Viele kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) haben erkannt, dass sich im Streben nach mehr Nachhaltigkeit in ihren Unternehmen Wettbewerbsvorteile erzielen lassen. Dazu gehören beispielsweise ein verbessertes Risikomanagement, eine positivere Kundenwahrnehmung oder eine höhere Mitarbeitermotivation. Über die Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit haben KMU somit einen Einfluss auf ihre langfristige Existenzsicherung und ihr Wachstumspotenzial. Die Digitalisierung wiederum versetzt die Unternehmen in die Lage, eine nachhaltige Entwicklung kosteneffizient zu verfolgen.
In dieser Ausgabe unserer »Nachgelesen«-Reihe erfahren Sie:
- was unter Nachhaltigkeit zu verstehen ist,
- wie man das Konzept der Nachhaltigkeit einführt,
- was Nachhaltigkeitsdimensionen und Nachhaltigkeitsindikatoren für KMU sind,
- welche Nachhaltigkeitsstrategien existieren.
Was ist Nachhaltigkeit?
Das Konzept der Nachhaltigkeit gewann in den letzten Jahren in unserem alltäglichen Leben viel an Bedeutung. Die Klimakrise setzt Gesellschaften unter Druck, schärfere Maßnahmen zum Schutz der Umwelt umzusetzen und fordert ein langfristiges Denken in der Wirtschaft. Innovative Ideen sind maßgeblich für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum, das auch zukünftigen Generationen zugutekommen soll.
Dieser Ansatz ist nicht neu. Denn die Grundidee der Nachhaltigkeit erdachte vor mehr als drei Jahrhunderten der sächsische Forstrat Heinrich Cotta. Zu der Forstbewirtung sagte er: „Nicht mehr Holz einschlagen, als nachwächst.“
Nachhaltigkeit ist die Fähigkeit, Ressourcen möglichst langfristig und somit effizient zu nutzen.[1]
Eine dauerhafte Ausbeutung von Rohstoffen verursacht eine exponentiell steigende Umweltverschmutzung, deren Folgen bereits heutzutage spürbar sind. Die Klimakrise macht sich in unserem täglichen Leben durch extreme Wetterereignisse bemerkbar, wie zum Beispiel:
- Rekordhitzewellen (am 24.07.2019 wurde in Deutschland eine Rekordtemperatur von 40,5° gemessen, so warm wie nie zuvor)
- häufigere und verheerendere Waldbrände (durch die australischen Waldbrände in 2019/2020 wurden in einem Monat mehr Emissionen, etwa 400 Mio. Tonnen Kohlendioxid, in die Atmosphäre ausgepumpt, als sonst durch 100 Nationen zusammen)[2]
- Starkregen und Überschwemmungen (in ganz Europa tendenziell steigend)
Diese Folgen der Klimakrise haben einen direkten Einfluss auf unsere Gesundheit, Lebensmittelproduktion und Wirtschaft.
Da Rohstoffe nicht unendlich zur Verfügung stehen, ist deren übermäßiger Verbrauch zu vermeiden. Die Umsetzung nachhaltiger Maßnahmen erfordert innovative Lösungen und Ideen. Mit der Einführung eines Nachhaltigkeitsmanagements können die Umweltauswirkungen, die sich im Produktionsprozess und dem Verbrauch von Produkten und Dienstleistungen ergeben, nachverfolgt und gesteuert werden. Verschiedene Indikatoren ermitteln die Nachhaltigkeit eines Unternehmens in den drei Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales. Es handelt sich um einen partizipativen Prozess, der Mitarbeiter, Verbraucher und Unternehmer in gleichem Maße fordert.
Ein Beispiel für Nachhaltigkeit ist das Konzept nachhaltiger Mobilität. Im Grunde geht es dabei um den Ersatz von fossilen Brennstoffen (wie z. B. Benzin, Diesel, Erdgas) mit erneuerbaren Energiequellen. Automobile und Busse werden elektrisch angetrieben und der benötigte Strom soll im besten Fall durch Solar- und Windenergie erzeugt werden. Dies ist ein Beispiel für den clevereren Umgang mit natürlichen Ressourcen.
