Durch die digitale Vernetzung und Kommunikation sowie der Möglichkeit zur Telearbeit können viele Tätigkeiten unabhängig von starren Arbeitszeiten ausgeübt werden. Nachfolgend erfahren Sie:
- welche Chancen und Risiken flexible Arbeitszeiten bieten, welche physiologischen und rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Arbeitszeitgestaltung zu beachten sind und
- welche Chancen und Risiken mit ausgewählten Instrumenten der Arbeitszeitflexibilisierung verbunden sind.
Chancen und Risiken flexibler Arbeitszeit
Flexible Arbeitszeiten bieten Unternehmen die Chance, die Betriebszeiten stärker auf den tatsächlichen Arbeitsanfall auszurichten. Sowohl Zeiten von Unterauslastung als auch teuer bezahlte Überstunden können so vermieden werden. Im Gegenzug stellen flexible Arbeitszeiten jedoch auch höhere Anforderungen an die Koordination, Führung und Abrechnung.
Für Mitarbeiter ergeben sich Chancen für eine erhöhte individuelle Zeitsouveränität, die zu einer Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Privatem beitragen kann. Fließende Übergänge zwischen Arbeitszeit und Freizeit sowie eine tatsächliche oder empfundene ständige Erreich- und Verfügbarkeit können jedoch auch zu einer zusätzlichen Belastung für die Mitarbeiter werden.
Mensch und Arbeitszeit
Menschen sind biologisch auf einen Wechsel zwischen Anspannung und Erholung ausgerichtet. Zwar ermüdet und erholt sich jeder Mensch individuell etwas anders, aber prinzipiell können wir unseren Erholungs- und insbesondere unseren Schlafbedarf weder durch willentliche Anstrengung noch durch Training oder Gewöhnung beliebig beeinflussen. Daher muss bei der Arbeitszeitgestaltung die Physiologie des Menschen berücksichtigt werden:
Arbeitsdauer
Bei einer Arbeitszeit über acht Stunden steigt die Ermüdung des Menschen stark an. Daraus entstehen erhöhte Risiken für die Arbeitssicherheit (vgl. Abbildung 1) und die Arbeitsqualität. Sammeln sich über mehrere Tage größere Erholungsdefizite an, steigen zudem gesundheitliche Risiken für Magen- und Darm-, Herz-Kreislauf-, psychovegetative und andere Beschwerden. Nicht zuletzt leiden familiäre und andere soziale Beziehungen unter überlangen Arbeitszeiten. Innerhalb der Arbeitszeit sind, zusätzlich zu den Ruhepausen, mehrere kurze Erholzeiten von wenigen Minuten zu empfehlen. Sie beugen einer starken Ansammlung von Ermüdung über den Arbeitstag vor und sichern so eine annähernd gleichbleibende Leistungsfähigkeit sowie eine rasche Erholung nach Arbeitsende.
Lage der Arbeitszeit
Gesundheit, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit hängen maßgeblich davon ab, wie wir unsere Aktivitäten mit unserem Schlaf-Wach-Rhythmus in Übereinklang bringen. Der Schlaf- Wach-Rhythmus des Menschen wird sowohl von einer willkürlich nicht beeinflussbaren »inneren Uhr« als auch von relativ fixen externen Zeitgebern (z. B. Sonnenlicht, Mahlzeiten) gesteuert. Dauerhafte Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus können zu chronischer Erschöpfung, verringerter Leistungsfähigkeit, Herz-Kreislauf- und weiteren Erkrankungen führen. Die meisten Menschen benötigen zwischen ca. sechs und acht Stunden Schlaf, schlafen zwischen ca. 23 und 1 Uhr ein und wachen zwischen ca. 7 und 9 Uhr auf. Extreme Schlaftypen, die sehr wenig schlafen, sehr früh aufwachen oder sehr spät einschlafen, sind (gemessen an der Gesamtbevölkerung) eher selten [2]. Das heißt, es gibt einzelne Menschen, die mit außergewöhnlichen Arbeitszeitlagen (z. B. Dauernachtschichten) gut zurechtkommen. Sie können jedoch nicht erwarten, dass Sie genau diese Menschen in Ihrem Unternehmen finden.
