Steigende Erwartungen von Auftraggebenden, neue gesetzliche Vorgaben wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sowie wachsende internationale Konkurrenz erhöhen den Handlungsdruck auf Betriebe spürbar. Gleichzeitig stehen viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) vor erheblichen Herausforderungen: Begrenzte personelle und finanzielle Ressourcen, fehlendes Fachwissen und Unsicherheit darüber, wo und wie der Einstieg in die Nachhaltigkeit gelingen kann.
Viele KMU befinden sich in genau diesem Spannungsfeld. Sie wissen: Nachhaltigkeit ist längst kein kurzfristiger Trend oder ein „Nice-to-have“ mehr. Das Thema entwickelt sich zunehmend zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Doch häufig besteht eine Diskrepanz zwischen dem Bewusstsein für die Relevanz und der tatsächlichen Umsetzung im Unternehmensalltag. Die nachhaltige Transformation speziell im textilen Mittelstand ist dringend erforderlich, aber komplex.
Neben finanziellen und organisatorischen Herausforderungen fehlt es oft an strategischer Orientierung und an einem klaren Verständnis der politischen Rahmenbedingungen. Gleichzeitig gibt es wirkungsvolle Ansätze, wie zirkuläre Geschäftsmodelle, Umweltmanagement und Kooperationsnetzwerke. Entscheidend ist, diese Lösungen stärker zu fördern, besser zu vernetzen und mit konkreten Unterstützungsangeboten für KMU aktiv zu fördern und in die Praxis zu überführen. Ein systemischer Ansatz kann helfen, diese Diskrepanz zu überwinden.
Er ermöglicht es, Nachhaltigkeit nicht als zusätzliche Belastung, sondern als ganzheitlich integrierten Bestandteil des Unternehmensalltags und der Unternehmensstrategie zu verstehen. Durch strukturierte Herangehensweisen, klare Prioritäten und realistische Umsetzungsschritte entsteht eine Orientierung und aus der Frage „Wie?“ wird ein konkretes „So kann´s gehen“.
Folgende Schwerpunkte werden in diesem Nachgelesen behandelt:
- Herausforderungen und Chancen für KMU
- Aktueller Stand im textilen Mittelstand
- Ergebnisse & Erkenntnisse einer Umfrage
- Nachhaltigkeit ganzheitlich denken
- Angebote
Nachhaltigkeit: Herausforderungen und Chancen für KMU
Die Herausforderungen des Klimawandels und die zunehmende Bedeutung von Nachhaltigkeit betreffen uns alle und sind für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen entscheidend. Angesichts der globalen Dringlichkeit ist es für Unternehmen unerlässlich, Verantwortung zu übernehmen und gezielt Maßnahmen im Bereich des Klima- und Nachhaltigkeitsmanagements zu ergreifen.
KMU stehen beim Thema Nachhaltigkeit oft vor besonderen Hürden. Häufig fehlen finanzielle Ressourcen, das nötige Fachwissen oder gezielte Unterstützung, etwa durch politische Rahmenbedingungen oder Förderprogramme. Hinzu kommen bürokratische Anforderungen und Unsicherheiten auf Seiten der Nachfrage von Kundinnen und Kunden, die es vielen Betrieben schwer machen, aktiv zu werden. Nachhaltigkeit betrifft dabei nicht nur einzelne Abteilungen, sondern das gesamte Unternehmen, von der Qualifizierung der Mitarbeitenden über Datenmanagement bis hin zur langfristigen Unternehmensstrategie (Korne et al., 2022).
Angesichts dieser Herausforderungen ist es nachvollziehbar, dass KMU oft zögerlich auf das Thema Nachhaltigkeit reagieren und erst dann Maßnahmen ergreifen, wenn sie unvermeidbar sind (Steimel & Steinhaus, 2023). Gleichzeitig bieten digitale Technologien und Künstliche Intelligenz (KI) erhebliche Chancen (siehe Abbildung 1). Beide Aspekte können Prozesse effizienter gestalten, Ressourcen schonen und neue Geschäftsfelder eröffnen.

