T. (2008): Warehouse Management: Organisation und Steuerung von Lager- und Kommissioniersystemen. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg.
- Heiserich, O.-E.; Helbig, K.; & Ullmann, W. (2011): Logistik. Eine Praxisorientierte Einführung (Bd. 4). Springer Fachmedien, Wiesbaden.
- REFA Bundesverband e.V. (2015): lndustrial Engineering – Standardmethoden zur Produktivitätssteigerung und Prozessoptimierung. Darmstadt.
- Götze, U. (2014): Investitionsrechnung. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg.
- Mengen, A.; Dietrich, L. (2020): Digitalisierung und Wirtschaftlichkeit. Wirtschaftlichkeitsbetrachtung digitaler B2B-Lösungen für Unternehmen, in: Wissenschaftliche Schriften des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften, Hochschule Koblenz – University of Applied Sciences, Nr. 31.
- Almquist et al. (2018): Was B2B-Produkte wertvoll macht. In: Harvard Business Manager, 07/2018, S. 46-55.
- Kühnapfel, J. B. (2021): Scoring und Nutzwertanalysen: Ein Leitfaden für die Praxis. Springer Fachmedien, Wiesbaden.