Schlaf ist übrigens keine unproduktive Zeit: Während des Schlafs werden neu erworbene bzw. wieder erinnerte Gedächtnisinhalte mit anderen im Langzeitgedächtnis gespeicherten Inhalten (neu) verknüpft. Auf diese Weise wird Wissen organisiert, Kompetenzen werden entwickelt, Problemlösungen und Ideen entstehen.
Zum Schluss noch ein Wort zur Vereinbarkeit von Arbeitszeit und Privatem: Flexible Arbeitszeiten können dazu beitragen, auf die individuelle Lebensgestaltung und plötzlich auftretende private Herausforderungen zu reagieren. Dafür ist jedoch die Vorhersehbarkeit und Verlässlichkeit von Arbeitszeiten im Alltag sehr wichtig (z. B. bei der Kinderbetreuung oder Pflege sowie bei bürgerschaftlichen, sportlichen oder kulturellen Engagement). Konflikte zwischen (Änderungen) der Arbeitszeit und solchen sozialen Rhythmen können zu psychischen bzw. psychosozialen Belastungen führen.
Arbeitszeitrecht
Grundsätzlich beträgt die werktägliche Arbeitszeit maximal acht Stunden, § 3 S. 1 Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Sie kann unter der Voraussetzung, dass die durchschnittliche werktägliche Arbeitszeit über sechs Monate nicht mehr als acht Stunden (48 Stunden pro Woche)[3] beträgt, auf bis zu zehn Stunden pro Tag verlängert werden, § 3 S. 2 ArbZG. Zudem sind feststehende Ruhepausen (Unterbrechung der werktäglichen Arbeitszeit) entsprechend § 4 ArbZG zu beachten: Es ist eine Ruhepause von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit zwischen 6 und 9 Stunden und eine Ruhepause von mindestens 45 Minuten im Falle einer Arbeitszeit von mehr als 9 Stunden vorzunehmen, § 4 S. 1 ArbZG. Die Ruhepause hat frei von jeglicher Arbeit und dem Bereithalten zur Arbeit zu sein[4]. Zudem ist eine Ruhezeit von mindestens elf Stunden zwischen zwei aufeinanderfolgenden Arbeitstagen einzuhalten, § 5 Abs. 1 ArbZG. Wird die Ruhezeit aufgrund einer kurzfristigen Arbeitsleistung unterbrochen, so beginnt die elfstündige Ruhezeit erneut von vorn[5]. Von den vorgenannten Zeitvorgaben sieht das Gesetz zum Teil Abweichungen vor, beispielsweise bezüglich der Ruhezeiten für Krankenhäuser, § 5 Abs. 2 ArbZG. Ebenso gelten für Nachtarbeitnehmer[6] spezielle Regelungen. So darf beispielsweise die durchschnittliche Arbeitszeit innerhalb von vier Wochen (anstatt von sechs Monaten) nicht höher als acht Stunden liegen (da Nachtarbeit eine erhöhte Belastung für die Gesundheit darstellt). Darüber hinaus sind gemäß § 7 ArbZG abweichende Regelungen in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen möglich, insbesondere wenn in erheblichem Umfang Bereitschaftsdienst geleistet wird. Für Sonn- und Feiertage gilt ein explizites Arbeitsverbot, § 9 ArbZG, von dem bekanntermaßen ebenfalls Ausnahmen zulässig sind.
§ 16 Abs. 1 ArbZG. Zudem besteht die Pflicht seitens des Arbeitgebers, die über die Arbeitszeit von acht Stunden) entsprechend § 3 Abs. 1 ArbZG hinausgehende Mehrarbeit aufzuzeichnen (jedoch ohne Vorgaben für die Art und Weise der Aufzeichnung), § 16 Abs. 2 ArbZG.
Mit der sich verändernden Arbeitswelt können hinsichtlich der arbeitszeitrechtlichen Vorgaben neue Fragestellungen aufkommen. Beispielsweise können Konflikte zwischen der eigenverantwortlichen Arbeitszeiteinteilung der Arbeitnehmer und dem darauf basierenden Kontrollverlust des Arbeitgebers entstehen. Auch wird eine zunehmende Differenzierung und Abgrenzung zwischen Arbeitszeit und Freizeit schwieriger.