Ein aktueller Handlungsanlass ist die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Mit der sogenannten EU-Omnibus II -Verordnung von 2025 reagiert die EU auf Kritik am bürokratischen Aufwand, besonders für KMU. Der Geltungsbereich der CSRD wurde deutlich eingeschränkt. Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden und bestimmten Finanzkennzahlen sind künftig direkt berichtspflichtig. Zudem wurden Fristen um zwei Jahre verschoben, sodass KMU mehr Zeit für Vorbereitung und Anpassung haben.
Für nicht berichtspflichtige Unternehmen wird ein freiwilliger Standard (VSME) entwickelt, der besonders in der Zusammenarbeit mit größeren Geschäftspartnern hilfreich sein kann. Auch im Bereich der unternehmerischen Sorgfaltspflichten (CSDDD) bringt das Paket Erleichterungen etwa durch reduzierte Anforderungen an die Berichterstattung über tiefere Lieferketten.
Insgesamt soll die Omnibus II-Verordnung den Verwaltungsaufwand deutlich reduzieren und KMU bei der Umsetzung von Nachhaltigkeit entlasten ohne dabei die grundlegenden Ziele aus den Augen zu verlieren (EMAS 2025). Auch wenn nicht alle KMU direkt berichtspflichtig sind, erhöht sich der Druck über andere Wege. Denn Geschäftspartnerschaften, Auftraggebende, Investierende und die Kundschaft verlangen zunehmend Informationen über Umwelt- und Sozialstandards (ESG) oder über das nachhaltige Handeln des Unternehmens (Europäisches Parlament & Rat der Europäischen Union, 2022).
Die wachsenden Anforderungen aus Politik, Markt und Gesellschaft zeigen: Nachhaltigkeit ist kein kurzfristiger Trend, sondern eine dauerhafte Aufgabe. Viele Unternehmen haben bereits erste Schritte unternommen. Trotz erster Fortschritte bestehen weiterhin erhebliche strukturelle Defizite, insbesondere in der systematischen Implementierung nachhaltiger Prozesse und in der langfristigen strategischen Planung (Meyer & Seuring, 2020). KMU stehen vor der Herausforderung, Nachhaltigkeitsstrategien in ihre Geschäftsmodelle zu integrieren (Schmidt et al., 2019).
Tipp
Die Erfahrung zeigt: Wer Nachhaltigkeit systematisch in die Unternehmensstrategie einbindet, kann nicht nur gesetzliche Vorgaben erfüllen, sondern sich auch zukunftsfähig und resilient aufstellen.
Aktueller Stand der nachhaltigen Transformation im textilen Mittelstand in Deutschland
Die Relevanz der Transformation hin zu einem klimaneutralen Unternehmen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die insbesondere die Textilbranche stark unter Druck setzt.
Dieser Sektor ist bekannt für seinen hohen Energieverbrauch und erhebliche Emissionen, was zu einer verstärkten Aufmerksamkeit seitens der Öffentlichkeit und Politik führt. Daher ist es für KMU in der Textilindustrie entscheidend, Nachhaltigkeit und Digitalisierung als integrale Bestandteile ihrer strategischen Planung und operativen Prozesse zu integrieren, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben (Goetz et al. 2017, S. 10f.; Korne et al., 2022; Schaefer & Flicke, 2022).
Das Nachhaltigkeitsmanagement stellt somit eine komplexe und zunehmend relevante Aufgabe dar. Trotz wachsender Bedeutsamkeit sind strukturierte Nachhaltigkeitsansätze im textilen Mittelstand noch wenig verbreitet. Laut Weber & Hohenschläger (2021) hat nur etwa jedes dritte Unternehmen (35 %) eine klare Nachhaltigkeitsstrategie.
Etwa die Hälfte der Unternehmen setzt Maßnahmen zur Ressourceneffizienz nur vereinzelt um, oft ohne langfristiges Konzept. Eine zentrale Herausforderung liegt in der Finanzierung nachhaltiger Transformationsprozesse, da KMU oft nicht über ausreichende finanzielle Mittel für Investitionen in nachhaltige Technologien verfügen (Fischer et al., 2022). Auch etablierte Umweltmanagementsysteme wie ISO 14001 oder EMAS gelten als zu aufwendig und ressourcenintensiv, weshalb sie im Mittelstand bislang wenig verbreitet sind (Kröger et al., 2021).
