Prozesse begleiten uns im gesamten Alltag. Vor allem aber für Unternehmen sind sie einer der wichtigsten Bestandteile für wirtschaftliches Handeln. Wir stellen die Grundlagen für ein erfolgreiches Prozessmanagement vor und geben Tipps für die Einführung.
In dieser Ausgabe von Nachgelesen-Reihe erfahren Sie:
- die Grundlagen von Prozessen und Prozessmanagement,
- warum Prozessmanagement für Unternehmen wichtig ist,
- worauf bei der Einführung eines Prozessmanagements zu achten ist und
- warum jede Unternehmensebene bei der Einführung eines Geschäftsprozessmanagements berücksichtigt werden sollte.
Grundlagen zu Prozessen und Prozessmanagement
In Zeiten globalisierter Märkte, erhöhtem Wettbewerbsdruck, immer kürzer werdender Produktlebenszyklen, stetig wachsender Kundenanforderungen und wachsendem Kostendruck bedeutet Stillstand gleich Rückschritt. Prozesse, die vor zwanzig Jahren erfolgversprechend waren, können heute zu Misswirtschaft führen und geschäftsschädigend sein. Vor allem beliebt sind Sätze wie: „Das haben wir schon immer so gemacht!“ oder „Dafür fehlt uns die Zeit!“ Doch gerade in der schnelllebigen und wandelbaren Zeit, auch durch die Einführung und Nutzung von Informations- und Kommunikationstechniken, ist es wichtig, flexibel auf neue Situationen reagieren zu können.
Die größte Herausforderung stellt das Prozessverständnis dar. Dabei ist es weniger das prinzipielle Wissen, was unter einem Prozess verstanden wird, sondern eher die diverse Auffassung eines gleichen Prozesses durch mehrere Personen. Nicht beherrschte Prozesse können schwerwiegende Folgen für das Unternehmen haben, wie hohe Produkt- und Produktionskosten, viele Fehler, lange Durchlaufzeiten, geringe Flexibilität, mangelhafte Lieferfähigkeit und Liefertreue sowie geringe Kundenzufriedenheit.
Durch ein einheitliches Prozessverständnis der Unternehmensabläufe und ein stabiles Prozessmanagement kann schnell auf die sich ändernden Marktsituationen reagiert und so der Prozess stets kundennutzenorientiert ausgerichtet werden.
Doch was ist ein Prozess und was wird unter einem stabilen Prozessmanagement verstanden?
Ein Prozess ist ein gerichteter Ablauf (siehe Abbildung 1) und besteht aus einer Reihe von Aktivitäten, die untereinander in Verbindung stehen und Inputgrößen (Material, Informationen, Geld, usw.) durch einen Transformationsprozess in Outputgrößen (Produkte, Dienstleistungen, Ergebnis) umwandeln[2];[3].
Ein Unternehmen besteht demnach aus einer Vielzahl von inner- und überbetrieblichen Prozessen. Diese gilt es zu planen, zu steuern und zu kontrollieren. Das sind die Kernbestandteile des Prozessmanagements[1].
Ziel ist es, die Prozesse abteilungsübergreifend zu synchronisieren sowie diese an den Unternehmenszielen und kundennutzenorientiert auszurichten, so dass sowohl die Kundenanforderungen als auch die strategischen Ziele erreicht werden[1];[4].

Aufgaben des Prozessmanagements
Zu den Hauptaufgaben des Prozessmanagements gehören unter anderem:
- Prozessoptimierung
- Prozessanalyse
- Prozessgestaltung und -modellierung
- Einführung von Prozessmanagement
- Weiterentwicklung von Prozessen
- Prozesscontrolling
- Prozesssteuerung
Es gibt verschiedene Gründe, die für die Einführung eines Prozessmanagements sprechen:
Prozessmanagement gegen Routine
Über Jahrzehnte eingeschliffene Prozesse sind routinierte Abläufe, die zu Unachtsamkeit sowie Fehlern führen. Ebenso können sie durch den Wandel der Zeit ineffizient sein. Gerade in Zeiten des steigenden Wettbewerbsdrucks sollte jeder Fehler und jeder Zeitverlust vermieden werden. Prozessmanagement trägt zur Identifikation und Anpassung von Routineprozessen bei.
Prozessmanagement zu Dokumentationszwecken
Vor allem neue Mitarbeitende kennen die Unternehmensprozesse nicht. Hingegen gibt es bei Mitarbeitenden, die bereits länger im Unternehmen sind, häufig unterschiedliche Verständnisse zu einem Unternehmensprozess. Eine Dokumentation macht einen Prozess verständlicher und schafft ein einheitliches Prozessverständnis und Vorgehen, welches die Einarbeitungszeit von neuen Mitarbeitern verkürzt, die Fehlersuche leichter gestaltet und klare Verantwortungsbereiche abgrenzt.
