Das aktuell turbulente Marktumfeld stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Preisanstiege und unsichere Liefertermine in allen Bereichen infolge der gestörten Lieferketten und Inflation erschweren die kostenwirksame Produktion enorm. Zusätzlich steigende Energiekosten und die unklare Versorgungslage sind ein weiterer Unsicherheitsfaktor. Unternehmen sollten sich daher bereits mit Maßnahmen beschäftigen, um Energie einzusparen und somit die Kosten zu begrenzen. Dies geschieht an vielen Stellen aber noch nicht in ausreichendem Maße. Gründe hierfür sind u. a. fehlendes technisches Know‑how für eine Entscheidungsfindung, oder der zu niedrige Stromkostenanteil an den Gesamtkosten. Dadurch entsteht kein unmittelbarer Handlungsdruck und das Risiko eines Anstiegs von Energiepreisen wird zu gering eingeschätzt[1]. Nachfolgend zeigen wir Bestandteile und Methoden einer ganzheitlichen Analyse und Bewertung auf, sodass Unternehmen diese für sich selbst oder mit passenden Partnern ausgestalten können.
In diesem Nachgelesen erfahren Sie,
- welche Maßnahmen und Ansätze Unternehmen ergreifen können, um Energiekosten zu reduzieren,
- wie Sie bei der Auswahl der Maßnahmen vorgehen können und
- wie Sie die Maßnahmen bewerten.
Der Fokus liegt dabei auf dem methodischen Ansatz, wie energetische Hot Spots in Unternehmen identifiziert und welche Maßnahmen ergriffen und bewertet werden können. Dies umfasst eine Übersicht an Stellhebeln für Energieeffizienz und ‑flexibilitätsmaßnahmen, beeinflussbarer Technologien sowie Richtlinien zur ganzheitlichen, kostenseitigen Bewertung der Maßnahmen über deren Lebensdauer. Beachten Sie, dass individuelle Lösungen eine Analysephase des Unternehmens sowie Wissen über Energiedaten und ‑verbräuche eine essenzielle Voraussetzung darstellen, um valide Entscheidungen treffen zu können.
Maßnahmen, um Stromkosten zu senken
Energieeffizienz beschreibt die optimierte Form der Strombereitstellung, ‑wandlung und ‑nutzung in Unternehmen. Eine technische Messgröße für produzierende Unternehmen kann hier der reduzierte Energieverbrauch für eine identische Menge an Produkten sein. Dies kann durch reduzierte Einschaltzeit oder Energieeinsatz erreicht werden. Ein einfacher Ansatz für die sofortige Reduzierung kann die Reduzierung unproduktiver Einschaltzeiten sein[2]. Maßnahmen aus diesem Bereich sind eher langfristig ausgelegt und werden daher oftmals einmalig umgesetzt.
Energieflexibilität ist eine weitere Möglichkeit zur Senkung von Energiekosten, die aber nicht direkt die benötigten Strommengen reduziert. Hier werden vornehmlich optimierte Einschaltzeiten in Abhängigkeit von Stromkosten und ‑bereitstellung ausgenutzt. Durch eingeplante Lastwechsel von Anlagen und Prozessen können beispielsweise Lastspitzen reduziert werden oder im Falle von flexiblen Energietarifen auch niedrige Energiepreise an der Börse ausgenutzt werden. Zeiten niedriger Preise begünstigen eine erhöhte Stromentnahme aus dem Netz, Zeiten hoher Energiepreise reduzieren entsprechend die Entnahme aus dem Netz. Maßnahmen aus dieser Dimension sind im Gegensatz zu Energieeffizienzmaßnahmen i. d. R. mehrmalig ausführbar, bspw. immer, wenn die Voraussetzungen am Energiemarkt gegeben sind. Tabelle 1 beinhaltet eine Übersicht an möglichen Maßnahmen aus beiden Bereichen.
