Ausgangssituation und Herausforderungen
Das signifikante Unternehmenswachstum in den letzten Jahren sowie die damit einhergehende Expansion der Belegschaft machen eine umfassende Optimierung der Fertigungsprozesse erforderlich. Insbesondere die bislang überwiegend manuell organisierten Produktionsabschnitte sollen durch den gezielten Einsatz elektronischer Datenverarbeitung (EDV) modernisiert werden. Ziel ist es, Produktionsdaten wie Start- und Endzeiten von Aufträgen automatisiert zu erfassen sowie Arbeitsanweisungen in digitalisierter Form bereitzustellen.
Die hohe Produktvarianz sowie die multinationale Zusammensetzung der Belegschaft stellen besondere Anforderungen an die Benutzerfreundlichkeit der Systeme. Arbeitsanweisungen und User Interfaces müssen intuitiv, sprachneutral oder sprachunterstützt sowie auf die wesentlichen Informationen fokussiert sein. Durch Reduktion der Komplexität und den gezielten Einsatz von visuellen Hilfsmitteln (wie Piktogramme oder Farbcodierungen) wird sichergestellt, dass Prozesse effizient, fehlerarm und standardisiert ablaufen.
Im Rahmen einer Pilotimplementierung an einer ausgewählten Fertigungslinie sollen die konzipierten Lösungen unter realen Bedingungen getestet und validiert werden. Der Fokus liegt dabei auf der Skalierbarkeit und Modularität der entwickelten Ansätze, um eine anschließende Ausweitung auf weitere Produktionslinien mit minimalem Anpassungsaufwand zu ermöglichen.
Vorgehen
Im Rahmen des Projekts wird ein digitales Assistenzsystem für Handarbeitsplätze entlang einer Pilotlinie entwickelt und eingeführt. Das Hauptziel besteht in der Ausstattung dieser Arbeitsplätze mit EDV-Geräten, auf denen auftragsspezifische digitale Arbeitsanweisungen dargestellt werden können. Daraus leiten sich mehrere zentrale Arbeitspakete ab:
Anforderungsanalyse und Hardwarebeschaffung
In einem ersten Schritt wird eine umfassende Anforderungsanalyse durchgeführt. Diese umfasst die technische Bewertung der Arbeitsumgebung sowie die Auswahl und Beschaffung geeigneter Hardwarekomponenten wie Industrie-Tablets, Touchpanels und RFID-Lesegeräte.
Mitarbeiter-Workshops
In Workshops mit den Mitarbeitenden werden die relevanten Informationen sowie deren Darstellungsformen erhoben. Ziel ist es, die Nutzerperspektive frühzeitig in die Systementwicklung einzubeziehen und damit eine hohe Akzeptanz sicherzustellen.
Nutzerinterface-Konzeption
Basierend auf den Workshopergebnissen erfolgt die Konzeption ergonomischer und sprachreduzierter Nutzerinterfaces. Besonderes Augenmerk liegt auf intuitiver Bedienbarkeit, visueller Klarheit und Unterstützung für multinationale Belegschaften.
Schnittstellendokumentation
Parallel werden die erforderlichen IT-Schnittstellen dokumentiert, um die Integration des Assistenzsystems in bestehende ERP- und MES-Strukturen zu gewährleisten.
Prototyping und Validierung
In iterativen Zyklen werden erste Prototypen entwickelt und gemeinsam mit den Mitarbeitenden getestet. Durch den agilen Projektansatz wird auf Änderungen und neue Anforderungen flexibel reagiert.
Die Digitalisierung der Arbeitsanweisungen trägt nicht nur zur Steigerung der Produktionseffizienz bei, sondern wirkt auch dem Fachkräftemangel entgegen. Durch die einfache, grafisch unterstützte Darstellung von Informationen werden auch neue, insbesondere ausländische Mitarbeitende schneller in die Arbeitsprozesse integriert. Besonders die Integration ukrainischer Kolleg:innen wird hierdurch erleichtert. Zur Umsetzung werden die Arbeitsplätze mit Touchbildschirmen und RFID-Lesegeräten ausgestattet. Auf Basis der RFID-Identifikation können auftragsbezogene Informationen automatisch geladen und angezeigt werden.
Nach einem initialen Kick-off in Osterfeld, bei dem die Rahmenbedingungen und Projektinhalte definiert wurden, erfolgte eine detaillierte Prozessaufnahme der Pilotlinie. Aufbauend auf den Erkenntnissen wurden erste Prototypen erstellt und in mehreren Iterationsschleifen kontinuierlich weiterentwickelt. Dank des agilen Projektmanagements konnten fehlende Details schrittweise ergänzt und neue Anforderungen flexibel integriert werden. Der finale Prototyp wurde erfolgreich in die bestehende IT-Infrastruktur eingebettet und befindet sich derzeit in der Mitarbeitertestphase.
Lösung
Im Rahmen des Projekts wurde erfolgreich ein modular aufgebautes digitales Assistenzsystem für die Handarbeitsplätze der Pilotlinie implementiert. Jeder Arbeitsplatz ist nun mit einem Touch-Bildschirm ausgestattet, das per Ethernet sicher in das Unternehmensnetzwerk integriert wurde, wie in Abbildung 1 dargestellt.

Ergänzend wurden RFID-Lesegeräte installiert, die eine eindeutige Identifikation von Aufträgen sowie Mitarbeitenden ermöglichen. Nach der Authentifizierung erhalten die Mitarbeitenden auf den Geräten auftrags- und personenbezogene digitale Arbeitsanweisungen, die über eine intuitive, visuell reduzierte Benutzeroberfläche dargestellt werden. Dies erleichtert insbesondere Mitarbeitenden mit begrenzten Sprachkenntnissen den Zugang zu den relevanten Informationen.
Zur schnellen Initialisierung der Arbeitsaufträge wurde eine Middleware entwickelt und erfolgreich produktiv gesetzt. Diese vermittelt zuverlässig zwischen dem ERP-System und den Endgeräten, stellt aktuelle Auftragsdaten bereit und ermöglicht die durchgängige Rückmeldung von Bearbeitungszeiten und Fehlercodes an die zentrale Systemlandschaft. Die schematische Systemarchitektur ist in Abbildung 2 dargestellt.

Die Benutzeroberfläche des Assistenzsystems ist responsiv gestaltet und passt sich dynamisch an verschiedene Auftragsarten an. Durch die Integration von Piktogrammen konnte die Verständlichkeit komplexer Arbeitsinhalte nochmals signifikant erhöht werden.
Das System ermöglicht ein kontinuierliches Echtzeit-Monitoring der Fertigungsprozesse. Abweichungen und Fehler werden sofort erkannt und an die entsprechenden Stellen gemeldet, was ein schnelles Eingreifen und eine Reduzierung von Ausschuss und Ressourcenverschwendung ermöglicht. Eine umfassende Reporting-Funktionalität liefert zudem transparente Auswertungen zu KPIs wie Bearbeitungszeiten, Fehlerraten und Energieverbrauch.
Der Roll-out erfolgte gemäß der initialen Planung: Nach der erfolgreichen Erprobung und Validierung an der Pilotlinie soll das System nun auf weitere Fertigungslinien ausgeweitet werden. Die Einführung des digitalen Assistenzsystems hat maßgeblich zur Effizienzsteigerung in der Produktion beigetragen, die Integration internationaler Mitarbeitender erheblich erleichtert und den Papierverbrauch signifikant reduziert. Insgesamt wurde ein nachhaltiger Beitrag zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit und Zukunftsfähigkeit des Unternehmens geleistet.