Instrumente der Arbeitszeitflexibilisierung
Bekannte Instrumente wie Gleitzeit und Funktionszeit flexibilisieren besonders die Lage der Arbeitszeit (z. B. in einem Gleitzeitkorridor). Vor allem Funktionszeit hilft Unternehmen die Betriebszeiten über den Acht- Stunden-Tag hinaus abzusichern – etwa indem Mitarbeiter einer Abteilung in Eigenregie die Arbeitsfähigkeit während einer bestimmten Zeitspanne gewährleisten müssen. Im Gegenzug gewinnen die Mitarbeiter bei Gleitzeit und eingeschränkt auch bei Funktionszeit eine gewisse zeitliche Souveränität (z. B. Anpassen des Arbeitsbeginns an die Verkehrssituation). Letztlich steuert Gleit- und Funktionszeit aber vor allem die Anwesenheit, die innerhalb einer meist kurzen Periode mit der vertraglichen Arbeitszeit in Einklang zu bringen ist (vgl. Zeitkonten).
Andere Instrumente orientieren sich stärker am tatsächlichen Arbeitsanfall und variieren auch die Arbeitsdauer (vgl. Abbildung 2). Bei Wahlarbeitszeit und Abrufarbeit ist die veränderliche Arbeitsdauer mit einer Schwankung des Entgelts gekoppelt. Deshalb sind diese Instrumente aus Sicht der Mitarbeiter häufig nur in bestimmten Lebensphasen oder im Falle von Zuverdienst-Tätigkeiten geeignet. Instrumente wie Vertrauensarbeitszeit und Zeitwertkonten sind explizit darauf ausgerichtet, das (Grund-)Entgelt der Mitarbeiter konstant zu halten. Die einzelnen Instrumente werden nachfolgend detaillierter vorgestellt.
Wahlarbeitszeit
Bei Wahlarbeitszeit kann der Mitarbeiter die Vertragsarbeitszeit innerhalb eines bestimmten Korridors (z. B. 34 bis 42 Stunden pro Woche) in Abstimmung mit der Führungskraft und dem Team verändern. Er hat dabei die Möglichkeit, unter Wahrung einer Ankündigungsfrist oder bestimmter Termine, zur bisher vereinbarten Arbeitszeit zurückzukehren. Bei einer kurz gewählten Arbeitszeit gewinnt der Mitarbeiter freie Zeit, das Einkommen wird jedoch geringer. Bei einer höher gewählten Arbeitszeit steigt entweder das Einkommen oder er kann die zusätzlich geleisteten Stunden z. B. auf ein Zeitwertkonto (s. u.) gutschreiben lassen.
Vorteile und Chancen
- Mittelfristige Kapazitätsanpassung z. B. an saisonale Schwankungen, zeitlich befristete Projekte, Änderungen des Schicht-Regimes) ohne Änderung des Arbeitsvertrags.
- Vereinbarkeit von Beruf und Privatem.
Nachteile und Risiken
- Aufwand für Kapazitätsplanung, Lohnbuchhaltung etc.
- Streitpotenzial bei unterschiedlichen Vorstellungen von Mitarbeiter, Führungskraft und Team.
Bereitschaftsdienst, Arbeits- und Rufbereitschaft
Während eines Bereitschaftsdienstes hält sich der Mitarbeiter an einer vorbestimmten Stelle im oder außerhalb des Betriebes auf, um seine Arbeitstätigkeit auf Anforderung sofort oder bald in vollem Umfang aufnehmen zu können. Bereitschaftsdienst kommt zum Beispiel für Servicetechniker und IT-Administratoren in Frage, die bei Störungen von Betriebsmitteln sofort einsatzbereit sein müssen. Durch die neuen digitalen Möglichkeiten (z. B. View Sharing, Fernwartung) können Bereitschaftsdienste künftig möglicherweise vermehrt auch von zu Hause agieren.