Energieeffizienz | Energieflexibilität |
---|---|
Abschaltung nicht benötigter Maschinen | Anpassen der Maschinenbelegung |
Substituierung von Technologien | Anpassen der Auftragsreihenfolge |
Vermeidung von Überdimensionierung | Anpassen von Prozessparametern |
Optimierung des Wirkungsgrades | Speicherung von Energie |
Reduzieren von Verlusten | Erhöhung der Kapazität |
Integration von Prozessen | Anpassen von Prozessstarts (kurzfristig) |
Optimierter Produktionsablauf und Fertigungsplanung | Anpassen von Prozessstarts (mittelfristig) |
Warten und Ersetzen von Verschleißkomponenten | Anpassen von Pausenzeiten |
Rückgewinnung von Energie | Anpassen von Schichtzeiten |
Anpassung des Produktdesign | Unterbrechen von Prozessen |
Produktionsverzicht |
Auswahl von Maßnahmen
Der erste Schritt zur Maßnahmenauswahl ist die Analyse des Unternehmens nach energetischen Aspekten. Dies kann über verschiedene Ansätze wie Energiewertstromanalyse[5] geschehen. Hilfreich kann sich hier ein Top-Down Ansatz nach den einzelnen vertikalen Ebenen des Unternehmens in Kombination mit einer quantitativen Bewertung von Verbrauchern nach dem Pareto-Prinzip erweisen. Dadurch werden einerseits die Energiequellen und ‑senken transparent dargestellt und mit Hilfe von Verbrauchsdaten kann ein genaueres Bild darüber gezeichnet werden, welche Anlagen und Prozesse einen Großteil der Energie verbrauchen (siehe Abbildung 1).
Die Analyse selbst kann dann beliebig weiter fortgesetzt werden, etwa im Sinne einer Analyse der Verbraucher nach Leistungsaufnahme und Gesamtenergieverbrauch. Dies ermöglicht es, eine weitere Potenzialabschätzung zur Senkung der Lastspitzen und dem Gesamtenergieverbrauch vorzunehmen.
Im Anschluss an die Analyse der Verbraucher können die verursachenden Basis- und Querschnittstechnologien identifiziert werden, die den Großteil des Energieverbrauches ausmachen. Die Technologien in der Fertigung und Produktion sind vielfältig je nach Branche und Fertigungsverfahren, lassen sich aber grundsätzlich zu Basis- und Querschnittstechnologien zusammenfassen:
Übersicht zu Basis- und Querschnittstechnologien | |
---|---|
Beleuchtung | Raumwärme |
Elektromotoren | Prozesswärme |
Ventilatoren | Prozesskälte |
Pumpen | Kraft-Wärme-Kopplung |
Druckluft | Dampferzeugung |
Informations- und Kommunikationstechnik | Wärmerückgewinnung |
Dämmung | sonstige Anwendungen |
Maßnahmen beider Dimensionen können grundsätzlich den jeweiligen Technologien zugeordnet werden, die über die Maßnahme beeinflusst werden. Tabelle 1 und Tabelle 2 helfen dabei, Maßnahmen und Technologien zusammenzubringen, anhand derer dann im Unternehmen konkrete Umsetzungen erarbeitet werden können.
Maßnahmen bewerten
Die wirtschaftliche Bewertung von Energieeffizienz- und ‑flexibilitätsmaßnahmen lässt sich über angepasste Verfahren der Investitionsrechnung vornehmen. Um einen einheitlichen Rahmen zu definieren, kann bspw. die Kapitalwertberechnung mit der Lebenszyklusrechnung verbunden werden. Entlang des Lebenszyklus lassen sich die Phasen der Anschaffung, Nutzung und Verwertung identifizieren, die mit entsprechenden Zahlungsströmen hinterlegt werden müssen. Die Kapitalwertberechnung ermöglicht es, alle Ein- und Auszahlungen während der Lebensphasen in die Bewertung einzubeziehen und mit entsprechenden Zinssätzen zu versehen. Dies ermöglicht es auch, verschiedene Annahmen, bspw. Zinssätze oder Lebensdauern, zur Berechnung zur treffen und miteinander zu vergleichen.
