Digitalisierung ist eng mit Veränderung, Wissenserwerb sowie Kompetenzerweiterung verknüpft und initiiert vielfältige Lernprozesse in den Unternehmen und ganz konkret bei den Mitarbeiter:innen.
In diesem Nachgelesen zeigen wir Ihnen beispielhaft die didaktische und konzeptionelle Entwicklung von interaktiven Selbstlernangeboten, um Ihre Mitarbeiter:innen in ihrem individuellen Lernprozess zu begleiten und zu unterstützen.
Konkret geht es um:
- neue Lernformen zur Weiterentwicklung der beruflichen Handlungskompetenz
- die didaktische Konzeption der Selbstlernangebote des Mittelstand Digital Zentrums Chemnitz
- die praktische Umsetzung der Lernangebote
Lernen, lernen, lernen – aber wie?!
In der heutigen Informations- und Wissensgesellschaft, die durch Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (VUKA[1]) gekennzeichnet ist, wird die Notwendigkeit des lebenslangen Lernens besonders deutlich, um als Mitarbeiter:in adäquat auf neue Prozesse und Systeme, veränderte Rahmenbedingungen und anzupassende Handlungsweisen reagieren zu können. Die kontinuierliche Weiterentwicklung der beruflichen Handlungskompetenz[2] wird dabei durch Lernformen unterstützt, die durch arbeitsintegriertes, selbstorganisiertes und mediengestütztes Lernen gekennzeichnet sind[3]. Die Umsetzung dieser Anforderungen in einer digitalen Lernumgebung (z. B. als E-Learning) ermöglicht ein flexibles, selbstbestimmtes Lernen und unterstützt den Megatrend der Individualisierung des Lernens durch zielgerichtete und bedarfsgerechte Lernangebote[4].
Auf dieser Basis werden digitale und interaktive Selbstlernangebote entwickelt, mit denen sich Mitarbeiter:innen orts- und zeitunabhängig Wissen aneignen und sich nach individuellen Präferenzen weiterqualifizieren können (Abbildung 1).
Die Selbstlernangebote umfassen thematisch aufbereitete Inhalte, in denen Wissen über ausgewählte Medien vermittelt wird. Dabei sind die Selbstlernangebote inhaltlich und zeitlich abgegrenzte und niedrigschwellige Formate. Jedes Selbstlernangebot behandelt eine konkrete Thematik im Zusammenhang mit der Digitalisierung von Unternehmen und vermittelt den Mitarbeiter:innen multimedial und interaktiv Wissen. Ergänzend dazu werden Wissenstests mit differenzierten und interaktiven Frageformaten generiert, die während oder am Ende jeder Lerneinheit eine Überprüfung des erworbenen Wissens ermöglichen.
Die Selbstlernangebote und das zugrundeliegende Konzept
Die Selbstlernangebote basieren auf dem didaktischen Konzept des Constructive Alignment (CA) nach Biggs[5]. Das universell und fachunabhängig einsetzbare Konzept orientiert sich an den miteinander in Beziehung stehenden und konsequent aufeinander abgestimmten Lernzielen, Lernaktivitäten und Leistungsüberprüfungen[6],[7], deren Zusammenhang in Abbildung 2 dargestellt ist.
Lernziele als Orientierung
Lernziele können nach der Taxonomie von Bloom[8] und deren Weiterentwicklung[9] auf verschiedenen Stufen konzipiert werden. Diese sind: Erinnern, Verstehen, Anwenden, Analysieren, Bewerten und Erschaffen[9],[10]. Die Lernziele der Selbstlernangebote orientieren sich an den beiden unteren Taxonomiestufen Erinnern und Verstehen. Die Mitarbeiter:innen sollen nach dem Absolvieren der Selbstlernangebote konkrete Kompetenzen erlangt haben, z. B. bestimmte Sachverhalte zu einem Thema nennen/beschreiben (Taxonomiestufe: Erinnern) oder Zusammenhänge in eigenen Worten erklären/Vergleiche anstellen (Taxonomiestufe: Verstehen) können[10].
Lernaktivitäten für den Kompetenzerwerb
Die Lernaktivitäten werden entsprechend der angestrebten Lernziele für das jeweilige digitale Selbstlernangebot ausgewählt und gestaltet. Die Konzeption erfolgt unter Berücksichtigung von Inhalten, Methoden und Medien. Die Auswahl der zu vermittelnden Inhalte erfolgt themenbezogen unter den Aspekten der Aktualität und der Reichhaltigkeit des Wissens. Dabei kommt der zielgruppenspezifischen Aufbereitung des Wissens (z. B. Anknüpfung an Vorwissen, Bezug zum unternehmerischen Kontext, praxisnahe Beispiele) sowie der zeitlichen und thematischen Differenzierung eine besondere Bedeutung zu, so dass die Selbstlernangebote von den Mitarbeiter:innen in einem definierten Zeitrahmen bearbeitet werden können und thematisch in die weiteren Angebote des Mittelstand-Digital Zentrums Chemnitz integriert sind.