Vom Bereitschaftsdienst zu unterscheiden ist die Arbeitsbereitschaft. Dabei ist der Mitarbeiter nicht mit voller Anspannung tätig aber mit »wacher Aufmerksamkeit« am Arbeitsplatz anwesend und bereit, seine Tätigkeit sofort und ohne Fremdaufforderung aufzunehmen bzw. in den Arbeitsprozess einzugreifen. Im weiteren Sinne zählen auch sogenannte Stand-by-Dienste als Arbeitsbereitschaft: Beim Stand-by-Dienst halten sich Beschäftigte in einem bestimmten, kurzen Zeitfenstern – typischerweise eine Stunde zu Arbeits- oder Schichtbeginn – zu Hause bereit. Im Bedarfsfall (z. B. bei Krankheit anderer Mitarbeiter) treten sie auf Abruf unverzüglich den Weg in den Betrieb an, um dort ihrer Tätigkeit im üblichen Zeitumfang nachzukommen.
Bei Rufbereitschaft muss der Mitarbeiter für den Betrieb erreichbar sein, kann sich aber an einem selbst gewählten Ort aufhalten und selbst gewählten Aktivitäten nachgehen. Die Entfernung zur Arbeitsstelle und die Art der Aktivitäten müssen aber zulassen, dass der Mitarbeiter im Nachgelesen »Flexible Arbeitszeit« Bedarfsfall den Arbeitsort in einer vorgegebenen Zeit erreicht und seine Arbeitskraft in vollem Umfang einsetzen kann. Der Abruf erfolgt zu einem zufälligen Zeitpunkt (z. B. bei einer Störung). Die Dauer des Einsatzes ist in der Regel kürzer als die übliche tägliche Arbeitszeit. Wird der Mitarbeiter während der Rufbereitschaft nicht zur Arbeit gerufen, gilt diese Zeit nicht als Arbeitszeit und wird als Ruhezeit anerkannt. Im Einsatzfall gilt die Wege- und Einsatzzeit als Arbeitszeit. Innerhalb eines Arbeitstages ist die gesetzliche oder im Tarifvertrag geregelte ununterbrochene Ruhezeit zu gewährleisten. Sie kann jedoch von den gesetzlich vorgegebenen elf Stunden (§ 5 Abs. 1 ArbZG) abweichen, solange der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer gewahrt bleibt. Rufbereitschaft ist nur dann geeignet, wenn die Arbeitsaufgabe auch mit einem gewissen zeitlichen Verzug erledigt werden kann.
Alternativ kann mit dem Mitarbeiter eine Herbeiruf-Regelung getroffen werden: In diesem Fall tragen sich die Mitarbeiter freiwillig unter Angabe ihrer Erreichbarkeit in eine Herbeirufliste ein. Damit erklären sie sich einverstanden, im Bedarfsfall vom Betrieb kontaktiert zu werden. Die Erreichbarkeit ist aber nicht garantiert und auch die tatsächliche Arbeitsaufnahme im Fall des Herbeirufs bleibt freiwillig. Eine Herbeiruf- Regelung ist von dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer individuell zu vereinbaren und unterliegt keinen besonderen gesetzlichen Bestimmungen, da das Arbeitsrecht kein »Herbeirufen« kennt.
Die Verpflichtung zum Bereitschaftsdienst oder zur Rufbereitschaft sowie die Vergütung dieser Dienste bedürfen einer Regelung im Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder im Tarifvertrag. Rufbereitschaft wird in der Regel geringer vergütet als Bereitschaftsdienst. Einsatzzeiten werden meist als reguläre Arbeitszeit oder – vor allem bei Rufbereitschaft – als Überstunden vergütet.
Vorteile und Chancen
- Bereitschaftsdienst kann dazu beitragen, dass unverzüglich benötigte Kräfte (z. B. Instandhalter, IT-Administratoren) für Bedarfsfälle vermehrt/verstärkt arbeitstäglich verfügbar sind. Das reine Bereithalten kann geringer als die Einsatzzeit vergütet werden.
- Bereitschaftsdienst kann dazu beitragen, die arbeitstägliche Verfügbarkeit für Bedarfsfälle (z. B. zur Störungsbeseitigung) unverzüglich benötigter Kräfte (z. B. Instandhalter, IT-Administratoren) zeitlich auszudehnen. Das reine Bereithalten kann geringer als die Einsatzzeit vergütet werden.
- Arbeitsbereitschaft und insbesondere Stand-by-Dienste können dabei unterstützen, bedarfsgerechte Vertretungen (z. B. im Krankheitsfall) sicherzustellen.