Infobox zur ISO 14001
Ein weltweit anerkannter Standard für Umweltmanagementsysteme. Er hilft Unternehmen dabei, ihre Umweltziele Schritt für Schritt zu definieren, Umweltbelastungen zu verringern und gesetzliche Vorgaben systematisch einzuhalten.
Vorteile:
✅ Besserer Überblick über Umweltauswirkungen
✅ Klare Prozesse und Verantwortlichkeiten
✅ Oft hilfreich bei Ausschreibungen oder Vorgaben der Kundschaft
Infobox zu EMAS (Eco-Management and Audit Scheme)
Ein freiwilliges Umweltmanagementsystem der EU. EMAS baut auf ISO 14001 auf geht aber einen Schritt weiter. Unternehmen müssen ihre Umweltauswirkungen öffentlich dokumentieren und regelmäßig von externen Gutachtern prüfen lassen.
Vorteile:
✅ Hohe Glaubwürdigkeit durch externe Prüfung
✅ Transparenz durch öffentliche Umweltberichte
✅ Kann bei Behörden oder Förderprogrammen Pluspunkte bringen
Es gibt jedoch vielversprechende Ansätze, wie KMU bei der nachhaltigen Transformation unterstützt werden können. Ein Beispiel sind zirkuläre Geschäftsmodelle, bei denen es um Recycling, Wiederverwendung und geschlossene Materialkreisläufe geht. Sie bieten langfristig ökologische und wirtschaftliche Vorteile, sind aber bisher kaum umgesetzt, da KMU technische, personelle oder organisatorische Hürden sehen (Lüdeke-Freund et al., 2020; Bocken & Short, 2021).
Ein weiterer hilfreicher Weg sind Kooperationsnetzwerke. Hier arbeiten Unternehmen, Forschung und Politik gemeinsam an nachhaltigen Lösungen. Solche Netzwerke können helfen, Wissen schneller weiterzugeben, neue Ideen umzusetzen und sogar Kosten zu sparen. Studien zeigen: Wer mitmacht, profitiert (Jäger & Birkholz, 2021; Schenkel & Müller, 2022).
Trotz positiver Ansätze mangelt es an langfristiger politischer und struktureller Unterstützung. Viele Netzwerke und Initiativen bleiben punktuell, schlecht vernetzt oder unabhängig voneinander organisiert. Es fehlt an übergeordneten Strategien und gezielter Förderung, um nachhaltige Transformationsprozesse im Mittelstand dauerhaft zu verankern (Becker, 2023). Zudem fehlt die systematische Erfassung erfolgreicher Maßnahmen. Verlässliche Kennzahlen oder branchenweite Indikatoren fehlen weitgehend, was die Bewertung und Steuerung von Nachhaltigkeitszielen erschwert (Pohlmann et al., 2021).
Wie nachhaltig ist die deutsche Textilbranche wirklich? – Eine Umfrage und ihre Ergebnisse
Finden Sie sich in unseren Hypothesen wieder?
- Wir als KMU haben größere Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien als andere Unternehmen, bedingt durch begrenzte finanzielle Ressourcen, fehlendes Wissen und institutionelle Unterstützung. (Hypothese 1)
- In der Textilindustrie fungiert Nachhaltigkeit als Haupttreiber für Innovationen in ökologischen Materialien und Produktionsprozessen. (Hypothese 2)
- Wir als KMU benötigen eine systematische Vorgehensweise bei der Implementierung eines Nachhaltigkeitsmanagements. (Hypothese 3)
Lesen Sie weiter und erlangen Sie einen Einblick in die Umfrageergebnisse und daraus resultierenden Erkenntnisse.