Hinsichtlich der Methoden und Medien zur Gestaltung der Lernaktivitäten zur Wissensvermittlung ergibt sich ein breites Spektrum an Möglichkeiten. Die konkrete Ausgestaltung erfolgt themenspezifisch und orientiert sich an neurobiologischen Erfolgsfaktoren des Lernens, wie z. B. neuronale Muster aufbauen; Sinn, Relevanz und Bedeutung erkennen; positive Emotionen erzeugen und unterschiedliche Lerntypen ansprechen[4]. Die Konzeption und Umsetzung der Lernaktivitäten erfolgt methodisch in der Art und Weise, dass Lernpfade für die Mitarbeiter:innen gestaltet werden, auf denen ein selbstgesteuertes Lernen möglich ist. Der Einsatz unterschiedlicher Medien ermöglicht es, Wissen in den Selbstlernangeboten z. B. über Text, Bilder, Videos oder Audios zu vermitteln. Durch diese Medienvielfalt wird die Verknüpfung mehrerer Sinnesreize angestrebt, so dass sich die Behaltensquote bei den Mitarbeiter:innen erhöht. Weiterhin erlaubt eine abwechslungsreiche Mediennutzung die Ausbildung positiver Emotionen und kann sich somit auf die Lernmotivation der Mitarbeiter:innen auswirken.
Leistungsüberprüfung als Feedback zum aktuellen Lernstand
Die Leistungsüberprüfung wird ebenso wie die Lernaktivitäten digital, d. h. als E-Assessment gestaltet. In elektronischen Lernszenarien dient das E-Assessment während des Lernprozesses zur Steuerung (formatives Assessment) und am Ende des Lernprozesses zur Überprüfung und Bewertung (summatives Assessment) des Lernens [11]. Die Rückmeldung der Ergebnisse erfolgt unmittelbar, z. B. in Form von erreichten Punkten oder Anzahl richtig gelöster Aufgaben.
E-Assessments in Kombination mit interaktiven Lernaktivitäten können beispielsweise die Gestaltung individueller Lernpfade unterstützen. Innerhalb eines Themas wählen die Mitarbeiter:innen selbständig die Reihenfolge der Bearbeitung von Themen. Mit der abschließenden Lernerfolgskontrolle erhalten sie ein unmittelbares individuelles Feedback zu ihrem Lernstand und können den Test wiederholen oder das Thema bzw. Teile des Themas erneut bearbeiten. Je nach Komplexität des Themas können weitere oder andere Themen bearbeitet werden. Bei vertieftem Interesse besteht die Möglichkeit, an Veranstaltungen und Workshops des Mittelstand-Digital Zentrums Chemnitz teilzunehmen.
Interaktive Selbstlernangebote praxisnah umgesetzt
Für die Entwicklung und Gestaltung der interaktiven Selbstlernangebote wurden webbasierte, objektorientierte und responsive H5P-Inhalte verwendet. H5P steht für HTML5 Package und ist eine Open-Source-Software, mit der interaktive Inhalte erstellt und in Lernplattformen und Websites eingebunden werden können. H5P wird ständig weiterentwickelt und bietet derzeit mehr als 50 verschiedene Inhaltstypen (Abbildung 3).
Die Inhaltstypen reichen dabei von einfachen Elementen wie Quizfragen, Drag-and-Drop-Übungen, Videos oder Diagrammen, bis hin zu komplexeren Elementen, wie Präsentationen, Verzweigungsszenarien oder dem interaktiven Buch. Diese komplexeren Elemente bieten die Möglichkeit, durch die Verwendung und die Kombination der Einzelelemente umfassende Lerninhalte unterschiedlicher Art zu erstellen.
