Ausgangssituation
Die Brauerei Reichenbrand GmbH & Co. braut bereits seit 1874 verschiedene Qualitätsbiere in Chemnitz. Sie führte 2021 das sogenannte Kulturbier neu am Markt ein, das aus einer Initiative mit dem Hand in Hand e.V. und Singer´s Getränke Shop entstand. Mit dem Kauf des Bieres leisten Konsumierende einen Beitrag zum Erhalt der Chemnitzer Kulturszene, denn ein Teil des Erlöses fließt direkt dorthin. Aus sozialer und ökonomischer Sicht erzielen Herstellung und Verkauf des regionalen Produktes große Erfolge. Die Initiatoren wollten jedoch auch die ökologische Komponente berücksichtigen, um ein ganzheitlich nachhaltiges Produkt anzubieten. Daher sollte der CO2-Eintrag ermittelt und eine CO2-Bewertung durchgeführt werden.
Produktionsstrecke der Brauerei Reichenbrand
Vorgehen
Die Vorgehensweise gliederte sich in fünf Phasen. Zuerst wurden eine Systemanalyse und Modellvorbereitung durchgeführt. Dabei war die größte Hürde, dass die Umfänge der Datenerfassung innerhalb der Prozess- und Systemgrenzen nicht immer den gleichen Umfängen entsprachen. Im zweiten Schritt erfolgte die Datenanalyse. Grundlage hierfür waren unter anderem monatlich erfasste Zählerstände von Gas, Wasser und Strom, Produktionsmengen und Abfüllprotokolle, Energiemessungen an einzelnen Abgängen sowie Gas- und Stromverbrauchsmengen. Ziel war es, möglichst viele Primärdaten zu erfassen. Nach der anschließenden Verifizierung und Validierung der Daten konnte die CO2-Bewertung für die Prozessstufen erfolgen und daraus Verbesserungen abgeleitet werden.
Um von den Verbräuchen zum Fußabdruck zu kommen, haben wir unsere Prozesse zunächst in einzelne Bereiche gegliedert. Teilweise war es notwendig, analoge Datenbestände zu digitalisieren. Und auch Datenlücken haben wir entdeckt. Doch die Mühe hat sich gelohnt. Denn erst die genaue Arbeit mit dem Mittelstand-Digital Zentrum hat uns geholfen, einen Aspekt der Nachhaltigkeit – neben der Regionalität – sichtbar und messbar zu machen.
Lösung
Der Brauprozess ist ein sowohl medien- als auch energieintensiver Prozess, der Potenziale für ein ökologisch nachhaltiges Produkt birgt. Insgesamt wurden drei wichtige Mehrwerte für das Projekt herausgearbeitet. Zum einen konnte durch Materialfluss- und Energiesimulation die Produktionsumgebung mitsamt Abläufen transparent aufbereitet werden. Mit Hilfe des Simulationsmodells war es möglich, potenzielle Maßnahmen zur CO2-Reduktion zu untersuchen. Weiterhin wurden mit Hilfe der Prozessuntersuchungen und der Überführung in das Simulationsmodell die produktionsspezifischen Zusammenhänge visualisiert, wodurch der CO2-Eintrag in jeder einzelnen Prozessstufe ersichtlich wurde. Dies bietet eine Ausgangsbasis für Nachhaltigkeitsdiskussionen in der Wertschöpfungskette. Andererseits lassen sich die aufgenommenen Energiedaten analysieren und im Rahmen einer CO2-Bewertung auswerten.
Das Team betrachtete zwei Systemgrenzen. Zum einen untersuchte es die Prozesse innerhalb des Unternehmens (Gate to Gate). Dabei wurden die einzelnen Bereiche in ihrem CO2-Ausstoß gegliedert und so der jeweilige Einfluss auf den Gesamtprozess ersichtlich. Die Gate to Gate-Betrachtung ergab einen Ausstoß an CO2-Äquivalenten von 8,33 kg/hl. Vor allem anorganische Abfälle und die thermische Energie sind Hauptursache für die Gesamtemissionen.
Zum anderen nahmen die Mitarbeitenden die Prozesse außerhalb der Unternehmensgrenze (Cradle to Grave) in den Fokus. Es ergaben sich CO2-Äquivalente von 27,72 kg/hl. Haupttreiber sind das Braumaterial mit 33 % (wobei das Gerstenerzeugnis den Hauptanteil verursacht), der Transport mit 22 %, Gas mit 18 % und das Abfüllmaterial mit 12 %. Da das Abfüllmaterial aus recycelten Flaschen vertrieben wird, entstehen die Hauptemissionen durch Labels und Kronkorken.
Fazit
Die Emissionen bei der Herstellung des Kulturbiers fallen minimal aus. Das Kulturbier ist somit nicht nur aus ökonomischer und sozialer Sicht nachhaltig, sondern auch aus ökologischer Perspektive. In einzelnen Prozessstufen wurden im Rahmen des Projektes neue Potenziale identifiziert, die weiter zur Emissionsreduzierung beitragen.
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