Um ein aktuelles Stimmungsbild zur Nachhaltigkeit in der deutschen Textilbranche zu erhalten, haben das Mittelstand-Digital Zentrum Chemnitz und das Regionale Zukunftszentrum Sachsen gemeinsam eine Online-Umfrage „Nachhaltigkeit in der Textilbranche“ durchgeführt. Befragt wurden 55 KMU aus Deutschland und verschiedenen Bereichen – von Mode über technische Textilien bis hin zu Heimtextilien. Thematisch betrachteten die Fragen unter anderem Nachhaltigkeitsstrategien, Prozessgestaltung, Lieferketten und Zertifizierungen.
Herausforderungen von KMU bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien
Die Umfrage zeigt, Nachhaltigkeit ist zwar ein wichtiges Thema, aber in vielen KMU noch nicht systematisch verankert. Lediglich 33 % der Unternehmen verfügen über eine klar formulierte, schriftlich dokumentierte Nachhaltigkeitsstrategie, weitere 25 % arbeiten aktuell an der Entwicklung einer solchen Strategie, während 42 % einzelne Maßnahmen umsetzen, jedoch ohne strategisches Gesamtkonzept. Diese Zahlen verdeutlichen, dass erhebliches Potenzial vorhanden ist, Nachhaltigkeit stärker in die Unternehmensstrategie und das operative Geschäft zu integrieren. Diese Befunde decken sich mit vorherigen Studien, die die Herausforderungen von KMU im Nachhaltigkeitskontext untersuchen. So betonen Setyaningsiha et al. (2023), dass KMU oft nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um in nachhaltige Technologien zu investieren und dass fehlende institutionelle Unterstützung die Implementierung behindert (H1).
Ein weiterer zentraler Bestandteil der Nachhaltigkeitsstrategie ist die Quantifizierung bzw. Messung des ökologischen Fußabdrucks. Die Ergebnisse zeigen auch hier, dass die Mehrheit der Unternehmen (72 %) den ökologischen Fußabdruck (noch) nicht berechnen bzw. messen. Als Hauptgründe werden folgende Punkte genannt:

Diese Problematik wird auch in der Forschung betont. KMU verfügen häufig nicht über die notwendigen Datenmanagementsysteme, um Umweltauswirkungen systematisch zu messen (Setyaningsiha et al., 2023).
Die geringe Integration der Sustainable Development Goals (SDGs) in Unternehmensstrategien (nur 43 % der KMU berücksichtigen sie) bestätigt ebenfalls bestehende Forschungsarbeiten, die auf eine lückenhafte Verankerung von Nachhaltigkeit in strategischen Entscheidungsprozessen hinweisen. Jene Unternehmen, die die SDGs berücksichtigen, fokussieren sich primär auf die Themenfelder Gesundheit und Wohlergehen, sauberes Wasser, bezahlbare und saubere Energie, Industrie, Innovation und Infrastruktur sowie Klimaschutzmaßnahmen. Für viele KMU sind die SDGs jedoch noch nicht greifbar genug oder erscheinen zu abstrakt für den Unternehmensalltag.
Zertifizierungen nehmen ebenso eine zentrale Rolle im Kontext der nachhaltigen Transformation ein, insbesondere im Bereich des Prozess- und Qualitätsmanagements. Die Analyse der erhobenen Daten offenbart eine signifikante Diskrepanz zwischen der Implementierung von Prozessmanagementsystemen sowie der Anwendung spezifischer Standards und Zertifizierungen. Während ein beträchtlicher Anteil der befragten KMU Prozessmanagementsysteme nutzt, zeigt sich bei der gezielten Abfrage nach Standards, Normen und Zertifizierungen ein deutlich geringerer Implementierungsgrad.
Prozesse im Griff – aber oft ohne offizielles Siegel
✅ Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen erfassen und dokumentieren ihre Prozesse bereits.
🔄 10 % arbeiten aktuell an der Einführung eines Prozessmanagements.
❌ Weitere 10 % haben bisher noch keine systematische Prozessanalyse durchgeführt.
⚠️ Die Hälfte der befragten Unternehmen nutzt Prozessmanagement – aber ohne formale Zertifizierung.