Prozessmanagement zur Prozessoptimierung
Prozesse können zwar effektiv sein, das heißt jedoch nicht, dass sie auch effizient sind. Gutes Prozessmanagement analysiert bestehende Prozesse in regelmäßigen Abständen, bewertet diese und optimiert sie bei Bedarf. Ziel ist es, die Geschäftsprozesse schlanker und effizienter zu gestalten, um Kosteneinsparungen zu generieren und eine erhöhte Wirtschaftlichkeit zu erzielen.
Prozessmanagement zur stetigen Weiterentwicklung von Prozessen
In den letzten Jahrzehnten konnten durch neue Technologien und die stetige Weiterentwicklung existierender Technik viele Prozesse rationalisiert, vereinfacht oder verlagert werden. Ein Beispiel liefert Abbildung 2.

Einführung eines Prozessmanagements
Vorgehen bei der Prozessmanagementeinführung
Die Implementierung eines Prozessmanagements ist komplex, zeitaufwendig und mit tiefgreifenden Veränderungen verbunden. Hierbei stehen nicht mehr die Unternehmensfunktionen mit ihren Rollen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten im Mittelpunkt, sondern die Geschäftsprozesse mit den Prozessverantwortlichen, neuen Arbeitsinhalten und neuen Verantwortungsschwerpunkten. Die vom Prozessmanagement ausgelösten Veränderungen erfordern eine Neuausrichtung des Geschäfts-, Kunden-, Mitarbeiter-, Führungs- und Organisationsverständnisses. Bei der Umstrukturierung wird die Organisationsstruktur in eine Prozessorganisation oder eine Matrixorganisation mit Schwerpunkt auf Prozesse verändert. Die Einführung und Durchführung des Geschäftsprozessmanagements lässt sich in vier Phasen unterteilen, wie Abbildung 3 verdeutlicht.
In Phase 1 wird die strategische Ausrichtung der Organisation überprüft und bei Bedarf neu definiert. Hierbei wird die Vision der neuen Organisation mit deren Zielen entwickelt und mit der Ausgangssituation abgeglichen. Daraus ergibt sich der Handlungsbedarf für das Geschäftsprozessmanagement.
Phase 2 beinhaltet die Identifizierung aller relevanten Geschäftsprozesse, welche für die Erfüllung der in Phase 1 definierten Geschäftsstrategien und Kundenanforderungen, wichtig sind.
In Phase 3 erfolgt die Implementierung der Geschäftsprozesse und des Prozesscontrollings. Dies beinhaltet die Festlegung der Prozessstruktur, Prozessverantwortlichen und Prozessgremien. Hierbei werden Ziele und Messgrößen definiert und ein Berichtssystem eingeführt. Phase 3 schafft somit die Infrastruktur des Geschäftsprozessmanagements.
Parallel zu Phase 2 und 3 erfolgt das Trainings- und Kommunikationsprogramm. Durch individuelle Trainingsprogramme für das Management, die Prozessexperten, die Verantwortungsträger im Geschäftsprozessmanagement sowie die Mitarbeiter wird prozessrelevantes Wissen an alle Mitarbeiter im Unternehmen vermittelt. Die Trainings sollen nicht nur die Rollenstruktur, deren Verantwortungsund Aufgabenbereiche der einzelnen Unternehmensgruppen aufzeigen. Ebenso sollen sie auf die Veränderungen vorbereiten, die mit der Einführung des Geschäftsprozessmanagement verbunden sind. Ziel dieses Trainings- und Kommunikationsprogramms ist die Einbeziehung und Berücksichtigung aller Mitarbeiter im Unternehmen, um den Informationsbedarf der Mitarbeiter zu decken, Ängste und Befürchtungen vorzubeugen und Widerstände zu überwinden. Das Training soll die Mitarbeiter vom GPM überzeugen und diese motivieren, sich aktiv am Veränderungsprozess zu beteiligen. Denn sie spielen eine zentrale Rolle für eine erfolgreiche Einführung des Geschäftsprozessmanagements.
Mit Phase 4 folgt die Optimierung der Geschäftsprozesse. Dies beinhaltet den operativen Ablauf und die Steuerung der Geschäftsprozesse. Kernaufgaben sind dabei die Neufestlegung und laufende Überwachung der Prozessziele in Abhängigkeit zur Geschäftsstrategie und den Kundenanforderungen. Ziel ist es, die Geschäftsprozesse zu optimieren und durch kontinuierliche Verbesserung die Leistungsfähigkeit zu erhöhen[6] .

Rollen im Prozessmanagement
Es ist nicht möglich, dass nur eine Person im Unternehmen die Aufgaben des Prozessmanagements durchführt. Es braucht ein Team, dessen Mitglieder unterschiedliche Rollen einnehmen und fest definierte Aufgaben durchführen. Jede Rolle erfordert bestimmte Fähigkeiten, Fachwissen, Prozess-Know-how und -erfahrung sowie spezifische Kompetenzen. Dabei können sowohl Personen, als auch Teams Rollenträger sein, deren Inhalt von der Prozessorganisation abhängt. Durch die Vielzahl an Prozessorganisationen gibt es in der Praxis viele verschiedene Rollen und Rollenbezeichnungen, was die Identifizierung und Konzentration auf die wichtigen Rollen bei einer Einführung erschwert. Im Wesentlichen benötigt eine reine Prozessorganisationsstruktur oder eine Matrixorganisationsstruktur die in Abbildung 4 dargestellten Rollen mit ihren Aufgabenbeschreibungen.