Zur Berechnung kann Tabelle 3 herangezogen werden. Sie bietet eine Übersicht verschiedener Kriterien der einzelnen Phasen.
Diese Blöcke in der jeweiligen Phase müssen gegebenenfalls weiter differenziert werden, um die entstehenden Aufwände und Erträge ganzheitlich zu berechnen. Bei Anwendung der Kapitalwertmethode sollte ein positiver Kapitalwert erreicht werden, um die Investition zu rechtfertigen. Dieser kann bezogen auf den Planungszeitraum als Barwert eines Vermögenszuwachses mit der Berücksichtigung von Zinseffekten interpretiert werden[6]. Eine Sensitivitätsanalyse kann weitere Hinweise darauf geben, welche Bestandteile der Berechnung einen entscheidenden Einfluss auf die Vorteilhaftigkeit der Maßnahmen haben.
Anschaffung | Nutzung | Verwertung |
---|---|---|
Materialbeschaffung | Material | Rückbau |
Planungsaufwände | Personal | Veräußerung |
Infrastruktur | Strombeschaffung | sonstige Zahlungen der Phase |
Inbetriebnahme | Steuern, Umlagen, Entgelte |
Fazit
Energie als zunehmend kritische Ressource wird ein entscheidender Produktionsfaktor. Maßnahmen zur Senkung der Kosten werden methodisch angegangen und beginnen mit einer Analysephase des Unternehmens. Horizontal und vertikal werden die Technologien und Prozesse analysiert und klassifiziert. Sind entsprechende Hot Spots gefunden, können Maßnahmen geplant werden und deren Bewertung erfolgen. Dazu können Maßnahmen entsprechend ihren beeinflussten Technologien identifiziert werden und deren wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit anhand von Investitionsrechnungen bewertet werden. Herausforderungen bei der Entscheidung zu energieorientierten Maßnahmen sind bspw. das Abschätzen zukünftiger Strom- und Energiekosten sowie deren Bedarfe, die Datenakquise und die Planung von Maßnahmen[1]. Gemeinsam mit passenden Partnern können die einzelnen Schritte methodisch angeleitet werden, Daten gezielt erhoben, potenzielle Verbesserungen identifiziert und Bewertungen transparent stattfinden.
Anmerkungen, Quellen und weiterführende Informationen
- Nur Energiekosten einsparen ist Ihnen nicht genug? Erfahren Sie in unserem Fachcheck Nachhaltigkeit, welche weiteren Potenziale in Ihrem Unternehmen bestehen.
- Matzen, F. J. (2017). Instrumente, Herausforderungen und Methoden des Energieinvestitionscontrollings im PDCA-Zyklus. In: Industrielle Energiestrategie (S. 459–499). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-07606-1
- Müller, E., Engelmann, J., Löffler, T., & Jorg, S. (2009). Energieeffiziente Fabriken planen und betreiben (1. Aufl.). Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-540-89644-9
- Abele, E., & Beckmann, B. (2012). Energieeffizienzsteigerung von Fabriken: Durch Erweiterung des Bilanzraums und eine optimierte Ausnutzung der Arbeitsfähigkeit von Energie. ZWF Zeitschrift Für Wirtschaftlichen Fabrikbetrieb, 107(4), 261–265. https://doi.org/10.3139/104.110747
- Graßl, M. (2015). Bewertung der Energieflexibilität in der Produktion. Utz, Herbert.
- Erlach, K., & Westkämper, E. (2009). Energiewertstrom: Der Weg zur energieeffizienten Fabrik (K. Erlach & E. Westkämper, Hrsg.). Fraunhofer Verlag.
- Götze, U. (2014). Investitionsrechnung: Modelle Und Analysen Zur Beurteilung Von Investitionsvorhaben (7. Aufl.). Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-642-54622-8
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