- Rufbereitschaft trägt dazu bei, die Verfügbarkeit für Bedarfsfälle (z. B. zur Störungsbeseitigung) innerhalb einer definierten, jedoch etwas längeren Reaktionszeit benötigter Kräfte (z. B. Instandhalter, IT-Administratoren) zu sichern. Das reine Bereithalten zählt nicht als Arbeitszeit.
- Rufbereitschaft ist häufig besser mit Familie und Privatem vereinbar als Schichtarbeit oder Bereitschaftsdienst.
Nachteile und Risiken
- Bereitschaftsdienst und Arbeitsbereitschaft erfordern in der Regel allein für das Bereithalten der Arbeitskraft eine Vergütung, ohne dass zwingend eine Leistung erbracht wird.
- Bereitschaftsdienst und Arbeitsbereitschaft sind der Arbeitszeit zuzuordnen und daher bei der Gewährung von Ruhezeiten voll zu berücksichtigen.
- Bereitschaftsdienst birgt die Gefahr, dass Unter- oder Überkapazitäten verschleiert werden und notwendige Anpassungen der Arbeitsorganisation unterbleiben.
- Rufbereitschaft wirken sich mit hoher Wahrscheinlichkeit negativ auf die Erholung der Mitarbeiter aus.
Abruf
Während bei den verschiedenen Formen der Bereitschaft vorrangig auf nicht vorhersehbare Störungen regiert wird, ist bei Abrufarbeit (§ 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz) die Dauer, Lage und Verteilung der Arbeitszeit von einem zumindest kurzfristig absehbar schwankenden Arbeitsaufkommen abhängig: Der Mitarbeiter wird nur dann tätig, wenn der Betrieb ihn auf Grund vorhandener Aufgaben dazu auffordert. Der Arbeitseinsatz muss dabei wenigstens vier Tage im Voraus mitgeteilt werden, anderenfalls ist der Mitarbeiter nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet. Außerdem muss dem Mitarbeiter eine wöchentliche Mindestarbeitszeit zugesichert werden. Diese ist auch dann zu vergüten, wenn der Betrieb für den Mitarbeiter keine Einsatzmöglichkeit anbietet.
vorteile und Chancen
- Kapazität kann an betriebliche Bedarfe angepasst werden.
- Bei guter Ankündigungspraxis und Eingrenzung von Lage und Verteilung der Arbeit ist auch eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Privatem möglich (z. B. als Zuverdienst-Job oder als flexible Form von Teilzeit).
Nachteile und Risiken
- Unterhalb der Vier-Tages-Ankündigungsfrist ist keine zuverlässige Verfügbarkeit der Mitarbeiter gegeben.
- Auf Grund des schwankenden Einkommens und der geringen Vorhersehbarkeit der Einsatzzeiten dürfte Abrufarbeit für Haupterwerb weniger attraktiv sein.
Vertrauensarbeitszeit
Bei Vertrauensarbeitszeit steuert der Mitarbeiter in Abstimmung mit der Führungskraft und dem Team selbst die Lage und die Verteilung der Arbeitszeit in Abhängigkeit von der zu erfüllenden Arbeitsaufgabe. Die Dauer der vertraglichen Arbeitszeit bleibt unangetastet. Grundlage für Vertrauensarbeitszeit sind das Führen mit Zielvereinbarungen bzw. abgrenzbare Arbeitsaufträge und eine hohe Selbstmanagementkompetenz des Mitarbeiters.
Vorteile und Chancen
- Passgenaue Einsatzzeiten, da die Mitarbeiter die Arbeitszeit entsprechend der Arbeitsaufgabe selbst verteilen.
- Entlastung der Führungskräfte, da die Mitarbeiter prinzipiell auch den Zeitausgleich verantworten, wird Mehrarbeitszeit vermieden.
- Geringer Verwaltungsaufwand, da Zeiterfassung entfällt oder minimiert wird.
- Möglichkeiten, Beruf und Privates durch angemessene Arbeitszeitverteilung zu vereinbaren.
Nachteile und Risiken
- Gefahr der Leistungsminderung oder gesundheitlicher Beschwerden, wenn dauerhaft Pausen und Ruhezeiten nicht eingehalten werden.