Mögliche Gründe:
→ Hoher Zeit- und Kostenaufwand für Zertifizierungen
→ Unsicherheit über den Nutzen
→ Fehlendes Know-how zur Umsetzung
📌 Erkenntnis: Wer seine Prozesse gut kennt und strukturiert, setzt meist auch gezielter Maßnahmen zur Ressourcenschonung um.
Lediglich 36 % der befragten Unternehmen geben an, nach der DIN EN ISO 9001 zu arbeiten. Diese Diskrepanz impliziert, dass etwa die Hälfte der KMU, die Prozessmanagementsysteme einsetzen, diese ohne formale Zertifizierung betreiben. Dies könnte auf verschiedene Faktoren zurückzuführen sein, wie beispielsweise den Ressourcenaufwand für Zertifizierungsprozesse oder mangelnde Kenntnis über die potenziellen Vorteile einer Zertifizierung.

Die geringe Verbreitung der DIN EN ISO 50001 und der DIN EN ISO 14001 unter den befragten Unternehmen deutet auf ein möglicherweise unausgeschöpftes Potenzial zur Optimierung des Energie- und Umweltmanagements hin. Diese Erkenntnisse unterstreichen die Notwendigkeit einer verstärkten Sensibilisierung für die Vorteile standardisierter und zertifizierter Managementsysteme im Kontext der nachhaltigen Unternehmensführung, insbesondere im Bereich des Energiemanagements. Ähnliche Resultate ergeben sich hinsichtlich der Nutzung von Datenmanagementsystemen. 59 % der Befragten geben an, ein solches System zu nutzen, während weitere 17 % die Implementierung planen.
Was bringen Zertifizierungen wirklich?
Zertifizierungen wie ISO 14001 oder ISO 50001 helfen, Energie- und Umweltleistungen messbar zu verbessern – und machen das Unternehmen sichtbar engagiert in Sachen Nachhaltigkeit.
Vorteile auf einen Blick:
✔️ Systematische Verbesserung der Prozesse
🔍 Bessere Nachvollziehbarkeit und Kontrolle
🌍 Gesteigerte Energieeffizienz & Umweltverträglichkeit
📈 Wettbewerbsvorteil gegenüber nicht zertifizierten Betrieben
🤝 Stärkeres Vertrauen bei Partnerschaften, Auftraggebenden und Behörden
Nachhaltigkeit als Innovationstreiber in der Textilindustrie
Nachhaltigkeit wirkt zunehmend als Innovationstreiber; insbesondere im Bereich neuer ökologischer Materialien und Produktionsprozesse (H2). So zeigen die Umfrageergebnisse, dass 70 % der Unternehmen bereits konkrete Kundenanfragen zu nachhaltigen Produkten erhalten haben, was die Marktnachfrage als zentrale Motivation für nachhaltige Innovationen untermauert. 57 % der befragten KMU planen die Implementierung nachhaltiger Produktionsprozesse.
Dennoch reicht dieser Marktdruck offenbar nicht aus, um eine flächendeckende Transformation zu bewirken. Es existieren wirtschaftliche Herausforderungen. 60 % der Unternehmen empfinden nachhaltige Materialien als zu teuer und sehen eine geringe Zahlungsbereitschaft der Kunden als Hemmnis für nachhaltige Produktinnovationen. Ein Drittel ist unsicher, wie man nachhaltige Prozesse überhaupt startet und 50 % haben keine ausreichenden Energiedaten, um gezielt analysieren und steuern zu können. Gleichzeitig investieren Unternehmen in pragmatische Maßnahmen zur Effizienzsteigerung:
🌱 Nutzung erneuerbarer Energien (z. B. Solar, Ökostrom) – 29 %
💧 Wassersparen durch geschlossene Kreisläufe – 21 %
🚗 E-Mobilität im Fuhrpark oder für Dienstwege – 17 %
♻️ Einsatz recycelter Fasern (von externen Anbietern) – 16 %
Darüber hinaus setzen viele Unternehmen auf oft kostengünstige Lösungen wie:
- Bedarfsorientiertes Einschalten von Maschinen und Beleuchtung
- Vermeidung von Abfall durch bessere Planung und Schulung
- Optimierung von Arbeitsabläufen, z. B. durch verbesserte Schichtpläne
In der wissenschaftlichen Literatur wird die Rolle von Nachhaltigkeit als Innovationstreiber bereits vielfach diskutiert. Unternehmen, die in nachhaltige Innovationen investieren, erzielen langfristig Wettbewerbsvorteile, insbesondere durch Effizienzsteigerungen und die Reduktion von Rohstoffkosten. Gleichzeitig wird die unzureichende Transparenz entlang der Wertschöpfungskette als Problem genannt, da 50 % der Unternehmen ihre Lieferkette nicht vollständig analysiert haben. Auch wird argumentiert, dass systematische Nachhaltigkeitsstrategien nicht nur ökologische Produkte, sondern auch effizientere Prozessstrukturen fördern können. Dies bestätigt sich darin, dass Unternehmen mit umfangreicheren Nachhaltigkeitsmaßnahmen auch eher bereit sind, ihre Lieferketten umfassend umzustellen.