Einführung von Nachhaltigkeit
KMU sind ein Grundpfeiler der deutschen Wirtschaftsleistung. Sie machen in etwa 99 % aller Unternehmen aus. Somit wird auch der Großteil der Arbeitsplätze und Ausbildungsstellen in Deutschland durch KMU gestellt. Eine nachhaltige Entwicklung, die sich in der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfungskette durchsetzen soll, muss demnach durch KMU aktiv mitgestaltet werden[3].
Mit der Einführung eines Nachhaltigkeitsmanagements ergibt sich jedoch auch für die einzelnen Unternehmen die Chance, durch Kosteneinsparungen bzw. Qualitätsverbesserungen Wettbewerbsvorteile zu generieren. Die Wettbewerbsfähigkeit von KMU ist abhängig von verschiedenen Faktoren, wie der regionalen Infrastruktur, den verfügbaren Ressourcen, insbesondere natürliche Ressourcen, den finanziellen Mitteln und dem Humankapital (qualifizierte Mitarbeiter). Die Ziele, die für die Nachhaltigkeitsdimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales formuliert werden, fokussieren die Anstrengungen eines Unternehmens. Diese sind z. B.:
- die Umwelt dauerhaft zu schützen,
- die Fehlentwicklungen zu verhindern oder zu korrigieren,
- die beruflichen Qualifikationen und sozialen Kompetenzen der Mitarbeiter zu verbessern,
- regionale Entwicklung zu gewährleisten,
- Innovationen zu fördern,
- die Wirtschaft weiterzuentwickeln, zu stabilisieren und im Gleichgewicht zu halten.
Den Mitarbeitern kommt sowohl in der Formulierung der Ziele als auch der Durchführung von Maßnahmen und der Nachbesserung eine wichtige Rolle zu. Es handelt sich dabei auch nicht um einen einmaligen Prozess, sondern um einen kontinuierlichen Vorgang.
Nachhaltigkeitsdimensionen
Die drei Nachhaltigkeitsdimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales setzen den Fokus auf unterschiedliche Aspekte der Nachhaltigkeit, sind aber nicht unabhängig voneinander. Saubere Luft und sauberes Wasser wirken sich beispielsweise positiv auf die menschliche Gesundheit und so auch auf die Produktivität der Mitarbeiter aus[1].
Ökologische Nachhaltigkeit
Die Wirtschaft ist abhängig von der Umwelt und der Verfügbarkeit endlicher und natürlicher Ressourcen. Deren Übernutzung ist somit besonders bedrohlich für die langfristige Entwicklung der Unternehmen. In vielen Fällen hat eine sinkende Verfügbarkeit an natürlichen Ressourcen eine direkte Auswirkung auf die wirtschaftliche Lage von KMU.
Für KMU ist es wünschenswert mit den Ressourcen möglichst sparsam und effizient umzugehen. Die Implementierung von umweltfreundlichen Technologien und der Herstellung von umweltfreundlichen Produkten ermöglicht zudem die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit.
Ökonomische Nachhaltigkeit
Der wirtschaftliche Erfolg von KMU misst sich einerseits in finanziellen Größen und andererseits in der Fähigkeit, langfristig sichere Arbeitsplätze bieten zu können.
Die Einführung von Umwelttechnologien hat einen direkten Einfluss auf den Produktionsprozess und die Umsatzentwicklung eines KMU. Die Verwendung effizienter und sauberer Technologien verringert die Kosten, die sich durch den Ressourcenverbrauch ergeben und Verbraucher achten mit steigender Tendenz auf nachhaltige Produktionsprozesse und Produkte. Umweltbewusste Produktionsprozesse können zu einer höheren Nachfrage führen, die eine wichtige Ressource für die ökonomische Nachhaltigkeit ist.