Die Selbstlernangebote des Mittelstand-Digital Zentrums Chemnitz die sich an Mitarbeiter:innen und Führungskräfte kleiner und mittlerer Unternehmen aller Branchen richten, basieren auf dem interaktiven Buch von H5P. Dieses komplexe Element besteht aus einer beliebigen Anzahl von Seiten, die unter Verwendung einzelner H5P-Inhalte individuell gestaltet werden können. Die interaktiven Bücher des Mittelstand-Digital Zentrums Chemnitz bestehen aus definierten Seiten als Rahmen (Lernziele, Quiz und Literatur) und flexiblen, themenspezifischen Inhaltsseiten. Auf den Inhaltsseiten können sich Mitarbeiter:innen von kleinen und mittleren Unternehmen interaktiv Wissen zu unterschiedlichen Themen aneignen. Die Inhaltsseiten haben eine vorgegebene Reihenfolge, den sogenannten Lernpfad. Dieser kann individuell ausgestaltet werden, indem die Mitarbeiter:innen die Seiten in beliebiger Reihenfolge ansehen oder Seiten überspringen, wenn z. B. bereits Vorwissen zu einem Thema vorhanden ist. Der Umfang der interaktiven Bücher ist so gestaltet, dass Lernende sie in Lerneinheiten von 20 bis 45 Minuten durcharbeiten können. Ein abschließendes Quiz mit interaktiven Frageelementen zum vermittelten Themenkomplex gibt den Mitarbeiter:innen ein Feedback zum individuellen Wissensstand.
Für die Erstellung von H5P-Inhalten sind keine Programmierkenntnisse erforderlich und es können unternehmensspezifische, interaktive Lernangebote für die Mitarbeiter:innen erstellt werden. Die H5P-Inhalte werden direkt in Webseiten oder in Lernmanagementsysteme eingebunden. Sie stehen den Mitarbeiter:innen jederzeit als Lernangebot zur Verfügung und können mit jedem internetfähigen Endgerät genutzt werden. Die Einsatzfelder in der betrieblichen Praxis reichen dabei von der digitalen Unterstützung von Onboarding-Prozessen über regelmäßige Arbeitsschutzunterweisungen bis hin zur Begleitung von Transformationsprozessen bei Produktionsumstellungen.
Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, kontaktieren Sie uns bitte unter info@digitalzentrum-chemnitz.de.
Quellen
- Sarica, R. M. (2020). Gesunde Führung in der VUKA-Welt: Orientierung, Entwicklung und Umsetzung in die Praxis (1. Auflage, 2020). Haufe-Lexware GmbH & Co. KG.
- Dehnbostel, P. (2013, 19. November). Lernen, Kompetenz- und Wissensentwicklung im Prozess der Arbeit. Fachforum Wissensallianz Lernfabrik: Wissen und Lernen im Innovationsprozess, Berlin.
- Schüßler, I. (2004). Lernwirkungen neuer Lernformen: QUEM-Materialien. http://www.forschungsnetzwerk.at/downloadpub/Lernwirkungen%20neuer%20Lernformen.pdf
- Franken, R. & Franken, S. (2020). Wissen, Lernen und Innovation im digitalen Unternehmen. Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-30178-1
- Biggs, J. (2003). Aligning teaching for constructing learning. https://www.cardiff.ac.uk/__data/assets/pdf_file/0020/584030/Aligning-teaching-for-constructing-learning-John-Biggs-HEA.pdf
- Bandtel, M., Baume, M., Brinkmann, E., Bedenlier, S., Budde, J., Eugster, B., Ghoneim, A., Halbherr, T., Persike, M., Rampelt, F., Reinmann, G., Sari, Z., Schulz, A. (2021). Digitale Prüfungen in der Hochschule: Whitepaper einer Community Working Group aus Deutschland, Österreich und der Schweiz (Nr. 62). Berlin. https://hochschulforumdigitalisierung.de/sites/default/files/dateien/HFD_Whitepaper_Digitale_Pruefungen_Hochschule.pdf
- Baumert, B. & May, D. (2013). Constructive Alignment als didaktisches Konzept: Lehre planen in den Ingenieur- und Geisteswissenschaften. journal hochschuldidaktik(1-2), 23–27.
- Bloom, B. S [B. S.] (Hrsg.). (1976). BELTZ Studienbuch. Taxonomie von Lernzielen im kognitiven Bereich. Beltz Verlag.
- Anderson, L. W., Krathwohl, D. R., Airasian, P. W. & Bloom, B. S [Benjamin Samuel] (Hrsg.). (2001). A taxonomy for learning, teaching, and assessing: A revision of Bloom’s taxonomy of educational objectives (Complete ed.). Longman.
- Reinmann, G. (2015). Didaktisches Design: Studientext. Hamburger Zentrum für Universitäres Lehren und Lernen. https://gabi-reinmann.de/wp-content/uploads/2013/05/Studientext_DD_Sept2015.pdf
- Franke, P. & Handke, J [J.]. (2012). E-Assessment. In J. Handke & A. M. Schäfer (Hrsg.), E-Learning, E-Teaching und E-Assessment in der Hochschullehre: Eine Anleitung (S. 147–208). Oldenbourg.