Aktueller Stand der Implementierung
Der aktuelle Stand der systematischen Implementierung des Nachhaltigkeitsmanagements in der Textilindustrie bleibt hinter den Möglichkeiten zurück und ist noch nicht flächendeckend etabliert. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass nur ein Drittel der Unternehmen eine langfristige Strategie verfolgt, während die Mehrheit auf kurzfristige (86 %, ab einem Jahr) oder mittelfristige (68 %, ab vier Jahren) Planung setzt. Langfristige Ziele (ab acht Jahren) werden lediglich von 20 % der Unternehmen berücksichtigt. Nur 35 % nutzen ein Monitoringkonzept, um die Zielerreichung zu überprüfen. Das bedeutet: Viele setzen erste Maßnahmen um, aber eine echte Langfriststrategie über die Verankerung von Nachhaltigkeitsprinzipien fehlt oft, was potenziell die Implementierung langfristiger, nachhaltiger Transformationen hemmen könnte.
Dieses Ergebnis wird auch durch frühere wissenschaftliche Arbeiten gestützt. So argumentieren Lozano et al. (2015), dass die Nachhaltigkeitsintegration in Unternehmen stark von regulatorischen Rahmenbedingungen, Branchenanforderungen und internen Managementkapazitäten abhängt. Die geringe Verbreitung von Umweltmanagementsystemen, wie ISO 14001 oder EMAS, bestätigt diesen Trend.
Ein weiteres zentrales Problem stellt die fehlende Datenerfassung und -analyse dar. Die Umfrage zeigt, dass etwa die Hälfte der befragten Unternehmen ihre Wertschöpfungskette nicht vollständig analysiert haben. Dies erschwert die Identifikation von ökologischen und sozialen Verbesserungsmöglichkeiten entlang der Lieferkette, wo genau Umweltbelastungen entstehen oder wie sie vermieden werden können.

Zukünftige Maßnahmen sollten sich daher auf eine stärkere Verbreitung standardisierter Nachhaltigkeitsmanagementansätze konzentrieren. Hierbei spielen staatliche Förderprogramme und branchenspezifische Leitlinien eine zentrale Rolle, um insbesondere KMU gezielt bei der nachhaltigen Transformation zu unterstützen. Die KMU, die systematische Analysen durchführen, nutzen bereits umfassendere Ansätze wie „Cradle to Grave“ oder „Cradle to Gate“, um die Umweltauswirkungen ihrer Produkte besser zu bewerten. Diese Methoden sind hilfreich, setzen aber auch Fachwissen und Kapazitäten voraus, was für viele KMU eine Hürde darstellt.
Infobox zum Lebenszyklusdenken
- „Cradle to Grave“ – „Von der Wiege bis zur Bahre“ → Bewertung von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung
- „Cradle to Gate“ – Bewertung eines Produkts bis zum Verlassen des Werkes
Diese Konzepte helfen, die gesamten Umweltauswirkungen eines Produkts besser zu verstehen. Allerdings sind sie aufwendig umzusetzen und erfordern Know-how, das vielen KMU derzeit noch fehlt.