Soziale Nachhaltigkeit
Diese sind alle immateriellen Ressourcen, die dem Unternehmen von der Gesellschaft und von dem Unternehmen an die Region zur Verfügung gestellt werden können, wie z. B.:
- wohltätige Spenden der Firma an soziale Projekte in der Region,
- Unterstützung/Sponsoring von Sportvereinen,
- Engagement für soziale Zwecke,
- Weiterbildung der Mitarbeiter,
- Vertrauen der Mitarbeiter in die Sicherheit ihrer Arbeitsverhältnisse,
- Sicherstellung einer guten Arbeitsatmosphäre.
Unter der Verbesserung der sozialen Nachhaltigkeit ist auch eine Verbesserung der Unternehmensreputation zu verstehen. Diese hat einen direkten Einfluss auf die Nachfrage, aber auch auf die Mitarbeiterzufriedenheit und Arbeitsproduktivität. Eine stärkere Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen senkt die Personalfluktuation und kann der Abwanderung von Fachkräften entgegenwirken.
Ziel ist es, dass die Mitarbeiter und auch die Kunden das Unternehmen als mehr als den Arbeitsort wahrnehmen und Freizeit und Wohlfühlen mit diesem verbinden. Die Einführung von nachhaltigen Technologien und Prozessen wird neben dem notwendigen Finanzkapital durch den im Mittelstand herrschenden Fachkräftemangel gebremst. Qualifizierte Bildungsmaßnahmen in den KMU binden die Mitarbeiter stärker an das Unternehmen und bauen Humankapital auf, das dringend gebraucht wird.
Nachhaltigkeitsindikatoren für KMU
Der Verein Deutsche Ingenieure hat die Richtlinie VDI 4070 – Nachhaltiges Wirtschaften in kleinen und mittelständischen Unternehmen veröffentlicht, die einige Nachhaltigkeitsindikatoren für KMU zusammenfasst. Die nachhaltige Entwicklung in einem Unternehmen kann durch die Anwendung verschiedener Indikatoren definiert werden. Diese sind auf die drei Dimensionen aufgeteilt[4].
Die Indikatoren sind relevant für die Formulierung von nachhaltigen Zielen und deren Verfolgung und Messung innerhalb des Unternehmens.
Die in der Tabelle aufgeführten Indikatoren sind nur Beispiele, weitere Indikatoren können auf ein bestimmtes Unternehmen abgestimmt werden. Für mehr Details lesen Sie bitte die VDI 4070 Richtlinie. Innerhalb der Dimensionen können drei Strategien angewendet werden, um die formulierten Ziele zu erreichen: Effizienz, Konsistenz und Suffizienz.
Ökologische Dimension | Ökonomische Dimension | Soziale Dimension |
---|---|---|
Energieverbrauch | Eigenkapitalquote | Anzahl der Auszubildenden |
Wasserverbrauch | Eigenkapitalrendite | Gesundheitsquote |
Abwassermenge | Fremdkapitalrendite | Unfallquote |
Emission in die Luft | Return on Investment | Fluktuationsquote |
Emission ins Wasser | Netto-Wertschöpfung | Sponsoring |
Nachhaltigkeitsstrategien
Die drei sich ergänzenden Strategien können als Problemlösungsansätze berücksichtigt werden, um den exzessiven Verbrauch von Ressourcen zu reduzieren. Im Folgenden eine kurze Erläuterung[1].
Effizienzstrategie
Effizienz ist die Verbesserung der Produktivität oder die Reduktion von Kosten, wie z. B.:
- effiziente Energienutzung (stromsparende Anlagen)
- Verwendung von Papier (papierloses Büro – Umsetzung von digitalen Lösungen)
- effiziente Mitarbeiter (durch Weiterbildung, sportliche Aktivitäten).
Konsistenzstrategie
Konsistenz ist die dauerhafte Verringerung oder sogar Vermeidung des Verbrauchs nichterneuerbarer Ressourcen, um das Überleben der Menschheit auf lange Sicht zu sichern. Unter Umständen führt diese Strategie zu einer Umstellung des gesamten Produkt- und Dienstleistungsangebotes.