Für eine funktionsorientierte Organisationsstruktur sind diese Rollen nicht ausreichend, da ein erhöhter Koordinationsaufwand für die in den Funktionsbereichen parallel ablaufenden Geschäftsprozesse notwendig ist[6].

Ansätze zur Prozessidentifizierung
Bevor ein Prozessmanagement durchgeführt werden kann, müssen zunächst die relevanten Prozesse identifiziert werden. Dafür stehen zwei Ansätze zur Verfügung, der
- Top-Down und
- Bottom-Up.
In der Praxis stellt der Top- Down-Ansatz ein bewährtes Instrument zur Prozessidentifizierung dar, denn er berücksichtigt sowohl die Geschäftsstrategie als auch die Kunden. Ausgangsdaten für die Prozessidentifizierung sind die Geschäftsfelder und Kundengruppen sowie Kundenanforderungen, Leistungsangebote, Wettbewerbsstrategien und Kernkompetenzen. Hieraus werden die relevanten Prozesse abgegrenzt und in ihre Teilprozesse zerlegt.
Beim Bottom-Up-Ansatz ist kein Bezug zur Strategie, zum Kundennutzen oder der Wertschöpfung hergestellt. Der Ansatz geht von den Aktivitäten der untersten Prozessebene aus und wird nach ablauf-, informations- oder kostenrechnungstechnischen Aspekten in Prozesse gebündelt. Dies entspricht nicht den Gestaltungsregeln des Geschäftsprozessmanagements, weshalb dieser Ansatz eher in der Prozesskostenrechnung Anwendung findet[6].
Um Prozesse zu analysieren, eignen sich verschiedene Methoden:
- Beobachtung von Abläufen in Unternehmen
- Auswertung von Betriebsunterlagen
- Fragebögen zu Prozessvorgehen
- individuelle Mitarbeiterbefragungen/-gespräche von Prozessbeteiligten
Jede Methode kann dabei einzeln angewendet werden. Jedoch ist die Nutzung mehrerer Methoden bei der Prozessanalyse empfehlenswert. Das Ziel ist eine maximale Transparenz von der Prozessdurchführung aus jeder Unternehmensperspektive.
Die erfassten Prozesse müssen schließlich dokumentiert werden. Hierfür gibt es geeignete Modellierungssprachen wie BPMN (Business Process Model and Notation), eEPK (erweiterte ereignisgesteuerte Prozesskette) oder DIN 66001.
Fazit
Die Einführung eines Prozessmanagements kann tiefgreifende Veränderungen für das Unternehmen haben. Hierbei ist es wichtig, die Mitarbeiter von Anfang an mit einzubeziehen. Starke Veränderungen führen häufig zu starken Widerständen. Sind die Mitarbeiter in den Veränderungsprozess involviert, können Widerstände abgeschwächt werden, denn „eine Revolution von oben kann starke Gegenwehr von unten auslösen“[6].
Die Kommunikation und aktive Einbindung jeder Unternehmensebene sorgt für eine starke Basis bei der Einführung des Geschäftsprozessmanagements. Ein reiner Top-Down-Ansatz ist bei der Einführung daher nicht zu empfehlen, da sich dieser auf Organisationsspezialisten und externe Berater stützt und die Basis des Unternehmens unberücksichtigt bleibt[6].
Anmerkungen
Quellen und weiterführende Literatur
- Becker, J., Kahn, D. (2012). Der Prozess im Fokus. In J. Becker u. a (Hrsg.), Prozessmanagement – Ein Leitfaden zur prozessorientierten Organisationsgestaltung (S.1-16). Berlin Heidelberg: Springer Gabler Verlag.
- DIN EN ISO 9000 (2015). Qualitätsmanagementsysteme – Grundlagen und Begriffe. Berlin: Deutsches Institut für Normung e. V.
- Füermann, T. (2014). Prozessmanagement. München: Carl Hanser Verlag.
- Hofmann, S. (2014). Prozessmanagement – Grundlagen und Begriffe. Flensburg: eBusiness-Lotse Schleswig-Holstein. Abgerufen am 23.03.2020, unter https://d-nb.info/1162856173/34.
- myRobotcenter (2018). Vom Besen zum Saugroboter: die Geschichte der Staubsauger Roboter, 27.09.2018. Abgerufen am 14.07.2020, unter https://blog.myrobotcenter.com/de/roboternews/vom-besen-zum-saugroboter-die-geschichte-der-staubsauger-robotergeschichte-der-saugroboter.
- Schmelzer, H., Sesselmann, W. (2013). Geschäftsprozessmanagement in der Praxis. München: Carl Hanser Verlag.