- Akzeptanzprobleme, wenn Mitarbeiter die Ausweitung von Arbeitszeiten befürchten.
- Gefahr des Missbrauchs, wenn Ergebnis-Aufwand-Relation manipuliert wird.
Handlungsempfehlungen
- Vor dem Einführen von Vertrauensarbeitszeit sollte das Führen mit Zielvereinbarung und / oder durch Vergabe von vollständigen Arbeitsaufgaben etabliert sein. Anerkennung, Entgelt und beruflicher Aufstieg müssen von den Arbeitsergebnissen und nicht von der Anwesenheitszeit abhängen.
- Die Führungskraft sollte (erst) bei dauerhafter Über- oder Unterbe lastung von Mitarbeitern intervenieren (Maßnahmen zur Effizienzsteigerung, Reorganisation der Arbeitsteilung, Kapazitätsanpassung). Ein Ansprechpartner (z. B. 9 | Nachgelesen »Flexible Arbeitszeit« in der Personalabteilung) sollte bei Diskrepanzen zwischen Führungskraft und Mitarbeiter vermitteln können.
- Parallel zur Vertrauensarbeitszeit ist eine Arbeitszeitselbsterfassung einzuführen, um die Aufzeichnungspflichten des Arbeitgebers zu erfüllen. In der Regel genügt es, die Arbeitszeit zu erfassen, die über die tägliche Regelarbeitszeit hinausgeht.
- Vertrauensarbeitszeit birgt ein großes Potenzial für eine stärkere Eigenverantwortung der Mitarbeiter für das Arbeitsergebnis und die eigene Zeitsouveränität bei gleichzeitiger Entbürokratisierung der Arbeitszeiterfassung. Vertrauensarbeitszeit ist damit vermutlich für digital gestützte Wissensarbeit am besten geeignet. Sie lässt sich mit Telearbeit kombinieren. Wird Vertrauensarbeitszeit vereinbart, entlastet dies den Arbeitgeber jedoch nicht von der Gewährleistungspflicht, dass der Arbeitnehmer die arbeitsrechtlichen Zeitvorgaben beachtet. Er darf die Gestaltung der Arbeitsund Freizeiten nicht gänzlich auf die Eigenverantwortung des Arbeitnehmers ablegen, sondern hat Arbeitszeiten, die den gesetzlichen Bestimmungen widersprechen zu verbieten und darf sie ebenso wenig dulden[7].
Zeitkonten
Herkömmliche Zeitkonten dienen dazu, kurzfristige Schwankungen der Arbeitszeit in Eigenverantwortung der Mitarbeiter und der direkt zuständigen Führungskraft innerhalb einer überschaubaren Periode auszugleichen. Bei Vertrauensarbeitszeit kann, aber muss nicht, auf ein solches Zeitkonto verzichtet werden.
Zeitkonten sind in der Regel aus Gründen der Insolvenzsicherung (vgl. Zeitwertkonten) auf ein bestimmtes Zeitsaldo begrenzt und werden gern als Ampelkonten geführt. Ampelkonten verfügen über zwei bzw. drei Bereiche (z. B. Grünphase ± 20 Stunden, Gelbphase ± 20 bis ± 40 Stunden, Rotphase ab ± 40 Stunden). Abweichungen im grünen Bereich werden individuell und eigenverantwortlich vom Mitarbeiter in Absprache mit der Führungskraft reguliert. Beim Übergang in den gelben Bereich ist der übergeordnete Vorgesetzte einzubeziehen und der weitere Aufbau von Zeitguthaben bzw. -schulden ist nur bei schriftlicher Rückführungsvereinbarung zulässig. Zeitsalden im roten Bereich sind nur ausnahmsweise möglich; Geschäftsleitung und ggf. Betriebsrat sind dazu zu konsultieren.
Vorteile und Chancen
- gute Anpassung an kurzfristige Schwankungen der Kapazitätsbedarfe
Nachteile und Risiken
- Im Vergleich zur reinen Vertrauensarbeitszeit ohne Arbeitszeitkonto besteht die Gefahr der Anwesenheits- statt Ergebnisorientierung (ggf. Missbrauch durch »Herausarbeiten« von freien Tagen).