Nachhaltigkeit ganzheitlich denken
Ein nachhaltiger Wandel in der Textilbranche gelingt nur, wenn Nachhaltigkeit nicht als Zusatzaufgabe, sondern als fester Bestandteil des Geschäftsmodells betrachtet wird. Dafür braucht es:
✔️ klare Strategien, auch im Bereich der Digitalisierung
✔️ messbare Ziele
✔️ ein starkes Netzwerk und
✔️ den Willen, Prozesse wirklich zu verändern.
Die systematische Analyse der erhobenen Daten offenbart mehrere signifikante Zusammenhänge und Trends.

- Strategie bringt Struktur: Unternehmen mit einer klar formulierten Nachhaltigkeitsstrategie setzen deutlich häufiger Zertifizierungen und strukturierte Maßnahmen um.
- Gutes Prozessmanagement zahlt sich aus: Wenn Abläufe im Unternehmen gut organisiert sind, lassen sich nachhaltige Projekte gezielter und erfolgreicher umsetzen.
- Ohne Blick auf die Lieferkette fehlt der Durchblick: Fehlt eine umfassende Analyse der Wertschöpfungskette, entstehen Transparenzlücken und nachhaltige Maßnahmen laufen so weniger effizient.
- Viel kurzfristig, wenig langfristig: Die meisten Firmen planen für die nächsten ein bis drei Jahre. Langfristige Ziele fehlen dagegen oft. Das hemmt die nachhaltige Entwicklung auf Dauer.
Diese Herangehensweise führt zu einer beschleunigten und effektiveren Transformation der Textilindustrie in Richtung Nachhaltigkeit. Die nachhaltige Etablierung umweltfreundlicher und sozial verantwortlicher Praktiken setzt die Notwendigkeit einer intensivierten Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in die Unternehmensstrategie sowie ein umfangreiches Monitoring der gesamten Wertschöpfungskette voraus.
Was lässt sich daraus ableiten? – Konkrete Empfehlungen
- 📚 Wissen aufbauen und teilen
→ Schulungen, Netzwerke und Online-Plattformen helfen, Nachhaltigkeit im Unternehmen besser zu verstehen und praktisch umzusetzen. - 📊 Wirtschaftlichkeit aufzeigen
→ Mehr Forschung dazu, wie sich nachhaltige Maßnahmen wirtschaftlich lohnen, kann die Bereitschaft zur Umsetzung steigern. - 📏 Einheitliche Standards entwickeln
→ Vergleichbare Kennzahlen und Branchenstandards erleichtern es KMU, ihre Erfolge zu messen und sich weiterzuentwickeln. - 🤝 Zusammenarbeit stärken
→ Partnerschaften mit anderen Unternehmen, Forschungseinrichtungen oder Beratungen ermöglichen den Austausch von Ideen und Lösungen. - 🏭 Nachhaltigkeit ins Geschäftsmodell integrieren
→ Wer Nachhaltigkeit fest in die Unternehmensstrategie einbindet, profitiert langfristig – auch im Wettbewerb.
Zusammenfassung
Die Umfrageergebnisse zeigen, dass das Thema Nachhaltigkeit in der Textilbranche zwar angekommen ist, die konkrete Umsetzung jedoch noch vielfach unzureichend bleibt. Viele kleine und mittlere Unternehmen verfolgen nachhaltige Produktionsziele, doch mangelt es oft an klaren Strategien, fundierten Datengrundlagen und der Fähigkeit, den ökologischen Fußabdruck systematisch zu messen. Zertifizierungen sind bislang nur schwach verbreitet und etwa ein Drittel der Unternehmen weiß nicht, wie sie nachhaltige Maßnahmen überhaupt starten sollen. Trotz dieser strukturellen Herausforderungen bieten sich zahlreiche ungenutzte Chancen – insbesondere durch systematisches Nachhaltigkeitsmanagement, Kooperationen und den Einsatz digitaler Technologien. Nachhaltigkeit fungiert dabei nicht nur als Reaktion auf steigende Anforderungen durch die Kundschaft und regulatorischen Druck, sondern zunehmend auch als Innovationsmotor, etwa durch den Einsatz neuer Materialien und effizienter Prozesse. Die Untersuchung bestätigt damit zwei zentrale Erkenntnisse:
- Zum einen stehen KMU vor erheblichen Umsetzungsbarrieren,
- zum anderen birgt Nachhaltigkeit ein hohes Innovationspotenzial.