Ein Beispiel dafür ist der sächsische Maschinenhersteller Profiroll, der sein Produkt- und Dienstleistungsportfolio, vornehmlich die Herstellung von Anlagen, um die Inhouse-Entwicklung einer App erweitert hat.
Suffizienzstrategie
Suffizienz ist die umfangreiche Änderung des Verbrauchsmusters, die auf Effizienz und Konsistenz basiert. Es soll nur so viel verbraucht werden, wie unbedingt nötig, was zu einer dauerhaften Senkung des Ressourcenverbrauchs führt. Somit wird ein nachhaltiges, langsameres Wachstum angestrebt, dass die ökologischen Belastungsgrenzen berücksichtigt. Hier ist ein Bewusstseinswandel der Menschen notwendig.
Ein Beispiel dafür ist die gemeinschaftliche Nutzung von Gütern anstelle von individuellem Besitz wie etwa die Nutzung von Carsharing oder Fahrgemeinschaften. Es ist die Antwort auf die Frage: Warum soll ich ein Auto besitzen, wenn ich nur selten eines brauche? Nach diesem Konzept wird nur für die Nutzung eines Autos bezahlt, die in Minuten, Stunden oder Tagen und inkl. Benzin, Versicherung, Parkgebühren, Steuern usw. berechnet wird.
Anwendungsbeispiel
Im Tagesablauf jeder Firma oder Produktionsstätte findet Papier Verwendung. Das papierlose Büro ist die Umsetzung von digitalen Lösungen, um den täglichen Papierverbrauch auf ein Minimum zu reduzieren und stellt anschaulich dar, wie sich die drei Nachhaltigkeitsstrategien zueinander ergänzen. Rechnungen werden bspw. nicht ausgedruckt, sondern direkt per E-Mail an die Kunden verschickt. Das reduziert den Briefverkehr und erhöht folglich die Effizienz. Darüber hinaus erhöht die Einführung von digitalen Unterschriften in internen Prozessen der Firma die Konsistenz, denn die langfristige Umstellung dieses Prozesses vermeidet langfristig den Verbrauch an Papier. Ein weiteres Beispiel ist der Ersatz von Regaletiketten aus Papier durch elektronische Etiketten, auch ESL – Electronic Shelf Label genannt. Diese setzen sich zunehmend in der Logistik, Industrie und der Produktion für das Bestandmanagement durch. Alle diese Maßnahmen decken sich mit der Suffizienzstrategie, da es sich um langfristige, effiziente Umstellungen handelt, die den Papierverbrauch auf ein für die Umwelt verträgliches Maß reduziert.
Anmerkungen
Quellen und weiterführende Literatur
- Nur Energiekosten einsparen ist Ihnen nicht genug? Erfahren Sie in unserem Fachcheck Nachhaltigkeit, welche weiteren Potenziale in Ihrem Unternehmen bestehen.
- Michael von Hauff; van der Graaff, Ivo (2019): Nachhaltigkeit – ein Erfolgsfaktor für mittelständische Unternehmen. London, New York: Routledge Taylor & Francis Group.
- Temple, James (2020): Australia’s fires have pumped out more emissions than 100 nations combined. Climate change is driving climate change. MIT Technology Review. Online verfügbar unter https://www.technologyreview.com/2020/01/10/102274/australias-fires-have-pumped-out-more-emissions-than-100-nations-combined/, zuletzt aktualisiert am 09.06.2020.
- Statistisches Bundesamt (2020): Kleine und mittlere Unternehmen. Online verfügbar unter https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Unternehmen/Kleine-Unternehmen-Mittlere-Unternehmen/aktuell-beschaeftigte.html.
- Verein Deutsche Ingenieure (2016): VDI 4070 Blatt 1 – Nachhaltiges Wirtschaften in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Anleitung zum nachhaltigen Wirtschaften.