- administrativer Aufwand für die Zeiterfassung und Kontoführung
Zeitwertkonten
Zeitwertkonten wandeln Zeitguthaben in Geldwerte und sind gegen Insolvenz zu sichern. Die Geldwerte können dazu eingesetzt werden, in bestimmten Lebensphasen eine bezahlte vollständige oder teilweise Freistellung zu erhalten (z. B. Sabbatical oder Teilzeit als Übergang in den Ruhestand). Rechtlich ist nicht zufriedenstellend geklärt, wie Zeitguthaben bei einem möglichen Arbeitgeberwechsel zuverlässig übertragen werden können. Zeitwertkonten nutzen nur zwei Prozent aller deutschen Betriebe; in Betrieben mit 500 und mehr Beschäftigten liegt der Anteil bei dreizehn Prozent[8].
Vorteile und Chancen
- Verstetigung des Einkommens bei lebensphasenbezogen schwankender Arbeitszeit bzw. Freistellung.
- Dämpfung nachteiliger Effekte bei Lohnsteuer und Sozialversicherung.
Nachteile und Risiken
- Aufwand für Verwaltung und Insolvenzsicherung.
- Nutzung der Zeitguthaben ist nicht für Kapazitätsanpassungen vorgesehen.
- Rechtliche Risiken bzgl. der Übertragbarkeit bei Arbeitgeberwechsel.
Handlungsempfehlungen
- Anhand der Zielsetzung des Kontos (Langzeiturlaub bzw. Weiterbildungs- Sabbatical, zeitweilige Teilzeitarbeit bei gleichem Entgelt, früherer oder gleitender Übergang in den Ruhestand) ist zu prüfen, ob Aufwand und Nutzen der Zeitwertkonten für Betrieb und Mitarbeiter lohnen.
- Bedarfsgerechte Begrenzung des Kontos im Plusbereich vorsehen.
- Insolvenzsicherung abschließen bzw. Zeitwertkonto bei Finanz-/ Versicherungsinstitut führen lassen.
- Zufuhr und Entnahme von Zeitguthaben einvernehmlich regeln (z. B. in welchen betrieblichen Situationen darf Zeitguthaben durch Mehrarbeit aufgebaut werden).
Autor:innen: Isabell Grundmann, Thomas Löffler & Kathrin Nitsche
Anmerkungen
Quellen und weiterführende Literatur
- Ist ihr Unternehmen bereit für Telearbeit? Machen Sie den Fachcheck Homeoffice
- Nachreiner, F. (2015): Risikofaktor Arbeitszeit. Forum Prävention der AUVA. Wien, 21.05.2016.
- Roenneberg, T.; Kuehnle, T.; Juda, M.; Kantermann, T.; Allebrandt, K.; Gordijn, M.; Merrow, M. (2007): »Epidemiology of the human circadian clock«. Sleep Medicine Reviews. 11 (6): 429–38.
- Das ArbZG geht von einer 6-Tage-Arbeitswoche aus, vgl. dazu Kock, ArbZG § 3 A., in: Rolfs/Giesen u.a. (Hrsg.), Beck’sche Online-Kommentar Arbeitsrecht, Rn. 1.
- Kock, ArbZG § 4 A., in: Rolfs/Giesen u.a. (Hrsg.), Beck’sche Online-Kommentar Arbeitsrecht, Rn. 1.
- Kock, ArbZG § 5 A., in: Rolfs/Giesen u.a. (Hrsg.), Beck’sche Online-Kommentar Arbeitsrecht, Rn. 7.
- Nachtarbeit liegt vor, wenn mindestens zwei Arbeitsstunden zwischen 23 und 6 Uhr gearbeitet wird. Als Nachtarbeitnehmer gilt, wer Nachtarbeit in Wechselschicht oder mindestens 48 Tage Nachtarbeit im Jahr leistet.
- Wiebauer, Arbeitsschutz und Digitalisierung, NZA 2016, S. 1433 f.
- Deutscher Bundestag (2012): Bericht der Bundesregierung über die Auswirkungen des Gesetzes zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen und zur Änderung anderer Gesetze. Drucksache 17 / 8991, Bundesanzeiger, Köln.