Um dieses Potenzial zu erschließen, sind gezielte Unterstützungsmaßnahmen notwendig – wie Wissenstransfer, standardisierte Metriken und bessere institutionelle Rahmenbedingungen. Zukünftige Forschung sollte dabei vor allem skalierbare Lösungen entwickeln, die nachhaltige Materialien und Prozesse kostengünstiger und breiter zugänglich machen. Wer jetzt handelt, kann sich nicht nur zukunftsfähig am Markt positionieren, sondern aktiv zur nachhaltigen Transformation der Branche beitragen.
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Kontaktieren Sie unseren Klima-Coach gern direkt.
Dieses Nachgelesen ist in Zusammenarbeit mit dem Regionalen Zukunftszentrum Sachsen entstanden.
Das Regionale Zukunftszentrum Sachsen bietet ein systematisches und modular konzipiertes Angebot zur langfristigen Implementierung von Nachhaltigkeitsmanagement in Unternehmen an. Besonders mittelständische Unternehmen mit mindestens 200 Mitarbeitenden sollen unterstützt werden, Nachhaltigkeit nicht nur als gesetzliche Pflicht, sondern als integralen Bestandteil ihrer Unternehmensstrategie zu betrachten und alle relevanten Unternehmensbereiche sowie -prozesse ganzheitlich in den Unternehmensalltag einzubeziehen. Dies ermöglicht eine nachhaltige, wirtschaftlich und ökologisch ausgewogene strategische Unternehmensentwicklung.
Die Lernbegleiterinnen des Zukunftszentrum Sachsens (TU Chemnitz) unterstützen Sie dabei, den komplexen Prozess der Implementierung zu strukturieren und aktiv zu begleiten. Dies trägt nicht nur zur effektiven Umsetzung bei, sondern fördert auch die Veränderungsbereitschaft auf allen Ebenen, sowohl bei Führungskräften als auch bei Mitarbeitenden. Die Bereitschaft zur Veränderung, ein starkes Engagement und eine intensive Zusammenarbeit sind zentrale Voraussetzungen für den Erfolg der Umsetzung. Des Weiteren sind Fachkenntnisse und der kontinuierliche Austausch entscheidend, um Nachhaltigkeit dauerhaft im Unternehmen zu verankern und einen echten Mehrwert zu schaffen. Dieser kollektive Lernprozess ermöglicht es, voneinander zu lernen und die Nachhaltigkeitsziele kontinuierlich zu verbessern.
Nehmen Sie gern Kontakt auf.
Quellen
- Becker, T., Hoffmann, L., & Kraus, M. (2023). Nachhaltigkeitsstrategien in KMU: Eine Meta-Analyse der Transformation in der Textilbranche. Journal of Sustainable Business, 18(2), 45-61.
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- EMAS (27. Februar, 2025). EU-Omnibus: Neue Regeln für CSRD-Berichtspflicht [Artikel] https://www.emas.de/aktuelles/news/2025-02-crsd-omnibus
- Europaeisches Parlament und Rat der Europaeischen Union (2022). Richtlinie (EU) 2022/2464 des Europaiischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2022 zur Aenderung der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 und der Richtlinien 2004/109/EG, 2006/43/EG und 2013/34/EU hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen. Amtsblatt der Europaeischen Union, L 322, 15-73.
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- Steimel, B., & Steinhaus, I. (2023). ESG im Mittelstand: Eine empirische Studie zum Stand des Nachhaltigkeitsmanagements. MIND. Available at: https://www.mind-digital.com/studien/
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